ÜBER DEN TRAUM
§ 2(1901)
§ 3I
§ 4In den Zeiten, die wir vorwissenschaftliche nennen dürfen,eigene psychische Lei des Träumers ist. stung
waren die Menschen um die Erklärung des Traumes nicht ver legen. Wenn sie ihn nach dem Erwachen erinnerten, galt er ihnen als eine entweder gnädige oder feindselige Kundgebung höherer, dämonischer und göttlicher Mächte. Mit dem Auf blühen naturwissenschaftlicher Denkweisen hat sich all diese sinnreiche Mythologie in Psychologie umgesetzt, und heute bezweifelt nur mehr eine geringe Minderzahl unter den Gebil deten, daß der Traum die § 5Seit der Verwerfung der mythologischen Hypothese ist derBedeutung des Traumes, die einen zweifachen Sinn in sich schließt. Sie fragt erstens nach der psychischen Bedeutung des Träumens, nach der Stellung des Traumes zu anderen seelischen Vorgängen und nach einer etwaigen biologischen Funktion desselben, und zweitens möchte sie wissen, ob der Traum deutbar ist, ob der einzelne Trauminhalt einen „Sinn“ hat, wie wir ihn in anderen psychischen Kompositionen zu finden gewöhnt sind.
Traum aber erklärungsbedürftig geworden. Die Bedingungen seiner Entstehung, seine Beziehung zum Seelenleben des Wachens, seine Abhängigkeit von Reizen, die sich während des Schlafzustandes zur Wahrnehmung drängen, die vielen dem wachen Denken anstößigen Eigentümlichkeiten seines In haltes, die Inkongruenz zwischen seinen Vorstellungsbildern und den an sie geknüpften Affekten, endlich die Flüchtigkeit des Traumes, die Art, wie das wache Denken ihn als fremd artig beiseiteschiebt, in der Erinnerung verstümmelt oder aus löscht: — all diese und noch andere Probleme verlangen seit vielen hundert Jahren nach Lösungen, die bis heute nicht be friedigend gegeben werden konnten. Im Vordergrunde des Interesses steht aber die Frage nach der § 6Drei Richtungen machen sich in der Würdigung des TraumesSchubert: Der Traum sei eine Be freiung des Geistes von der Gewalt der äußeren Natur, eine Loslösung der Seele von den Fesseln der Sinnlichkeit. Andere Denker gehen nicht so weit, halten aber daran fest, daß die Träume wesentlich seelischen Anregungen entspringen und Äußerungen seelischer Kräfte darstellen, die tagsüber an ihrer freien Entfaltung behindert sind (der Traumphantasie — Scherner, Volkelt). Eine Fähigkeit zur Überleistung wenigstens auf gewissen Gebieten (Gedächtnis) wird dem Traumleben von einer großen Anzahl von Beobachtern zu gesprochen.
bemerkbar. Die eine derselben, die gleichsam den Nachklang der alten Überschätzung des Traumes bewahrt hat, findet ihren Ausdruck bei manchen Philosophen. Ihnen gilt als die Grund lage des Traumlebens ein besonderer Zustand der Seelentätig keit, den sie sogar als eine Erhebung zu einer höheren Stufe feiern. So urteilt z. B. § 7Im scharfen Gegensatz hiezu vertritt die Mehrzahl ärzt "ein körperlicher, in allen Fällen unnützer, in vielen Fällen“ zu kennzeichnen ( krankhafter Vorgang" Binz). Alle Eigen tümlichkeiten des Traumlebens erklären sich aus der zu sammenhanglosen, durch physiologische Reize erzwungenen Arbeit einzelner Organe oder Zellgruppen des sonst in Schlaf versenkten Gehirns.
licher Autoren eine Auffassung, welche dem Traum kaum noch den Wert eines psychischen Phänomens beläßt. Die Erreger des Traumes sind nach ihnen ausschließlich die Sinnes- und Leibreize, die entweder von außen den Schläfer treffen oder zufällig in seinen inneren Organen rege werden. Das Ge träumte hat nicht mehr Anspruch auf Sinn und Bedeutung als etwa die Tonfolge, welche die zehn Finger eines der Musik ganz unkundigen Menschen hervorrufen, wenn sie über die Tasten des Instruments hinlaufen. Der Traum ist geradezu als „§ 8Wenig beeinflußt durch dieses Urteil der Wissenschaft undnach einem feststehenden Schlüssel, oder das Ganze des Traumes durch ein anderes Ganzes, zu dem es in der Beziehung eines Symbols steht. Ernsthafte Männer lächeln über diese Bemühungen. „Träume sind Schäume.“
unbekümmert um die Quellen des Traumes, scheint die Volks meinung an dem Glauben festzuhalten, daß der Traum denn doch einen Sinn habe, der sich auf die Verkündigung der Zukunft bezieht und der durch irgendein Verfahren der Deutung aus seinem oft verworrenen und rätselhaften Inhalt gewonnen werden könne. Die in Anwendung gebrachten Deutungsmethoden bestehen darin, daß man den erinnerten Trauminhalt durch einen anderen ersetzt, entweder Stück für Stück § 9ll
§ 10Zu meiner großen Überraschung entdeckte ich eines Tages,
daß nicht die ärztliche, sondern die laienhafte, halb noch im Aberglauben befangene Auffassung des Traumes der Wahrheit nahe kommt. Ich gelangte nämlich zu neuen Aufschlüssen über den Traum, indem ich eine neue Methode der psychologischen Untersuchung auf ihn anwendete, die mir bei der Lösung der Phobien, Zwangsideen, Wahnideen u. dgl. hervorragend gute Dienste geleistet hatte, und die seither unter dem Namen „Psychoanalyse“ bei einer ganzen Schule von Forschern Auf nahme gefunden hat. Die mannigfaltigen Analogien des Traumlebens mit den verschiedenartigsten Zuständen psychi scher Krankheit im Wachen sind ja von zahlreichen ärztlichen Forschern mit Recht bemerkt worden. Es erschien also von vorneherein hoffnungsvoll, ein Untersuchungsverfahren, welches sich bei den psychopathischen Gebilden bewährt hatte, auch zur Aufklärung des Traumes heranzuziehen. Die Angst- und Zwangsideen stehen dem normalen Bewußtsein in ähnlicher Weise fremd gegenüber wie die Träume dem Wachbewußtsein; ihre Herkunft ist dem Bewußtsein ebenso unbekannt wie die der Träume. Bei diesen psychopathischen Bildungen wurde man durch ein praktisches Interesse getrieben, ihre Herkunft und Entstehungsweise zu ergründen, denn die Erfahrung hatte ge zeigt, daß eine solche Aufdeckung der dem Bewußtsein ver hüllten Gedankenwege, durch welche die krankhaften Ideen mit dem übrigen psychischen Inhalt zusammenhängen, einer Lösung dieser Symptome gleichkommt, die Bewältigung der bisher unhemmbaren Idee zur Folge hat. Aus der Psycho therapie stammte also das Verfahren, dessen ich mich für die Auflösung der Träume bediente. § 11Dieses Verfahren ist leicht zu beschreiben, wenngleich seineohne Ausnahme sich klarzu machen und dem Arzt mitzuteilen, was ihm zu ihr ein. Die dann etwa auftretende Behauptung, daß die Auf fällt merksamkeit nichts erfassen könne, schiebt man durch eine energische Versicherung, ein solches Ausbleiben eines Vor stellungsinhaltes sei ganz unmöglich, zur Seite. Tatsächlich er geben sich sehr bald zahlreiche Einfälle, an die sich weitere knüpfen, die aber regelmäßig von dem Urteil des Selbst beobachters eingeleitet werden, sie seien unsinnig oder un wichtig, gehören nicht hieher, seien ihm nur zufällig und außer Zusammenhang mit dem gegebenen Thema eingefallen. Man merkt sofort, daß es diese Kritik ist, welche all diese Einfälle von der Mitteilung, ja bereits vom Bewußtwerden, ausgeschlossen hat. Kann man die betreffende Person dazu bewegen, auf solche Kritik gegen ihre Einfälle zu verzichten und die Gedankenreihen, die sich bei festgehaltener Auf merksamkeit ergeben, weiterzuspinnen, so gewinnt man ein psychisches Material, welches alsbald deutlich an die zum Thema genommene krankhafte Idee anknüpft, deren Ver knüpfungen mit anderen Ideen bloßlegt, und in weiterer Ver folgung gestattet, die krankhafte Idee durch eine neue zu er setzen, die sich in verständlicher Weise in den seelischen Zu sammenhang einfügt.
Ausführung Unterweisung und Übung erfordern dürfte. Wenn man es bei einem anderen, etwa einem Kranken mit einer Angstvorstellung, in Anwendung zu bringen hat, so fordert man ihn auf, seine Aufmerksamkeit auf die betreffende Idee zu richten, aber nicht, wie er schon so oft getan, über sie nach zudenken, sondern alles § 12Es ist hier nicht der Ort, die Voraussetzungen, auf denenungewoll“, den „ tenunser Nachdenken störenden“, den sonst von der Kritik als wertloser Abfall beseitigten Assozia tionen zuwenden. Übt man das Verfahren an sich selbst, so unterstützt man sich bei der Untersuchung am besten durch sofortiges Niederschreiben seiner anfänglich unverständlichen Einfälle.
dieser Versuch ruht, und die Folgerungen, die sich aus seinem regelmäßigen Gelingen ableiten, ausführlich zu behandeln. Es mag also die Aussage genügen, daß wir bei jeder krankhaften Idee ein zur Lösung derselben hinreichendes Material erhalten, wenn wir unsere Aufmerksamkeit gerade den „§ 13Ich will nun zeigen, wohin es führt, wenn ich diese Methode
der Untersuchung auf den Traum anwende. Es müßte jedes Traumbeispiel sich in gleicher Weise dazu eignen; aus gewissen Motiven wähle ich aber einen eigenen Traum, der mir in der Erinnerung undeutlich und sinnlos erscheint und der sich durch seine Kürze empfehlen kann. Vielleicht wird gerade der Traum der letzten Nacht diesen Ansprüchen genügen. Sein unmittelbar nach dem Erwachen fixierter Inhalt lautet folgendermaßen: § 14„Eine Gesellschaft, Tisch oder Table d’hôte ... Es wird“ Spinat gegessen ... Frau E. L. sitzt neben mir, wendet sich ganz mir zu und legt vertraulich die Hand auf mein Knie. Ich entferne die Hand abwehrend. Sie sagt dann: Sie haben aber immer so schöne Augen gehabt ... Ich sehe dann un deutlich etwas wie zwei Augen als Zeichnung oder wie die Kontur eines Brillenglases ...
§ 15Dies ist der ganze Traum oder wenigstens alles, was ich von
ihm erinnere. Er erscheint mir dunkel und sinnlos, vor allem aber befremdlich. Frau E. L. ist eine Person, zu der ich kaum je freundschaftliche Beziehungen gepflogen, meines Wissens herzlichere nie gewünscht habe. Ich habe sie lange Zeit nicht gesehen und glaube nicht, daß in den letzten Tagen von ihr die Rede war. Irgendwelche Affekte haben den Traumvorgang nicht begleitet. § 16Nachdenken über diesen Traum bringt ihn meinem Ver
ständnis nicht näher. Ich werde aber jetzt absichts- und kritik los die Einfälle verzeichnen, die sich meiner Selbstbeobachtung ergeben. Ich bemerke bald, daß es dabei vorteilhaft ist, den Traum in seine Elemente zu zerlegen und zu jedem dieser Bruchstücke die anknüpfenden Einfälle aufzusuchen. § 17Gesellschaft, Tisch oder Table d’hôte. Daran knüpft sich sofort die Erinnerung an das kleine Erlebnis, welches den gestrigen Abend beschloß. Ich war von einer kleinen Gesellschaft weggegangen in Begleitung eines Freundes, der sich erbot, einen Wagen zu nehmen und mich nach Hause zu führen. „Ich ziehe einen Wagen mit Taxameter vor", sagte er, „das beschäftigt einen so angenehm; man hat immer etwas, worauf man schauen kann.“ Als wir im Wagen saßen und der Kutscher die Scheibe einstellte, so daß die ersten sechzig Heller sichtbar wurden, setzte ich den Scherz fort. „Wir sind kaum eingestiegen und schulden ihm schon sechzig Heller. Mich er innert der Taxameterwagen immer an die Table d’hôte. Er macht mich geizig und eigensüchtig, indem er mich unaus gesetzt an meine Schuld mahnt. Es kommt mir vor, daß diese zu schnell wächst, und ich fürchte mich, zu kurz zu kommen, gerade wie ich mich auch an der Table d’hôte der komi schen Besorgnis, ich bekomme zu wenig, müsse auf meinen Vor teil bedacht sein, nicht erwehren kann.“ In entfernterem Zu sammenhange hiemit zitierte ich:
§ 18"„Ihr führt ins Leben uns hinein,schuldig werden.“" Ihr laßt den Armen
§ 19Ein zweiter Einfall zur Table d’hôte: Vor einigen WochenGasthaustafel in einem Tiroler Höhenkurort heftig über meine liebe Frau geärgert, die mir nicht reserviert genug gegen einige Nachbarn war, mit denen ich durchaus keinen Verkehr anknüpfen wollte. Ich bat sie, sich mehr mit mir als mit den Fremden zu beschäftigen. Das ist ja auch, als ob ich an der Table d’hôte zu kurz. Jetzt fällt mir auch der Gegensatz auf gekommen wäre zwischen dem Benehmen meiner Frau an jener Tafel und dem der Frau E. L. im Traum, „die sich ganz mir zu“. wendet
habe ich mich an einer § 20Weiter: Ich merke jetzt, daß der Traumvorgang die Repro
duktion einer kleinen Szene ist, die sich ganz ähnlich so zwischen meiner Frau und mir zur Zeit meiner geheimen Wer bung zugetragen hat. Die Liebkosung unter dem Tischtuch war die Antwort auf einen ernsthaft werbenden Brief. Im Traum ist aber meine Frau durch die mir fremde E. L. ersetzt. § 21Frau E. L. ist die Tochter eines Mannes, dem ich Geld habe! Ich kann nicht umhin zu bemerken, daß geschuldet sich da ein ungeahnter Zusammenhang zwischen den Stücken des Trauminhalts und meinen Einfällen enthüllt. Folgt man der Assoziationskette, die von einem Element des Traum inhaltes ausgeht, so wird man bald zu einem anderen Element desselben zurückgeführt. Meine Einfälle zum Traume stellen Verbindungen her, die im Traume selbst nicht ersichtlich sind.
§ 22Pflegt man nicht, wenn jemand erwartet, daß andere fürum Ihrer schönen Augen geschehen wird? Dann bedeutet ja die Rede der Frau willen E. L. im Traume: „Sie haben immer so schöne Augen gehabt“ nichts anderes als: Ihnen haben die Leute immer alles zu Liebe getan; Sie haben alles umsonst gehabt. Das Gegenteil ist natürlich wahr: Ich habe alles, was mir andere etwa Gutes erwiesen, teuer bezahlt. Es muß mir doch einen Eindruck gemacht haben, daß ich gestern den Wagen umsonst ge in dem mich mein Freund nach Hause ge habt habe, führt hat.
seinen Vorteil sorgen sollen, ohne eigenen Vorteil dabei zu finden, diesen Weltunkundigen höhnisch zu fragen: Glauben Sie denn, daß dies oder jenes § 23Allerdings der Freund, bei dem wir gestern zu Gaste waren,Augen gemalt sind, ein sog. Occhiale zur Abwehr des Malocchio. Er ist übrigens Augenarzt. Ich hatte ihn an demselben Abend nach der Patientin gefragt, die ich zur Brillenbestimmung in seine Ordination empfohlen hatte.
hat mich oft zu seinem Schuldner gemacht. Ich habe erst un längst eine Gelegenheit, es ihm zu vergelten, ungenützt vor übergehen lassen. Er hat ein einziges Geschenk von mir, eine antike Schale, auf der ringsum § 24Wie ich bemerke, sind nun fast sämtliche Stücke des TraumSpinat an eine kleine Szene erinnert, die kürzlich an unserem Familientische vorfiel, als ein Kind — gerade jenes, dem man die schönen Augen wirklich nachrühmen kann — sich weigerte, Spinat zu essen. Ich selbst benahm mich als Kind ebenso; Spinat war mir lange Zeit ein Abscheu, bis sich mein Geschmack später änderte und dieses Gemüse zur Lieblingsspeise erhob. Die Erwähnung dieses Gerichts stellt so eine Annäherung her zwischen meiner Jugend und der meines Kindes. „Sei froh, daß du Spinat hast“, hatte die Mutter dem kleinen Feinschmecker zugerufen. „Es gibt Kinder, die mit Spinat sehr zufrieden wären.“ Ich werde so an die Pflichten der Eltern gegen ihre Kinder erinnert. Die Goetheschen Worte:
inhaltes in den neuen Zusammenhang gebracht. Ich könnte aber konsequenterweise noch fragen, warum im Traume gerade Spinat aufgetischt wird? Weil § 25"„Ihr führt ins Leben uns hinein, Ihr laßt den Armen schuldig werden.“"
§ 26zeigen in diesem Zusammenhange einen neuen Sinn.
§ 27Ich werde hier haltmachen, um die bisherigen Ergebnisse dereigennützig—uneigennützig, die Ele mente schuldig sein und umsonst tun. Ich könnte in dem Gewebe, welches sich der Analyse enthüllt, die Fäden fester anziehen und würde dann zeigen können, daß sie zu einem einzigen Knoten zusammenlaufen, aber Rücksichten nicht wissenschaftlicher, sondern privater Natur hindern mich, diese Arbeit öffentlich zu tun. Ich müßte zu vielerlei verraten, was besser mein Geheimnis bleibt, nachdem ich auf dem Wege zu dieser Lösung mir allerlei klargemacht, was ich mir selbst un gern eingestehe. Warum ich aber nicht lieber einen anderen Traum wählte, dessen Analyse sich zur Mitteilung besser eignet, so daß ich eine bessere Überzeugung für den Sinn und Zusammenhang des durch Analyse aufgefundenen Materials er wecken kann? Die Antwort lautet, weil jeder Traum, mit dem ich mich beschäftigen will, zu denselben schwer mitteil baren Dingen führen und mich in die gleiche Nötigung zur Diskretion versetzen wird. Ebensowenig würde ich diese Schwierigkeit vermeiden, wenn ich den Traum eines anderen zur Analyse brächte, es sei denn, daß die Verhältnisse gestat teten, ohne Schaden für den mir Vertrauenden alle Ver schleierungen fallen zu lassen.
Traumanalyse zu überblicken. Indem ich den Assoziationen folgte, welche sich an die einzelnen, aus ihrem Zusammenhang gerissenen Elemente des Traumes anknüpften, bin ich zu einer Reihe von Gedanken und Erinnerungen gelangt, in denen ich wertvolle Äußerungen meines Seelenlebens erkennen muß. Dieses durch die Analyse des Traumes gefundene Material steht in einer innigen Beziehung zum Trauminhalt, doch ist diese Beziehung von der Art, daß ich das neu Gefundene niemals aus dem Trauminhalt hätte erschließen können. Der Traum war affektlos, unzusammenhängend und unverständlich; während ich die Gedanken hinter dem Traume entwickle, ver spüre ich intensive und gut begründete Affektregungen, die Gedanken selbst fügen sich ausgezeichnet zu logisch verbun denen Ketten zusammen, in denen gewisse Vorstellungen als zentrale wiederholt vorkommen. Solche im Traum selbst nicht vertretene Vorstellungen sind in unserem Beispiel die Gegen sätze von § 28Die Auffassung, die sich mir schon jetzt aufdrängt, gehtErsatz ist für jene affekt vollen und sinnreichen Gedankengänge, zu denen ich nach vollendeter Analyse gelangt bin. Ich kenne den Prozeß noch nicht, welcher aus diesen Gedanken den Traum hat entstehen lassen, aber ich sehe ein, daß es Unrecht ist, diesen als einen rein körperlichen, psychisch bedeutungslosen Vorgang hinzu stellen, der durch die isolierte Tätigkeit einzelner, aus dem Schlaf geweckter Hirnzellgruppen entstanden ist.
dahin, daß der Traum eine Art § 29Zweierlei merke ich noch an: daß der Trauminhalt sehr viel
kürzer ist als die Gedanken, für deren Ersatz ich ihn erkläre, und daß die Analyse eine unwichtige Begebenheit des Abends vor dem Träumen als den Traumerreger aufgedeckt hat. § 30Ich werde einen so weit reichenden Schluß natürlich nichtjedem Traum aus zu einer solchen Kette von Gedanken gelangen kann, unter deren Elementen die Traumbestandteile wiederkehren, und die unter sich korrekt und sinnreich verknüpft sind, so wird die geringe Erwartung, daß die das erstemal bemerkten Zusammen hänge sich als Zufall herausstellen könnten, wohl aufgegeben werden. Ich halte mich dann für berechtigt, die neue Einsicht durch Namengebung zu fixieren. Den Traum, wie er mir in der Erinnerung vorliegt, stelle ich dem durch Analyse ge fundenen zugehörigen Material gegenüber, nenne den ersteren den manifesten Trauminhalt, das letztere — zu nächst ohne weitere Scheidung — den latenten Traum. Ich stehe dann vor zwei neuen, bisher nicht formu inhalt lierten Problemen: 1) welches der psychische Vorgang ist, der den latenten Trauminhalt in den mir aus der Erinnerung be kannten, manifesten, übergeführt hat; 2) welches das Motiv oder die Motive sind, die solche Übersetzung erfordert haben. Den Vorgang der Verwandlung vom latenten zum manifesten Trauminhalt werde ich die Traumarbeit nennen. Das Gegenstück zu dieser Arbeit, welches die entgegengesetzte Um wandlung leistet, kenne ich bereits als Analysenarbeit. Die anderen Traumprobleme, die Fragen nach den Traum erregern, nach der Herkunft des Traummaterials, nach dem etwaigen Sinn des Traumes und der Funktion des Träumens, und nach den Gründen des Traumvergessens werde ich nicht am manifesten, sondern am neugewonnenen latenten Trauminhalt erörtern. Da ich alle widersprechenden wie alle unrichtigen Angaben über das Traumleben in der Literatur auf die Un kenntnis des erst durch Analyse zu enthüllenden latenten Trauminhaltes zurückführe, werde ich eine Verwechslung des manifesten Traumes mit den latenten Traum fortan aufs sorgfältigste zu vermeiden suchen. gedanken
ziehen, wenn mir erst eine einzige Traumanalyse vorliegt. Wenn mir aber die Erfahrung gezeigt hat, daß ich durch kritik lose Verfolgung der Assoziationen von § 31Ill
§ 32Die Verwandlung der latenten Traumgedanken in den manisinnvoll und gleichzeitig verständlich sind, d. h. eine Einreihung in unser seelisches Leben ohne weiteren Anstoß zulassen. Solcher Träume gibt es viele; sie sind meist kurz und erscheinen uns im allgemeinen wenig bemerkenswert, weil alles Erstaunen oder Befremden Erregende ihnen abgeht. Ihr Vor kommen ist übrigens ein starkes Argument gegen die Lehre, welche den Traum durch isolierte Tätigkeit einzelner Hirn zellgruppen entstehen läßt; es fehlen ihnen alle Kennzeichen herabgesetzter oder zerstückelter psychischer Tätigkeit, und doch erheben wir gegen ihren Charakter als Träume niemals einen Einspruch und verwechseln sie nicht mit den Produkten des Wachens. Eine zweite Gruppe bilden jene Träume, die zwar in sich zusammenhängend sind und einen klaren Sinn haben, aber befremdend wirken, weil wir diesen Sinn in unserem Seelenleben nicht unterzubringen wissen. Solch ein Fall ist es, wenn wir z. B. träumen, daß ein lieber Verwandter an der Pest gestorben ist, während wir keinen Grund zu solcher Erwartung, Besorgnis oder Annahme kennen und uns ver wundert fragen: wie komme ich zu dieser Idee? In die dritte Gruppe gehören endlich jene Träume, denen beides abgeht, Sinn und Verständlichkeit, die unzusammenhängend, verworren und sinnlos erscheinen. Die überwiegende Mehrzahl der Produkte unseres Träumens zeigt diese Charak tere, welche die Geringschätzung der Träume und die ärzt liche Theorie von der eingeschränkten Seelentätigkeit begründet haben. Zumal in den längeren und komplizierteren Traum kompositionen vermißt man nur selten die deutlichsten Zeichen der Inkohärenz.
festen Trauminhalt verdient unsere volle Aufmerksamkeit als das zuerst bekanntgewordene Beispiel von Umsetzung eines psychischen Materials aus der einen Ausdrucksweise in die andere, aus einer Ausdrucksweise, die uns ohne weiteres ver ständlich ist, in eine andere, zu deren Verständnis wir erst durch Anleitung und Bemühung vordringen können, obwohl auch sie als Leistung unserer Seelentätigkeit anerkannt werden muß. Mit Rücksicht auf das Verhältnis von latentem zu mani festem Trauminhalt lassen sich die Träume in drei Kategorien bringen. Wir können erstens solche Träume unterscheiden, die § 33Der Gegensatz von manifestem und latentem Trauminhaltunverständ und den lichen und verworrenen Charakter des TraumesSchwierigkeiten bei derein intimer und Mitteilung der Traumgedanken gesetzmäßiger Zusammenhang besteht. Ehe wir die Natur dieses Zusammenhanges erforschen, werden wir mit Vorteil unser Interesse den leichter verständlichen Träumen der ersten Kategorie zuwenden, in denen manifester und latenter Inhalt zusammenfallen, die Traumarbeit also erspart scheint.
hat offenbar nur für die Träume der zweiten, und noch eigent licher für die der dritten Kategorie Bedeutung. Hier finden sich die Rätsel vor, die erst verschwinden, wenn man den manifesten Traum durch den latenten Gedankeninhalt ersetzt, und an einem Beispiel dieser Art, an einem verworrenen und unverständlichen Traum, haben wir auch die voranstehende Analyse ausgeführt. Wir sind aber wider unser Erwarten auf Motive gestoßen, die uns eine vollständige Kenntnisnahme der latenten Traumgedanken verwehrten, und durch die Wiederholung der gleichen Erfahrung dürften wir zur Ver mutung geführt werden, daß zwischen dem § 34Die Untersuchung dieser Träume empfiehlt sich noch vonKinder sind nämlich von solcher Art, also sinnvoll und nicht be fremdend, was, nebenbei bemerkt, einen neuen Einspruch gegen die Zurückführung des Traumes auf dissoziierte Hirntätigkeit im Schlafe abgibt, denn warum sollte wohl solche Herabsetzung der psychischen Funktionen beim Erwachsenen zu den Charak teren des Schlafzustandes gehören, beim Kinde aber nicht? Wir dürfen uns aber mit vollem Recht der Erwartung hin geben, daß die Aufklärung psychischer Vorgänge beim Kinde, wo sie wesentlich vereinfacht sein mögen, sich als eine un erläßliche Vorarbeit für die Psychologie des Erwachsenen er weisen wird.
einem anderen Gesichtspunkte aus. Die Träume der § 35Ich werde also einige Beispiele von Träumen mitteilen, dieEr(d)beer, Hochbeer, Eier(s)peis, Papp.“ Sie träumt also, daß sie ißt, und hebt aus ihrem Menü gerade das hervor, was ihr die nächste Zeit, wie sie vermutet, karg zugemessen bleiben wird. — Ähnlich träumt von einem ver sagten Genuß ein 22monatiger Knabe, der tags zuvor seinem Onkel ein Körbchen mit frischen Kirschen hatte als Geschenk anbieten müssen, von denen er natürlich nur eine Probe kosten durfte. Er erwacht mit der freudigen Mitteilung: He(r)mann — Ein 3¼jähriges Mädchen hatte am alle Kirschen aufgessen. Tage eine Fahrt über den See gemacht, die ihr nicht lang genug gedauert hatte, denn sie weinte, als sie aussteigen sollte. Am Morgen darauf erzählte sie, daß sie in der Nacht auf dem See gefahren, die unterbrochene Fahrt also fortgesetzt habe. — Ein 5¼jähriger Knabe schien von einer Fußpartie in der Dach steingegend wenig befriedigt; er erkundigte sich, so oft ein neuer Berg in Sicht kam, ob das der Dachstein sei, und weigerte sich dann, den Weg zum Wasserfall mitzumachen. Sein Be nehmen wurde auf Müdigkeit geschoben, erklärte sich aber besser, als er am nächsten Morgen seinen Traum erzählte, er Er hatte offenbar erwartet, sei auf den Dachstein gestiegen. die Dachsteinbesteigung werde das Ziel des Ausfluges sein, und war verstimmt worden, als er den ersehnten Berg nicht zu Gesicht bekam. Im Traum holte er nach, was der Tag ihm nicht gebracht hatte. — Ganz ähnlich benahm sich der Traum eines sechsjährigen Mädchens, dessen Vater einen Spaziergang vor dem erreichten Ziele wegen vorgerückter Stunde abge brochen hatte. Auf dem Rückweg war ihr eine Wegtafel auf gefallen, die einen anderen Ausflugsort nannte, und der Vater hatte versprochen, sie ein andermal auch dorthin zu führen. Sie empfing den Vater am nächsten Morgen mit der Mitteilung, sie habe geträumt, der Vater sei mit ihr an dem einen wie an. dem anderen Ort gewesen
ich von Kindern gesammelt habe: Ein Mädchen von 19 Mo naten wird über einen Tag nüchtern erhalten, weil sie am Morgen erbrochen und sich nach der Aussage der Kinderfrau an Erdbeeren verdorben hat. In der Nacht nach diesem Hungertag hört man sie aus dem Schlafe ihren Namen nennen und dazusetzen: „§ 36Das Gemeinsame dieser Kinderträume ist augenfällig. Sieeinfache und unver. hüllte Wunscherfüllungen
erfüllen sämtlich Wünsche, die am Tage rege gemacht und un erfüllt geblieben sind. Sie sind § 37Nichts anderes als eine Wunscherfüllung ist auch folgender,das Bett sei ihr viel zu klein. Die Lösung gewesen, so daß sie in ihm keinen Platz gefunden dieses Traumes als Wunschtraum ergibt sich leicht, wenn man sich erinnert, daß „Großsein“ ein häufig auch geäußerter Wunsch der Kinder ist. Die Größe des Bettes mahnte das kleine Gernegroß allzu nachdrücklich an seine Kleinheit; darum kor rigierte es im Traume das ihm unliebsame Verhältnis und wurde nun so groß, daß ihm das große Bett noch zu klein war.
auf den ersten Eindruck nicht ganz verständlicher Kinder traum. Ein nicht vierjähriges Mädchen war einer poliomyeliti schen Affektion wegen vom Lande in die Stadt gebracht worden und übernachtete bei einer kinderlosen Tante in einem großen — für sie natürlich übergroßen — Bette. Am nächsten Morgen berichtete sie, daß sie geträumt, § 38Auch wenn der Inhalt der Kinderträume sich kompliziertdaß er. mit Achilleus im Streitwagen gefahren, den Diomedes lenkte Er hat sich nachweisbar tags vorher in die Lektüre griechischer Heldensagen versenkt; es ist leicht zu konstatieren, daß er sich diese Helden zu Vorbildern genommen und bedauert hat, nicht in ihrer Zeit zu leben.
und verfeinert, liegt die Auffassung als Wunscherfüllung jedesmal sehr nahe. Ein achtjähriger Knabe träumt, § 39Aus dieser kleinen Sammlung erhellt ohne weiteres einZusammen. Die Wünsche, die sich hang mit dem Tagesleben in ihnen erfüllen, sind vom Tage, in der Regel vom Vortage, erübrigt und sind im Wachdenken mit intensiver Gefühls betonung ausgestattet gewesen. Unwesentliches und Gleich gültiges, oder was dem Kinde so erscheinen muß, hat im Trauminhalt keine Aufnahme gefunden.
zweiter Charakter der Kinderträume, ihr § 40Auch bei Erwachsenen kann man zahlreiche Beispiele solcherBequemlichkeitsträume häufig vor dem Er wachen, wenn die Aufforderung aufzustehen an sie herantritt. Sie träumen dann, daß sie schon aufgestanden sind, beim Waschtisch stehen oder sich bereits in der Schule, im Bureau u. dgl. befinden, wo sie zur bestimmten Zeit sein sollten. In der Nacht vor einer beabsichtigten Reise träumt man nicht selten, daß man am Bestimmungsorte angekommen ist; vor einer Theatervorstellung, einer Gesellschaft antizipiert der Traum nicht selten — gleichsam ungeduldig — das erwartete Vergnügen. Andere Male drückt der Traum die Wunscherfül lung um eine Stufe indirekter aus; es bedarf noch der Her stellung einer Beziehung, einer Folgerung, also eines Beginnes von Deutungsarbeit, um die Wunscherfüllung zu erkennen. So z. B. wenn mir ein Mann den Traum seiner jungen Frau er zählt, daß sich bei ihr die Periode eingestellt habe. Ich muß daran denken, daß die junge Frau einer Gravidität entgegen sieht, wenn ihr die Periode ausbleibt. Dann ist die Mitteilung des Traumes eine Graviditätsanzeige, und sein Sinn ist, daß er den Wunsch erfüllt zeigt, die Gravidität möge doch noch eine Weile ausbleiben. Unter ungewöhnlichen und extremen Verhältnissen werden solche Träume von infantilem Charakter besonders häufig. Der Leiter einer Polarexpedition berichtet zum Beispiel, daß seine Mannschaft während der Überwinte rung im Eise bei monotoner Kost und schmalen Rationen regel mäßig wie die Kinder von großen Mahlzeiten träumte, von Bergen von Tabak und vom Zuhausesein.
Träume von infantilem Typus sammeln, die aber, wie er wähnt, meist knapp an Inhalt sind. So beantwortet eine Reihe von Personen einen nächtlichen Durstreiz regelmäßig mit dem Traume zu trinken, der also den Reiz fortzuschaffen und den Schlaf fortzusetzen strebt. Bei manchen Menschen findet man solche § 41Gar nicht selten hebt sich aus einem längeren, komplizierten
und im ganzen verworrenen Traum ein besonders klares Stück hervor, das eine unverkennbare Wunscherfüllung enthält, aber mit anderem, unverständlichem Material verlötet ist. Versucht man häufiger, auch die anscheinend undurchsichtigen Träume Erwachsener zu analysieren, so erfährt man zu seiner Ver wunderung, daß diese selten so einfach sind wie die Kinder träume, und daß sie etwa hinter der einen Wunscherfüllung noch anderen Sinn verbergen. § 42Es wäre nun gewiß eine einfache und befriedigende Lösung
der Traumrätsel, wenn etwa die Analysenarbeit uns ermög lichen sollte, auch die sinnlosen und verworrenen Träume Er wachsener auf den infantilen Typus der Erfüllung eines in tensiv empfundenen Wunsches vom Tage zurückzuführen. Der Anschein spricht gewiß nicht für diese Erwartung. Die Träume sind meist voll des gleichgültigsten und fremdartigsten Ma terials, und von Wunscherfüllung ist in ihrem Inhalt nichts zu merken. § 43Ehe wir aber die infantilen Träume, die unverhüllteEin. im Optativ stehender Gedanke ist durch eine Anschauung im Präsens ersetzt
Wunscherfüllungen sind, verlassen, wollen wir nicht ver säumen, einen längst bemerkten Hauptcharakter des Traumes zu erwähnen, der gerade in dieser Gruppe am reinsten hervor tritt. Ich kann jeden dieser Träume durch einen Wunschsatz ersetzen: Oh, hätte die Fahrt auf dem See doch länger ge dauert; — wäre ich doch schon gewaschen und angezogen; — hätte ich doch die Kirschen behalten dürfen, anstatt sie dem Onkel zu geben; aber der Traum gibt mehr als diesen Optativ. Er zeigt den Wunsch als bereits erfüllt, stellt diese Erfüllung als real und gegenwärtig dar, und das Material der Traum darstellung besteht vorwiegend — wenn auch nicht ausschließ lich — aus Situationen und meist visuellen Sinnesbildern. Auch in dieser Gruppe wird also eine Art Umwandlung — die man als Traumarbeit bezeichnen darf — nicht völlig vermißt: § 44IV
§ 45Wir werden geneigt sein anzunehmen, daß eine solche Umgenaue Gegenteil, daß die Person, die meine Frau er setzt, sich ganz mir zuwendet. Zu welchem Wunsch kann aber ein unangenehmes Erlebnis besser Anlaß geben, als zu dem, daß sich das Gegenteil davon ereignet haben sollte, wie es der Traum als vollzogen enthält? In ganz ähnlichem Verhältnis steht der bittere Gedanke in der Analyse, daß ich nichts um sonst gehabt habe, zu der Rede der Frau im Traum: Sie haben ja immer so schöne Augen gehabt. Ein Teil der Gegensätzlich keiten zwischen manifestem und latentem Trauminhalt dürfte sich also auf Wunscherfüllung zurückführen lassen.
setzung in eine Situation auch bei den verworrenen Träumen stattgefunden hat, wiewohl wir nicht wissen können, ob sie auch hier einen Optativ betraf. Das eingangs mitgeteilte Traumbeispiel, in dessen Analyse wir ein Stück weit ein gegangen sind, gibt uns allerdings an zwei Stellen Anlaß, etwas Derartiges zu vermuten. Es kommt in der Analyse vor, daß meine Frau sich an der Tafel mit anderen beschäftigt, was ich als unangenehm empfinde; der Traum enthält davon das § 46Augenfälliger ist aber eine andere Leistung der Traumarbeit,Verdichtung zu stande gebracht hat. Über das Ausmaß dieser Verdichtung kann man sich zunächst ein Urteil nicht bilden; sie imponiert aber um so mehr, je tiefer man in die Traumanalyse ein gedrungen ist. Da findet man dann kein Element des Traum inhaltes, von dem die Assoziationsfäden nicht nach zwei oder mehr Richtungen auseinandergingen, keine Situation, die nicht aus zwei oder mehr Eindrücken und Erlebnissen zusammen gestückelt wäre. Ich träumte zum Beispiel einmal von einer Art Schwimmbassin, in dem die Badenden nach allen Richtungen auseinanderfuhren; an einer Stelle des Randes stand eine Person, die sich zu einer badenden Person neigte, wie um sie herauszuziehen. Die Situation war zusammengesetzt aus der Erinnerung an ein Erlebnis der Pubertätszeit und aus zwei Bildern, von denen ich eines kurz vor dem Traum gesehen hatte. Die zwei Bilder waren das der Überraschung im Bade aus dem Schwindschen Zyklus Melusine (siehe die auseinanderfahrenden Badenden) und ein Sintflutbild eines italienischen Meisters. Das kleine Erlebnis aber hatte darin bestanden, daß ich zusehen konnte, wie in der Schwimmschule der Bademeister einer Dame aus dem Wasser half, die sich bis zum Eintritt der Herrenstunde verspätet hatte. — Die Situa tion in dem zur Analyse gewählten Beispiel leitet mich bei der Analyse auf eine kleine Reihe von Erinnerungen, von denen jede zum Trauminhalt etwas beigesteuert hat. Zunächst ist es die kleine Szene aus der Zeit meiner Werbung, von der ich bereits gesprochen; ein Händedruck unter dem Tisch, der damals vorfiel, hat für den Traum das Detail „unter dem Tisch“, das ich der Erinnerung nachträglich einfügen muß, ge liefert. Von „Zuwendung“ war natürlich damals keine Rede; ich weiß aus der Analyse, daß dieses Element die Wunsch erfüllung durch Gegensatz ist, die zum Benehmen meiner Frau an der Table d’hôte gehört. Hinter dieser rezenten Erinnerung verbirgt sich aber eine ganz ähnliche und viel bedeutsamere Szene aus unserer Verlobungszeit, die uns für einen ganzen Tag entzweite. Die Vertraulichkeit, die Hand auf das Knie zu legen, gehört in einen ganz verschiedenen Zusammenhang und zu ganz anderen Personen. Dieses Traumelement wird selbst wieder zum Ausgangspunkt zweier besonderer Erinne rungsreihen usw.
durch welche die inkohärenten Träume zustande kommen. Ver gleicht man an einem beliebigen Beispiel die Zahl der Vor stellungselemente oder den Umfang der Niederschrift beim Traum und bei den Traumgedanken, zu denen die Analyse führt, und von denen man eine Spur im Traume wiederfindet, so kann man nicht bezweifeln, daß die Traumarbeit hier eine großartige Zusammendrängung oder § 47Das Material aus den Traumgedanken, welches zur BildungGemeinsamen. Die Traumarbeit verfährt dann wie Francis Galton bei der Herstellung seiner Familienphotographien. Sie bringt die verschiedenen Kompo nenten wie übereinandergelegt zur Deckung; dann tritt das Gemeinsame im Gesamtbild deutlich hervor, die wider sprechenden Details löschen einander nahezu aus. Dieser Her stellungsprozeß erklärt auch zum Teil die schwankenden Be stimmungen von eigentümlicher Verschwommenheit so vieler Elemente des Trauminhalts. Die Traumdeutung spricht, auf dieser Einsicht fußend, folgende Regel aus: Wo sich bei der Analyse eine Unbestimmtheit noch in ein entweder auflösen läßt, da ersetze man dies für die Deutung — oder durch ein „und“ und nehme jedes Glied der scheinbaren Alternative zum unabhängigen Ausgang einer Reihe von Ein fällen.
der Traumsituation zusammengeschoben wird, muß natürlich für diese Verwendung von vorneherein brauchbar sein. Es bedarf hiezu eines — oder mehrerer — in allen Komponenten vorhandenen § 48Wo solche Gemeinsame zwischen den Traumgedanken nicht vorhanden sind, da bemüht sich die Traumarbeit solche, um die gemeinsame Darstellung im Traume zu schaffen zu ermöglichen. Der bequemste Weg, um zwei Traumgedanken, die noch nichts Gemeinsames haben, einander näher zu bringen, besteht in der Veränderung des sprachlichen Ausdrucks für den einen, wobei ihm etwa noch der andere durch eine entsprechende Umgießung in einen anderen Ausdruck entgegenkommt. Es ist das ein ähnlicher Vorgang wie beim Reimeschmieden, wobei der Gleichklang das gesuchte Gemeinsame ersetzt. Ein gutes Stück der Traumarbeit besteht in der Schöpfung solcher häufig sehr witzig, oft aber gezwungen erscheinenden Zwischen gedanken, welche von der gemeinsamen Darstellung im Traum inhalt bis zu den nach Form und Wesen verschiedenen, durch die Traumanlässe motivierten Traumgedanken reichen. Auch in der Analyse unseres Traumbeispiels finde ich einen der artigen Fall von Umformung eines Gedankens zum Zwecke des Zusammentreffens mit einem anderen, ihm wesensfremden. Bei der Fortsetzung der Analyse stoße ich nämlich auf den Ge danken: Ich möchte auch einmal etwas um; aber diese Form ist für den Trauminhalt sonst haben nicht brauchbar. Sie wird darum durch eine neue ersetzt: Ich Das Wort möchte gerne etwas genießen ohne „Kosten“ zu haben.Kosten paßt nun mit seiner zweiten Bedeutung in den Vorstellungskreis der Table d’hôte und kann seine Darstellung durch den im Traum aufgetischten Spinat finden. Wenn bei uns eine Speise zu Tische kommt, welche von den Kindern abgelehnt wird, so versucht es die Mutter wohl zuerst mit Milde und fordert von den Kindern: Nur ein. Daß die Traumarbeit die Zweideutig bißchen kosten keit der Worte so unbedenklich ausnützt, erscheint zwar sonderbar, stellt sich aber bei reicherer Erfahrung als ein ganz gewöhnliches Vorkommnis heraus.
§ 49Durch die Verdichtungsarbeit des Traumes erklären sich auchSammel- und Mischpersonen und die sonderbaren Mischgebilde, Schöpfungen, den Tierkom positionen orientalischer Völkerphantasie vergleichbar, die aber in unserem Denken bereits zu Einheiten erstarrt sind, während die Traumkompositionen in unerschöpflichem Reichtum immer neu gebildet werden. Jeder kennt solche Gebilde aus seinen eigenen Träumen; die Weisen ihrer Herstellung sind sehr mannigfaltig. Ich kann eine Person zusammensetzen, indem ich ihr Züge von der einen und von der anderen verleihe, oder indem ich ihr die Gestalt der einen gebe und dabei im Traum den Namen der anderen denke, oder ich kann die eine Person visuell vorstellen, sie aber in eine Situation versetzen, die sich mit der anderen ereignet hat. In all diesen Fällen ist die Zusammenziehung verschiedener Personen zu einem einzigen Vertreter im Trauminhalt sinnvoll, sie soll ein „und“, „gleich wie“, eine Gleichstellung der originalen Personen in einer ge wissen Hinsicht bedeuten, die auch im Traum selbst erwähnt sein kann. In der Regel aber ist diese Gemeinsamkeit der ver schmolzenen Personen erst durch die Analyse aufzusuchen und wird im Trauminhalt eben bloß durch die Bildung der Sammelperson angedeutet.
gewisse Bestandteile seines Inhaltes, die nur ihm eigentümlich sind und im wachen Vorstellen nicht gefunden werden. Es sind dies die § 50Dieselbe Mannigfaltigkeit der Herstellungsweise und dieAlle. Die Zer diese Dinge haben ein X gemeinsam setzung solcher Mischgebilde durch die Analyse führt oft auf dem kürzesten Weg zur Bedeutung des Traumes. So träumte ich einmal, daß ich mit einem meiner früheren Universitäts lehrer in einer Bank sitze, die mitten unter anderen Bänken eine rasch fortschreitende Bewegung erfährt. Es war dies eine Kombination von Hörsaal und Trottoir roulant. Die weitere Verfolgung des Gedankens übergehe ich. — Ein andermal sitze ich im Waggon und halte auf dem Schoß einen Gegenstand von der Form eines Zylinderhutes, der aber aus durchsichtigem Glas besteht. Die Situation läßt mir sofort das Sprichwort ein fallen: Mit dem Hute in der Hand kommt man durchs ganze Land. Der Glaszylinder erinnert auf kurzen Umwegen an das Auersche Licht, und ich weiß bald, daß ich eine Er findung machen möchte, die mich so reich und unabhängig werden läßt wie meinen Landsmann, den Dr. Auer von Welsbach, die seinige, und daß ich dann Reisen machen will, anstatt in Wien zu bleiben. Im Traume reise ich mit meiner Erfindung — dem allerdings noch nicht gebräuchlichen Hut zylinder aus Glas. — Ganz besonders liebt es die Traumarbeit, zwei in gegensätzlicher Beziehung stehende Vorstellungen durch das nämliche Mischgebilde darzustellen, so zum Beispiel wenn eine Frau sich im Traume, einen hohen Blumenstengel tragend, sieht, wie der Engel auf den Bildern von Mariä Ver kündigung dargestellt wird (Unschuld — Marie ist ihr eigener
nämliche Regel bei der Auflösung gilt auch für die unermeßlich reichhaltigen Mischgebilde des Trauminhaltes, von denen ich Beispiele wohl nicht anzuführen brauche. Ihre Sonderbarkeit verschwindet ganz, wenn wir uns entschließen, sie nicht in eine Reihe mit den Objekten der Wahrnehmung im Wachen zu stellen, sondern uns erinnern, daß sie eine Leistung der Traum verdichtung darstellen und in treffender Abkürzung einen ge meinsamen Charakter der so kombinierten Objekte hervor heben. Die Gemeinsamkeit ist auch hier meist aus der Analyse einzusetzen. Der Trauminhalt sagt gleichsam nur aus: § 51Ein gutes Stück dessen, was wir über die Traumverdichtungüberdeterminiert, führt seine Ab stammung nicht auf ein einzelnes Element der Traumgedanken, sondern auf eine ganze Reihe von solchen zurück, die einander in den Traumgedanken keineswegs nahestehen müssen, sondern den verschiedensten Bezirken des Gedankengewebes angehören können. Das Traumelement ist im richtigen Sinne die Ver für all dies disparate Ma tretung im Trauminhalt terial. Die Analyse deckt aber noch eine andere Seite der zu sammengesetzten Beziehung zwischen Trauminhalt und Traum gedanken auf. So wie von jedem Traumelement Verbindungen zu mehreren Traumgedanken führen, so ist auch in der Regel ein Traumgedanke durch mehr als ein; die Assoziationsfäden Traumelement vertreten konvergieren nicht einfach von den Traumgedanken bis zum Trauminhalt, sondern überkreuzen und durchweben sich viel fach unterwegs.
erfahren haben, läßt sich in der Formel zusammenfassen: Jedes der Elemente des Trauminhaltes ist durch das Material der Traumgedanken § 52Neben der Verwandlung eines Gedankens in eine Situation
(der „Dramatisierung“) ist die Verdichtung der wichtigste und eigentümlichste Charakter der Traumarbeit. Von einem Motiv, welches zu solcher Zusammendrängung des Inhalts nötigen würde, ist uns aber zunächst nichts enthüllt worden. § 53V
§ 54Bei den komplizierten und verworrenen Träumen, die uns
jetzt beschäftigen, läßt sich nicht der ganze Eindruck von Un ähnlichkeit zwischen Trauminhalt und Traumgedanken auf Verdichtung und Dramatisierung zurückführen. Es liegen Zeug nisse für die Wirksamkeit eines dritten Faktors vor, die einer sorgfältigen Sammlung würdig sind. § 55Ich merke vor allem, wenn ich durch Analyse zur Kenntnisübergeht die psychi, die nach meinem sche Intensität von den Gedanken und Vorstellungen, denen sie berechtigter weise zukommt, auf andere Urteil keinen Anspruch auf solche Betonung haben. Kein anderer Vorgang trägt soviel dazu bei, um den Sinn des Traumes zu verbergen und mir den Zusammenhang von Trauminhalt und Traumgedanken unkenntlich zu machen. Während dieses Vorganges, den ich die Traumver nennen will, sehe ich auch die psychische Inten schiebung sität, Bedeutsamkeit oder Affektfähigkeit von Gedanken sich in sinnliche Lebhaftigkeit umsetzen. Das Deutlichste im Traum inhalt erscheint mir ohne weiteres als das Wichtigste; gerade in einem undeutlichen Traumelement kann ich aber oft den direktesten Abkömmling des wesentlichen Traumgedankens erkennen.
der Traumgedanken gelangt bin, daß der manifeste Traum inhalt ganz andere Stoffe behandelt als der latente. Dies ist freilich nur ein Schein, der sich bei genauerer Untersuchung verflüchtigt, denn schließlich finde ich allen Trauminhalt in den Traumgedanken ausgeführt, fast alle Traumgedanken durch den Trauminhalt vertreten wieder. Aber es bleibt von der Ver schiedenheit doch etwas bestehen. Was in dem Traum breit und deutlich als der wesentliche Inhalt hingestellt war, das muß sich nach der Analyse mit einer höchst untergeordneten Rolle unter den Traumgedanken begnügen, und was nach der Aus sage meiner Gefühle unter den Traumgedanken auf die größte Beachtung Anspruch hat, dessen Vorstellungsmaterial findet sich im Trauminhalt entweder gar nicht vor oder ist durch eine entfernte Anspielung in einer undeutlichen Region des Traumes vertreten. Ich kann diese Tatsache so beschreiben: Während der Traumarbeit § 56Was ich Traumverschiebung genannt habe, könnte ich auchUmwertung der psychischen Wertig. Ich habe aber das Phänomen nicht er keiten bezeichnen schöpfend gewürdigt, wenn ich nicht hinzufüge, daß diese Verschiebungs- oder Umwertungsarbeit an den einzelnen Träumen mit einem sehr wechselnden Betrag beteiligt ist. Es gibt Träume, die fast ohne jede Verschiebung zustande gekommen sind. Diese sind gleichzeitig die sinnvollen und ver ständlichen, wie wir zum Beispiel die unverhüllten Wunsch träume kennengelernt haben. In anderen Träumen hat nicht mehr ein Stück der Traumgedanken den ihm eigenen psychi schen Wert behalten, oder zeigt sich alles Wesentliche aus den Traumgedanken durch Nebensächliches ersetzt, und da zwischen läßt sich die vollständigste Reihe von Übergängen erkennen. Je dunkler und verworrener ein Traum ist, desto größeren Anteil darf man dem Moment der Verschiebung an seiner Bildung zuschreiben.
als § 57Unser zur Analyse gewähltes Beispiel zeigt wenigstens so vielzentriert er scheint als die Traumgedanken. In den Vordergrund des Trauminhaltes drängt sich eine Situation, als ob eine Frau mir Avancen machen würde; das Hauptgewicht in den Traum gedanken ruht auf dem Wunsche, einmal uneigennützige Liebe, die „nichts kostet“, zu genießen, und diese Idee ist hinter der Redensart von den schönen Augen und der entlegenen An spielung „Spinat“ versteckt.
von Verschiebung, daß sein Inhalt anders § 58Wenn wir durch die Analyse die Traumverschiebung rück
gängig machen, gelangen wir zu vollkommen sicher lautenden Auskünften über zwei vielumstrittene Traumprobleme, über die Traumerreger und über den Zusammenhang des Traumes mit dem Wachleben. Es gibt Träume, die ihre Anknüpfung an die Erlebnisse des Tages unmittelbar verraten; in anderen ist von solcher Beziehung keine Spur zu entdecken. Nimmt man dann die Analyse zu Hilfe, so kann man zeigen, daß jeder Traum ohne mögliche Ausnahme an einen Eindruck der letzten Tage — wahrscheinlich ist es richtiger, zu sagen: des letzten Tages vor dem Traum (des Traumtages) — anknüpft. Der Eindruck, welchem die Rolle des Traumerregers zufällt, kann ein so bedeutsamer sein, daß uns die Beschäftigung mit ihm im Wachen nicht wundernimmt, und in diesem Falle sagen wir vom Traume mit Recht aus, er setze die wichtigen Interessen des Wachlebens fort. Gewöhnlich aber, wenn sich in dem Trauminhalt eine Beziehung zu einem Tageseindruck vorfindet, ist dieser so geringfügig, bedeutungslos und des Ver gessens würdig, daß wir uns an ihn selbst nicht ohne einige Mühe besinnen können. Der Trauminhalt selbst scheint sich dann, auch wo er zusammenhängend und verständlich ist, mit den gleichgültigsten Lappalien zu beschäftigen, die unseres Interesses im Wachen unwürdig wären. Ein gutes Stück der Mißachtung des Traumes leitet sich von dieser Bevorzugung des Gleichgültigen und Nichtigen im Trauminhalte her. § 59Die Analyse zerstört den Schein, auf den sich dieses geringEs sind nur Akte der Verschiebungsarbeit, wenn an statt des mit Recht erregenden Eindruckes der indifferente, anstatt des mit Recht Beantwortet man die Fragen nach den Traum interessanten Materials das gleichgültige zur Aufnahme in den Trauminhalt ge langen. erregern und nach dem Zusammenhang des Träumens mit dem täglichen Treiben nach den neuen Einsichten, die man bei der Ersetzung des manifesten Trauminhaltes durch den latenten gewonnen hat, so muß man sagen: der Traum be. schäftigt sich niemals mit Dingen, die uns nicht auch bei Tag zu beschäftigen würdig sind, und Kleinigkeiten, die uns bei Tag nicht anfechten, vermögen es auch nicht, uns in den Schlaf zu verfolgen
schätzige Urteil gründet. Wo der Trauminhalt einen in differenten Eindruck als Traumerreger in den Vordergrund stellt, da weist die Analyse regelmäßig das bedeutsame, mit Recht aufregende Erlebnis nach, welches sich durch das gleich gültige ersetzt, mit dem es ausgiebige assoziative Verbindungen eingegangen hat. Wo der Trauminhalt bedeutungsloses und uninteressantes Vorstellungsmaterial behandelt, da deckt die Analyse die zahlreichen Verbindungswege auf, mittels welcher dies Wertlose mit dem Wertvollsten in der psychischen Schätzung des Einzelnen zusammenhängt. § 60Welches ist der Traumerreger in dem zur Analyse gekostenlosen Fahrt im. Die Situation der Table d’hôte im Traum Wagen verhalf enthält eine Anspielung auf diesen indifferenten Anlaß, denn ich hatte im Gespräch den Taxameterwagen in Parallele zur Table d’hôte gebracht. Ich kann aber auch das bedeutsame Erlebnis angeben, welches sich durch dieses kleinliche vertreten läßt. Wenige Tage vorher hatte ich eine größere Geldausgabe für eine mir teuere Person meiner Familie gemacht. Kein Wunder, heißt es in den Traumgedanken, wenn diese Person mir dafür dankbar wäre, diese Liebe wäre nicht „kostenlos“. Kostenlose Liebe steht aber unter den Traumgedanken im Vordergrunde. Daß ich vor nicht langer Zeit mehrere Wagenfahrten mit dem betreffenden Verwandten ge macht, setzt die eine Wagenfahrt mit meinem Freund in den Stand, mich an die Beziehungen zu jener anderen Person zu erinnern. — Der indifferente Eindruck, der durch derartige Verknüpfungen zum Traumerreger wird, unterliegt noch einer Bedingung, die für die wirkliche Traumquelle nicht gilt; er muß jedesmal ein rezenter sein, vom Traumtage her rühren.
wählten Beispiel? Das wirklich bedeutungslose Erlebnis, daß mir ein Freund zu einer § 61Ich kann das Thema der Traumverschiebung nicht verlassen,mittleren Gemein, das sich ähnlich zu den einzelnen Elementen ver samen hält wie die Resultierende im Kräfteparallelogramm zu ihren Komponenten. Im Inhalt eines meiner Träume ist zum Bei spiel von einer Injektion mit Propylen die Rede. In der Analyse gelange ich zunächst nur zu einem indifferenten, als Traumerreger wirksamen Erlebnis, bei welchem Amylen eine Rolle spielt. Die Vertauschung von Amylen mit Propylen kann ich noch nicht rechtfertigen. Zu dem Gedankenkreis desselben Traumes gehört aber auch die Erinnerung an einen ersten Besuch in München, wo mir die Propyläen auf fielen. Die näheren Umstände der Analyse legen es nahe anzu nehmen, daß die Einwirkung dieses zweiten Vorstellungs kreises auf den ersten die Verschiebung von Amylen auf Propylen verschuldet hat. Propylen ist sozusagen die Mittelvorstellung zwischen Amylen und Propyläen und ist darum nach Art eines Kompromisses durch gleichzeitige Verdichtung und Verschiebung in den Traum inhalt gelangt.
ohne eines merkwürdigen Vorganges bei der Traumbildung zu gedenken, bei dem Verdichtung und Verschiebung zum Effekt zusammenwirken. Wir haben schon bei der Verdich tung den Fall kennengelernt, daß sich zwei Vorstellungen in den Traumgedanken, die etwas Gemeinsames, einen Be rührungspunkt haben, im Trauminhalt durch eine Misch vorstellung ersetzen, in der ein deutlicherer Kern dem Ge meinsamen, undeutliche Nebenbestimmungen den Besonder heiten der beiden entsprechen. Tritt zu dieser Verdichtung eine Verschiebung hinzu, so kommt es nicht zur Bildung einer Mischvorstellung, sondern eines § 62Dringender noch als bei der Verdichtung äußert sich hier
bei der Verschiebungsarbeit das Bedürfnis, ein Motiv für diese rätselhaften Bemühungen der Traumarbeit aufzufinden. § 63VI
§ 64Ist es hauptsächlich der Verschiebungsarbeit zur Last zudie Rück sicht auf Darstellbarkeit im Trauminhalt die Traumarbeit nötigt.
legen, wenn man die Traumgedanken im Trauminhalt nicht wiederfindet oder nicht wiedererkennt, — ohne daß man das Motiv solcher Entstellung errät, — so führt eine andere und gelindere Art der Umwandlung, welche mit den Traum gedanken vorgenommen wird, zur Aufdeckung einer neuen, aber leichtverständlichen Leistung der Traumarbeit. Die näch sten Traumgedanken, welche man durch die Analyse ent wickelt, fallen nämlich häufig durch ihre ungewöhnliche Ein kleidung auf; sie scheinen nicht in den nüchternen sprachlichen Formen gegeben, deren sich unser Denken am liebsten bedient, sondern sind vielmehr in symbolischer Weise durch Gleichnisse und Metaphern, wie in bilderreicher Dichtersprache, dargestellt. Es ist nicht schwierig, für diesen Grad von Gebundenheit im Ausdruck der Traumgedanken die Motivierung zu finden. Der Trauminhalt besteht zumeist aus anschaulichen Situationen; die Traumgedanken müssen also vorerst eine Zurichtung erfahren, welche sie für diese Darstellungsweise brauchbar macht. Man stelle sich etwa vor die Aufgabe, die Sätze eines politischen Leitartikels oder eines Plaidoyers im Gerichtssaal durch eine Folge von Bilderzeichnungen zu ersetzen, und man wird dann leicht die Veränderungen verstehen, zu welchen § 65Unter dem psychischen Material der Traumgedanken be
finden sich regelmäßig Erinnerungen an eindrucksvolle Er lebnisse, — nicht selten aus früher Kindheit, — die also selbst als Situationen mit meist visuellem Inhalt erfaßt worden sind. Wo es irgend möglich ist, äußert dieser Bestandteil der Traum gedanken einen bestimmenden Einfluß auf die Gestaltung des Trauminhalts, indem er gleichsam als Kristallisationspunkt anziehend und verteilend auf das Material der Traum gedanken wirkt. Die Traumsituation ist oft nichts anderes als eine modifizierte und durch Einschaltungen komplizierte Wiederholung eines solchen eindrucksvollen Erlebnisses; getreue und unvermengte Reproduktionen realer Szenen bringt der Traum hingegen nur sehr selten. § 66Der Trauminhalt besteht aber nicht ausschließlich aus
Situationen, sondern schließt auch unvereinigte Brocken von visuellen Bildern, Reden und selbst Stücke von unveränderten Gedanken ein. Es wird daher vielleicht anregend wirken, wenn wir in knappster Weise die Darstellungsmittel mustern, welche der Traumarbeit zur Verfügung stehen, um in der eigentümlichen Ausdrucksweise des Traumes die Traum gedanken wiederzugeben. § 67Die Traumgedanken, welche wir durch die Analyse erfahren,Regression“. Die logischen Bande, welche das psychische Material bisher zusammengehalten hatten, gehen nun aber bei dieser Umwandlung zum Traum inhalt verloren. Die Traumarbeit übernimmt gleichsam nur den sachlichen Inhalt der Traumgedanken zur Bearbeitung. Der Analysenarbeit bleibt es überlassen, den Zusammenhang herzustellen, den die Traumarbeit vernichtet hat.
zeigen sich uns als ein psychischer Komplex von allerverwickelt stem Aufbau. Die Stücke desselben stehen in den mannig faltigsten logischen Relationen zueinander; sie bilden Vorder und Hintergrund, Bedingungen, Abschweifungen, Erläute rungen, Beweisgänge und Einsprüche. Fast regelmäßig steht neben einem Gedankengang sein kontradiktorisches Widerspiel. Diesem Material fehlt keiner der Charaktere, die uns von unserem wachen Denken her bekannt sind. Soll nun aus alle dem ein Traum werden, so unterliegt dies psychische Material einer Pressung, die es ausgiebig verdichtet, einer inneren Zer bröckelung und Verschiebung, welche gleichsam neue Ober flächen schafft, und einer auswählenden Einwirkung durch die zur Situationsbildung tauglichsten Bestandteile. Mit Rücksicht auf die Genese dieses Materials verdient ein solcher Vorgang den Namen einer „§ 68Die Ausdrucksmittel des Traumes sind also kümmerlich
zu nennen im Vergleich zu denen unserer Denksprache, doch braucht der Traum auf die Wiedergabe der logischen Rela tionen unter den Traumgedanken nicht völlig zu verzichten; es gelingt ihm vielmehr häufig genug, dieselben durch formale Charaktere seines eigenen Gefüges zu ersetzen. § 69Der Traum wird zunächst dem unleugbaren Zusammenhanglogischen Zusammenhang wieder als Annähe, ähnlich wie der Maler, der rung in Zeit und Raum alle Dichter zum Bild des Parnaß zusammenstellt, die niemals auf einem Berggipfel beisammen gewesen sind, wohl aber begrifflich eine Gemeinschaft bilden. Er setzt diese Dar stellungsweise ins Einzelne fort, und oft, wenn er zwei Ele mente nahe beieinander im Trauminhalt zeigt, bürgt er für einen besonders innigen Zusammenhang zwischen ihren Ent sprechenden in den Traumgedanken. Es ist hier übrigens zu bemerken, daß alle in derselben Nacht produzierten Träume bei der Analyse ihre Herkunft aus dem nämlichen Gedanken kreis erkennen lassen.
zwischen allen Stücken der Traumgedanken dadurch gerecht, daß er dieses Material zu einer Situation vereinigt. Er gibt § 70Die Kausalbeziehung zwischen zwei Gedanken wird entweder ohne Darstellung gelassen oder ersetzt durch das Nacheinander von zwei verschieden langen Traum stücken. Häufig ist diese Darstellung eine verkehrte, indem der Anfang des Traumes die Folgerung, der Schluß desselben die Voraussetzung bringt. Die direkte Verwandlung eines Dinges in ein anderes im Traum scheint die Relation von Ursache und Wirkung darzustellen.
§ 71Die Alternative „Entweder—Oder“ drückt der Traum niemals aus, sondern nimmt ihre beiden Glieder wie gleichberechtigt in den nämlichen Zusammenhang auf. Daß ein Entweder—Oder, welches bei der Traumreproduktion ge braucht wird, durch „Und“ zu übersetzen ist, habe ich bereits erwähnt.
§ 72Vorstellungen, die im Gegensatz zu einander stehen, werden1 1 Das „nicht“ scheint für den Traum nicht zu existieren. Opposition zwischen zwei Gedanken, die Relation der Umkehrung, findet eine höchst bemerkenswerte Dar stellung im Traum. Sie wird dadurch ausgedrückt, daß ein anderes Stück des Trauminhaltes — gleichsam wie nachträglich — in sein Gegenteil verkehrt wird. Eine andere Art, Wider auszudrücken, werden wir später kennenlernen. spruch Auch die im Traum so häufige Sensation der gehemmten dient dazu, einen Widerspruch zwischen Im Bewegung pulsen, einen Willenskonflikt, darzustellen.
mit Vorliebe im Traume durch das nämliche Element aus gedrückt.§ 73Einer einzigen unter den logischen Relationen, der derÄhnlichkeit, Gemeinsamkeit, Übereinstim, kommt der Mechanismus der Traumbildung im mung höchsten Ausmaße zugute. Die Traumarbeit bedient sich dieser Fälle als Stützpunkte für die Traumverdichtung, indem sie alles, was solche Übereinstimmung zeigt, zu einer neuen zusammenzieht. Einheit
§ 74Diese kurze Reihe von groben Bemerkungen reicht natürlichWiderspruch, Spott und Hohn in den Traumgedanken. Da diese Auf klärung den stärksten Einwand gegen die Auffassung liefert, die den Traum durch dissoziierte, kritiklose Geistestätigkeit entstehen läßt, werde ich sie durch ein Beispiel zu Nachdruck bringen.
nicht aus, um die ganze Fülle der formalen Darstellungsmittel des Traumes für die logischen Relationen der Traumgedanken zu würdigen. Die einzelnen Träume sind in dieser Hinsicht feiner oder nachlässiger gearbeitet, sie haben sich an den ihnen vorliegenden Text mehr oder minder sorgfältig gehalten, die Hilfsmittel der Traumarbeit mehr oder weniger weit in An spruch genommen. Im letzteren Falle erscheinen sie dunkel, verworren, unzusammenhängend. Wo der Traum aber greifbar absurd erscheint, einen offenbaren Widersinn in seinem Inhalt einschließt, da ist er so mit Absicht und bringt durch seine scheinbare Vernachlässigung aller logischen Anforderungen ein Stück vom intellektuellen Inhalt der Traumgedanken zum Ausdruck. Absurdität im Traum bedeutet 1) Es ist bemerkenswert, daß namhafte Sprachforscher behaupten, die ältesten menschlichen Sprachen hätten ganz allgemein kontra diktorische Gegensätze durch das nämliche Wort zum Ausdruck ge bracht (stark—schwach; innen—außen usw.: „Gegensinn der Ur worte“). § 75„Einer meiner Bekannten, Herr M., ist von keinem Ge“ ringeren als von Goethe in einem Aufsatze angegriffen worden, wie wir alle meinen, mit ungerechtfertigt großer Heftigkeit. — Herr M. ist durch diesen Angriff natürlich vernichtet. Er beklagt sich darüber bitter bei einer Tischgesellschaft; seine Verehrung für Goethe hat aber unter dieser persönlichen Er fahrung nicht gelitten. Ich suche nun die zeitlichen Verhält nisse, die mir unwahrscheinlich vorkommen, ein wenig aufzu klären. Goethe ist 1832 gestorben. Da sein Angriff auf Herrn M. natürlich früher erfolgt sein muß, so war Herr M. damals ein ganz junger Mann. Es kommt mir plausibel vor, daß er 18 Jahre alt war. Ich weiß aber nicht sicher, welches Jahr wir gegenwärtig schreiben, und so versinkt die ganze Berechnung im Dunkel. Der Angriff ist übrigens in dem be kannten Aufsatz von Goethe ,Natur‘ enthalten.
§ 76Der Unsinn dieses Traumes tritt noch greller hervor, wenn
ich mitteile, daß Herr M. ein jugendlicher Geschäftsmann ist, dem alle poetischen und literarischen Interessen ferneliegen. Wenn ich aber in die Analyse dieses Traumes eingehe, wird es mir wohl gelingen, zu zeigen, wieviel „Methode“ hinter diesem Unsinn steckt. Der Traum bezieht sein Material aus drei Quellen: § 771) Herr M., den ich bei einer Tischgesellschaft kennenlernte, bat mich eines Tages, seinen älteren Bruder zu untersuchen, der Anzeichen von gestörter geistiger Tätigkeit erkennen lasse. Bei der Unterhaltung mit dem Kranken ereignete sich das Peinliche, daß dieser ohne jeden Anlaß den Bruder durch eine An spielung auf dessen Jugendstreiche bloßstellte. Ich hatte den Kranken um sein Geburtsjahr ge fragt (Sterbejahr im Traum) und ihn zu ver schiedenen Berechnungen veranlaßt, durch welche seine Gedächtnisschwäche erwiesen werden sollte.
§ 782) Eine medizinische Zeitschrift, die sich auch meines Namens auf ihrem Titel rühmte, hatte von einem recht jugendlichen Referenten eine geradezu „ver nichtende“ Kritik über ein Buch meines Freundes F. in Berlin aufgenommen. Ich stellte den Redakteur darob zur Rede, der mir zwar sein Bedauern ausdrückte, aber eine Remedur nicht versprechen wollte. Daraufhin brach ich meine Beziehungen zur Zeitung ab und hob in meinem Absagebrief die Erwartung hervor, daß unsere persönlichen Beziehungen unter. diesem Vorfall nicht leiden würden Dies ist die eigentliche Quelle des Traumes. Die ab lehnende Aufnahme der Schrift meines Freundes hatte mir einen tiefen Eindruck gemacht. Sie enthielt eine nach meiner Schätzung fundamentale biologische Ent deckung, die erst jetzt — nach vielen Jahren — den Fachgenossen zu gefallen beginnt.
§ 793) Eine Patientin hatte mir kurz zuvor die Kranken geschichte ihres Bruders erzählt, der mit dem Ausrufe „Natur, Natur“ in Tobsucht verfallen war. Die Ärzte hatten gemeint, der Ausruf stamme aus der Lektüre jenes schönen Aufsatzes von Goethe und deute auf die Überarbeitung des Erkrankten bei seinen Studien hin. Ich hatte geäußert, es komme mir, daß der Ausruf „Natur“ in plausibler vor jenem sexuellen Sinn zu nehmen sei, den bei uns auch die Mindergebildeten kennen. Daß der Unglückliche sich später an den Genitalien verstümmelte, schien mir wenigstens nicht unrecht zu geben. 18 Jahre war das Alter dieses Kranken, als jener Anfall sich ein stellte.
§ 80Im Trauminhalt verbirgt sich hinter dem Ich zunächst meinIch suche.“ Das Buch meines Freundes beschäftigt mir die zeitlichen Verhältnisse ein wenig aufzuklären sich nämlich mit den zeitlichen Verhältnissen des Lebens und führt unter anderem auch Goethes Lebens dauer auf ein Vielfaches einer für die Biologie bedeutsamen Zahl von Tagen zurück. Dieses Ich wird aber einem Paralytiker gleichgestellt („Ich weiß nicht sicher, welches“). Der Traum Jahr wir gegenwärtig schreiben stellt also dar, daß mein Freund sich als Paralytiker benimmt, und schwelgt dabei in Absurdität. Die Traumgedanken aber lauten ironisch: „Natürlich, er ist ein Verrückter, ein Narr, und ihr seid die Genies, die es besser verstehen. Sollte es nicht doch umgekehrt sein?“ — Diese Umkehrung ist nun ausgiebig im Trauminhalt vertreten, indem Goethe den jungen Mann angegriffen hat, was absurd ist, während leicht ein ganz junger Mensch noch heute den großen Goethe angreifen könnte.
von der Kritik so übel behandelter Freund. „§ 81Ich möchte behaupten, daß kein Traum von anderen alseigenen Funde erscheint. Wenn ich mit meiner Theorie hervortreten werde, welche in der Ätiologie psycho neurotischer Störungen die Sexualität hervorhebt (siehe die Anspielung auf den achtzehnjährigen Kranken „Natur, Natur“), werde ich die nämliche Kritik wiederfinden und bringe ihr schon jetzt den gleichen Spott entgegen.
egoistischen Regungen eingegeben wird. Das Ich im Traum steht wirklich nicht bloß für meinen Freund, sondern auch für mich selbst. Ich identifiziere mich mit ihm, weil das Schicksal seiner Entdeckung mir vorbildlich für die Aufnahme meiner § 82Wenn ich die Traumgedanken weiter verfolge, finde ichSpott und Hohn als das Korrelat der. Der Fund eines ge Absurditäten des Traumes borstenen Schafschädels auf dem Lido zu Venedig hat Goethe bekanntlich die Idee zur sog. Wirbeltheorie des Schädels eingegeben. — Mein Freund rühmt sich, als Student einen Sturm zur Beseitigung eines alten Professors entfesselt zu haben, der einst, wohlverdient (unter anderem auch um diesen Teil der vergleichenden Anatomie), nun durch Alters schwachsinn zum Lehren unfähig geworden war. Die von ihm veranstaltete Agitation half so dem Übelstande ab, daß an den deutschen Universitäten dem akademischen Wirken eine Altersgrenze nicht gezogen ist. — Alter. — Im schützt nämlich vor Torheit nicht hiesigen Krankenhause hatte ich die Ehre, Jahre hindurch unter einem Primarius zu dienen, der längst fossil, seit Dezennien notorisch schwachsinnig, sein verantwor tungsvolles Amt weiterführen durfte. Eine Charakteristik nach dem Funde am Lido drängt sich mir hier auf. — Auf diesen Mann bezüglich fertigten einst junge Kollegen im Spital eine Übertragung des damals beliebten Gassenhauers: Das hat kein Goethe g’schrieben, das hat kein Schiller g’dicht usw. . . .
immer nur § 83VII
§ 84Wir sind mit der Würdigung der Traumarbeit noch nichtdaß es auf den bereits vorgebil deten Trauminhalt erst nachträglich ein wirke. Seine Leistung besteht dann darin, die Traum bestandteile so anzuordnen, daß sie sich ungefähr zu einem Zusammenhang, zu einer Traumkomposition zusammenfügen. Der Traum erhält so eine Art Fassade, die seinen Inhalt freilich nicht an allen Stellen deckt; er erfährt dabei eine erste vorläufige Deutung, die durch Einschiebsel und leise Abänderungen unterstützt wird. Allerdings macht sich diese Bearbeitung des Trauminhaltes nur möglich, indem sie alle fünf gerade sein läßt, sie liefert auch weiter nichts als ein eklatantes Mißverständnis der Traumgedanken, und wenn wir die Analyse des Traumes in Angriff nehmen, müssen wir uns zuerst von diesem Deutungsversuche freimachen.
zu Ende gekommen. Wir sehen uns genötigt, ihr außer der Verdichtung, Verschiebung und anschaulichen Zurichtung des psychischen Materials noch eine andere Tätigkeit zuzuschreiben, deren Beitrag allerdings nicht an allen Träumen zu erkennen ist. Ich werde von diesem Stück der Traumarbeit nicht aus führlich handeln, will also nur anführen, daß man sich von seinem Wesen am ehesten eine Vorstellung verschafft, wenn man sich zu der — wahrscheinlich unzutreffenden — Annahme entschließt, § 85An diesem Stücke der Traumarbeit ist die Motivierung ganzRücksicht auf Ver ständlichkeit, welche diese letzte Überarbeitung des Traumes veranlaßt; hiedurch ist aber auch die Herkunft dieser Tätigkeit verraten. Sie benimmt sich gegen den ihr vor liegenden Trauminhalt wie unsere normale psychische Tätig keit überhaupt gegen einen beliebigen ihr dargebotenen Wahr nehmungsinhalt. Sie erfaßt ihn unter Verwendung gewisser Erwartungsvorstellungen, ordnet ihn schon bei der Wahr nehmung unter der Voraussetzung seiner Verständlichkeit, läuft dabei Gefahr, ihn zu fälschen, und verfällt in der Tat, wenn er sich an nichts Bekanntes anreihen läßt, zunächst in die seltsamsten Mißverständnisse. Es ist bekannt, daß wir nicht imstande sind, eine Reihe von fremdartigen Zeichen anzusehen oder ein Gefolge von unbekannten Worten anzu hören, ohne zunächst deren Wahrnehmung nach der Rück sicht auf Verständlichkeit, nach der Anlehnung an etwas uns Bekanntes zu verfälschen.
besonders durchsichtig. Es ist die § 86Träume, welche diese Bearbeitung von seiten einer demgut komponierte heißen. Bei anderen Träumen hat diese Tätigkeit völlig versagt; es ist nicht einmal der Versuch gemacht worden, Ordnung und Deutung herzustellen, und indem wir uns nach dem Erwachen mit diesem letzten Stück der Traumarbeit identisch fühlen, urteilen wir, der Traum sei „ganz verworren“. Für unsere Analyse aber hat der Traum, der einem ordnungslosen Haufen unzusammenhängender Bruchstücke gleicht, ebensoviel Wert wie der schön geglättete und mit einer Oberfläche versehene. Wir ersparen uns im ersteren Falle etwa die Mühe, die Über arbeitung des Trauminhaltes wieder zu zerstören.
wachen Denken völlig analogen psychischen Tätigkeit er fahren haben, kann man § 87Man würde aber irre gehen, wenn man in diesen Traum
fassaden nichts anderes sehen wollte, als solche eigentlich miß verständliche und ziemlich willkürliche Bearbeitungen des Trauminhaltes durch die bewußte Instanz unseres Seelenlebens. Zur Herstellung der Traumfassade werden nicht selten Wunschphantasien verwendet, die sich in den Traumgedanken vorgebildet finden, und die von derselben Art sind wie die uns aus dem wachen Leben bekannten, mit Recht so genannten „Tagträume“. Die Wunschphantasien, welche die Analyse in den nächtlichen Träumen aufdeckt, erweisen sich oft als Wiederholungen und Umarbeitungen infantiler Szenen; die Traumfassade zeigt uns so in manchen Träumen unmittelbar den durch Vermengung mit anderem Material entstellten eigentlichen Kern des Traumes. § 88Andere als die vier erwähnten Tätigkeiten sind bei derbereits in den Traum gedanken vorgefallen und vom Traum inhalt nur übernommen worden sind. Eine Schlußfolgerung im Traum ist nichts anderes als die Wieder holung eines Schlusses in den Traumgedanken; sie erscheint unanstößig, wenn sie ohne Veränderung in den Traum über gegangen ist; sie wird unsinnig, wenn sie durch die Traum arbeit etwa auf ein anderes Material verschoben wurde. Eine Rechnung im Trauminhalt bedeutet nichts anderes, als daß sich unter den Traumgedanken eine Berechnung findet; während diese jedesmal richtig ist, kann die Traumrechnung durch Verdichtung ihrer Faktoren und durch Verschiebung der nämlichen Operationsweise auf anderes Material das tollste Ergebnis liefern. Nicht einmal die Reden, die sich im Traum inhalt vorfinden, sind neu komponiert; sie erweisen sich als zusammengestückelt aus Reden, die als gehaltene oder als gehörte und gelesene in den Traumgedanken erneuert wurden, deren Wortlaut sie aufs getreueste kopieren, während sie deren Veranlassung ganz beiseite lassen und ihren Sinn aufs gewaltsamste verändern.
Traumarbeit nicht zu entdecken. Halten wir an der Begriffs bestimmung fest, daß „Traumarbeit“ die Überführung der Traumgedanken in den Trauminhalt bezeichnet, so müssen wir uns sagen, die Traumarbeit sei nicht schöpferisch, sie ent wickle keine ihr eigentümliche Phantasie, sie urteilt nicht, schließt nicht, sie leistet überhaupt nichts anderes als das Material zu verdichten, verschieben und auf Anschaulichkeit umzuarbeiten, wozu noch das inkonstante letzte Stückchen deutender Bearbeitung hinzukommt. Man findet zwar man cherlei im Trauminhalt, was man als das Ergebnis einer anderen und höheren intellektuellen Leistung auffassen möchte, aber die Analyse weist jedesmal überzeugend nach, daß diese intellektuellen Operationen § 89Es ist vielleicht nicht überflüssig, die letzten Behauptungen
durch Beispiele zu unterstützen. § 90I) Ein harmlos klingender, gut komponierter Traum einer Patientin:
§ 91Sie geht auf den Markt mit ihrer Köchin, die den KorbDas ist nicht mehr zu haben, und will ihr etwas anderes geben mit der Bemerkung: Das ist auch gut. Sie lehnt ab und geht zur Gemüsefrau. Die will ihr ein eigen tümliches Gemüse verkaufen, was in Bündeln zusammen gebunden ist, aber schwarz von Farbe. Sie sagt: Das kenne, das nehme ich nicht. ich nicht trägt. Der Fleischhauer sagt ihr, nachdem sie etwas verlangt hat:
§ 92Die Rede: das ist nicht mehr zu haben — stammt aus dernicht mehr als solche zu haben sind, sondern sich durch Über tragungen und Träume ersetzen. Ich bin also der Fleisch hauer.
Behandlung. Ich selbst hatte der Patientin einige Tage vorher wörtlich erklärt, daß die ältesten Kindererinnerungen § 93Die zweite Rede: Das kenne ich nicht — ist in einem ganz anderen Zusammenhange vorgefallen. Tags vorher hatte sie selbst ihrer Köchin, die übrigens auch im Traume erscheint, tadelnd zugerufen: Benehmen Sie sich an ständig; das kenne ich nicht, d. h. wohl, ein solches Benehmen anerkenne ich nicht, lasse ich nicht zu. Der harmlosere Teil dieser Rede gelangte durch eine Verschiebung in den Trauminhalt; in den Traumgedanken spielte nur der andere Teil der Rede eine Rolle, denn hier hat die Traum arbeit bis zur vollen Unkenntlichkeit und bis zur äußersten Harmlosigkeit eine Phantasiesituation verändert, in welcher ich mich gegen die Dame in einer gewissen Weise. Diese in der Phantasie er unanständig benehme wartete Situation ist aber selbst nur die Neuauflage einer einmal wirklich erlebten.
§ 94II) Ein scheinbar ganz bedeutungsloser Traum, in dem Zahlen vorkommen. Sie will irgendetwas bezahlen; ihreKreuzer. Tochter nimmt 3 fl. 65 kr. aus der Geldtasche; sie sagt aber: Was tust du? Es kostet ja nur 21
§ 95Die Träumerin war eine Fremde, die ihr Kind in einemTime is money.Ein Jahr ist gleich 365 Tagen, in Kreuzern ausgedrückt 365 Kreuzer oder 3 fl. 65 kr. Die 21 Kreuzer entsprechen den drei Wochen, die damals vom Traum tage bis zum Schulschluß und damit bis zum Ende der Kur ausständig waren. Es waren offenbar Geldrücksichten, welche die Dame bewogen hatten, den Vorschlag der Vorsteherin ab zulehnen, und welche für die Kleinheit der Summe im Traum verantwortlich sind.
Wiener Erziehungsinstitute untergebracht hatte, und die meine Behandlung fortsetzen konnte, solange ihre Tochter in Wien blieb. Am Tage vor dem Traume hatte ihr die Instituts vorsteherin nahegelegt, ihr das Kind noch ein weiteres Jahr zu überlassen. In diesem Falle hätte sie auch die Behandlung um ein Jahr verlängert. Die Zahlen im Traum kommen zur Bedeutung, wenn man sich erinnert, daß Zeit Geld ist. § 96III) Eine junge, aber schon seit Jahren verheiratete Dame erfährt, daß eine ihr fast gleichalterige Bekannte, Frl. Elise L., sich verlobt hat. Dieser Anlaß erregt nachstehenden Traum:
§ 97Sie sitzt mit ihrem Manne im Theater, eine Seite des Par ketts ist ganz unbesetzt. Ihr Mann erzählt ihr, Elise L. und ihr Bräutigam hätten auch gehen wollen, hätten aber nur schlechte Sitze bekommen, drei für 1 fl. 50 kr., und die konnten sie ja nicht nehmen. Sie meint, es wäre auch kein Unglück gewesen.
§ 98Hier werden uns die Herkunft der Zahlen aus dem Material 1 fl. 50 kr.? Aus einem indifferenten Anlaß des Vortages. Ihre Schwägerin hatte von ihrem Manne die Summe von 150 fl. zum Geschenke bekommen und sich beeilt, sie los zu werden, indem sie sich einen Schmuck dafür kaufte. Wir wollen anmerken, daß 150 fl. hundertmal mehr sind als 1 fl. 50 kr. Für die drei, die bei den Theaterbillets steht, findet sich nur die eine Anknüpfung, daß die Braut Elise L. genau drei Monate jünger ist als die Träumerin. Die Situation im Traume ist die Wiedergabe einer kleinen Begebenheit, mit der sie von ihrem Manne oft geneckt worden ist. Sie hatte sich einmal so sehr beeilt, vorzeitig Karten zu einer Theatervorstellung zu nehmen, und als sie dann ins Theater kam, war eine Seite des. Sie hätte es also nicht Parketts fast unbesetzt nötig gehabt, sich so sehr zu beeilen. — Übersehen wir endlich nicht die Absurdität des Traumes, daß zwei Personen drei Karten fürs Theater nehmen sollen!
der Traumgedanken und die Verwandlungen, die sie erfahren haben, interessieren. Woher rühren die§ 99Nun die Traumgedanken: Ein Unsinn war es doch, so früh zu heiraten; ich hätte es nicht nötig gehabt, mich. An dem Beispiel der Elise L. sehe ich, so zu beeilen daß ich immer noch einen Mann bekommen hätte, und zwar einen hundertmal besseren (Mann, Schatz), wenn ich nur gewartet hätte. Drei solche Männer hätte ich mir für das Geld (die Mitgift) kaufen können!
§ 100VIII
§ 101Nachdem wir in den vorstehenden Darlegungen die Traum
arbeit kennengelernt haben, werden wir wohl geneigt sein, sie für einen ganz besonderen psychischen Vorgang zu erklären, dessengleichen es nach unserer Kenntnis sonst nicht gibt. Es ist gleichsam auf die Traumarbeit das Befremden übergegangen, welches sonst ihr Produkt, der Traum, bei uns zu erwecken pflegte. In Wirklichkeit ist die Traumarbeit nur der zuerst erkannte unter einer ganzen Reihe von psychischen Prozessen, auf welche die Entstehung der hysterischen Symptome, der Angst-, Zwangs- und Wahnideen zurückzuführen ist. Ver dichtung und vor allem Verschiebung sind niemals fehlende Charaktere auch dieser anderen Prozesse. Die Umarbeitung aufs Anschauliche bleibt hingegen der Traumarbeit eigen tümlich. Wenn diese Aufklärung den Traum in eine Reihe mit den Bildungen psychischer Erkrankung bringt, so wird es uns um so wichtiger werden, die wesentlichen Bedingungen solcher Vorgänge wie der Traumbildung zu erfahren. Wir werden wahrscheinlich verwundert sein zu hören, daß weder Schlafzustand noch Krankheit zu diesen unentbehrlichen Be dingungen gehören. Eine ganze Anzahl von Phänomenen des Alltagslebens Gesunder, das Vergessen, Versprechen, Ver greifen, und eine gewisse Klasse von Irrtümern danken einem analogen psychischen Mechanismus wie der Traum und die anderen Glieder der Reihe ihre Entstehung. § 102Der Kern des Problems liegt in der Verschiebung, derMoti vierung. Man gerät auf ihre Spur, wenn man Erfahrungen würdigt, denen man bei der Analyse von Träumen nicht ent gehen kann. Ich habe bei der Analyse des Traumbeispiels auf Seite 191 in der Mitteilung der Traumgedanken abbrechen müssen, weil sich unter ihnen, wie ich eingestand, solche fanden, die ich gerne vor Fremden geheimhalte und ohne schwere Verletzung wichtiger Rücksichten nicht mitteilen kann. Ich fügte hinzu, es brächte gar keinen Nutzen, wenn ich anstatt dieses Traumes einen anderen zur Mitteilung seiner Analyse auswählte; bei jedem Traum, dessen Inhalt dunkel oder ver worren ist, würde ich auf Traumgedanken stoßen, die Geheim haltung erfordern. Wenn ich aber für mich selbst die Analyse fortsetze, ohne Rücksicht auf die anderen, für die ja ein so persönliches Erlebnis wie mein Traum gar nicht bestimmt sein kann, so lange ich endlich bei Gedanken an, die mich über raschen, die ich in mir nicht gekannt habe, die mir aber nicht nur fremdartig, sondern auch unangenehm sind, und die ich darum energisch bestreiten möchte, während die durch die Analyse laufende Gedankenverkettung sie mir un erbittlich aufdrängt. Ich kann diesem ganz allgemeinen Sach verhalt gar nicht anders Rechnung tragen, als durch die An nahme, diese Gedanken seien wirklich in meinem Seelenleben vorhanden und im Besitz einer gewissen psychischen Inten sität oder Energie gewesen, hätten sich aber in einer eigentüm lichen psychologischen Situation befunden, derzufolge sie mir nicht bewußt werden konnten. Ich heiße diesen besonderen Zustand den der Verdrängung. Ich kann dann nicht umhin, zwischen der Dunkelheit des Trauminhaltes und dem Verdrängungszustand, der Bewußtseins unfähigkeit, einiger der Traumgedanken eine kausale Beziehung gelten zu lassen und zu schließen, daß der Traum dunkel sein müsse, damit er die verpönten Traum gedanken nicht verrate. Ich komme so zum Be griffe der Traumentstellung, welche das Werk der Traumarbeit ist, und der Verstellung, der Absicht zu verbergen, dient.
weitaus auffälligsten unter den Einzelleistungen der Traum arbeit. Die wesentliche Bedingung der Verschiebung lernt man bei eingehender Vertiefung in den Gegenstand als eine rein psychologische kennen; sie ist von der Art einer § 103Ich will an dem zur Analyse ausgesuchten Traumbeispieldaß es mir um diese Ausgabe. Erst wenn ich diese Regung anerkenne, bekommt leid tut es einen Sinn, daß ich mir im Traum Liebe wünsche, die mir keine Ausgabe nötig macht. Und doch kann ich mir ehrlich sagen, daß ich bei der Entschließung, jene Summe aufzuwenden, nicht einen Augenblick geschwankt habe. Das Bedauern dar über, die Gegenströmung, ist mir nicht bewußt worden. Aus welchen Gründen nicht, dies ist allerdings eine andere, weitab führende Frage, deren mir bekannte Beantwortung in einen anderen Zusammenhang gehört.
die Probe machen und mich fragen, welches denn der Gedanke ist, der sich in diesem Traum entstellt zur Geltung bringt, während er unentstellt meinen schärfsten Widerspruch heraus fordern würde. Ich erinnere mich, daß die kostenlose Wagen fahrt mich an die letzten kostspieligen Wagenfahrten mit einer Person meiner Familie gemahnt hat, daß sich als die Deutung des Traumes ergab: Ich möchte einmal Liebe kennenlernen, die mich nichts kostet, und daß ich kurze Zeit vor dem Traum eine größere Geldausgabe für eben diese Person zu leisten hatte. In diesem Zusammenhang kann ich mich des Gedankens nicht erwehren, § 104Wenn ich nicht einen eigenen Traum, sondern den einer
fremden Person der Analyse unterziehe, so ist das Ergebnis das nämliche; die Motive zur Überzeugung werden aber ge ändert. Ist es der Traum eines Gesunden, so bleibt mir kein anderes Mittel, ihn zur Anerkennung der gefundenen ver drängten Ideen zu nötigen, als der Zusammenhang der Traum gedanken, und er mag sich immerhin gegen diese Anerkennung sträuben. Handelt es sich aber um einen neurotisch Leidenden, etwa um einen Hysteriker, so wird die Annahme des ver drängten Gedankens für ihn zwingend durch den Zusammen hang dieses letzteren mit seinen Krankheitssymptomen und durch die Besserung, die er bei dem Eintausch von Symptomen gegen verdrängte Ideen erfährt. Bei der Patientin zum Bei spiel, von welcher der letzte Traum mit den drei Karten für 1 fl. 50 kr. herrührt, muß die Analyse annehmen, daß sie ihren Mann geringschätzt, daß sie bedauert, ihn geheiratet zu haben, daß sie ihn gerne gegen einen anderen vertauschen möchte. Sie behauptet freilich, daß sie ihren Mann liebt, daß ihr Empfindungsleben von dieser Geringschätzung (einen hundertmal besseren!) nichts weiß, aber all ihre Symptome führen zu derselben Auflösung wie dieser Traum, und nach dem die von ihr verdrängten Erinnerungen an eine gewisse Zeit wieder geweckt worden sind, in welcher sie ihren Mann auch bewußt nicht geliebt hat, sind diese Symptome gelöst, und ihr Widerstand gegen die Deutung des Traumes ist ge schwunden. § 105IX
§ 106Nachdem wir uns den Begriff der Verdrängung fixiert undSie sind verhüllte Erfül lungen von verdrängten Wünschen. Es ist dabei interessant zu bemerken, daß die Volksmeinung recht behält, welche den Traum durchaus die Zukunft verkünden läßt. In Wahrheit ist die Zukunft, die uns der Traum zeigt, nicht die, die eintreffen wird, sondern von der wir möchten, daß sie so einträfe. Die Volksseele verfährt hier, wie sie es auch sonst gewohnt ist: sie glaubt, was sie wünscht.
die Traumentstellung in Beziehung zu verdrängtem psychi schen Material gesetzt haben, können wir das Hauptergebnis, welches die Analyse der Träume liefert, ganz allgemein aus sprechen. Von den verständlichen und sinnvollen Träumen haben wir erfahren, daß sie unverhüllte Wunscherfüllungen sind, d. h. daß die Traumsituation in ihnen einen dem Bewußt sein bekannten, vom Tagesleben erübrigten, des Interesses wohl würdigen Wunsch als erfüllt darstellt. Über die dunkeln und verworrenen Träume lehrt nun die Analyse etwas ganz Analoges: die Traumsituation stellt wiederum einen Wunsch als erfüllt dar, der sich regelmäßig aus den Traumgedanken erhebt, aber die Darstellung ist eine unkenntliche, erst durch Zurückführung in der Analyse aufzuklärende, und der Wunsch ist entweder selbst ein verdrängter, dem Bewußtsein fremder, oder er hängt doch innigst mit verdrängten Gedanken zu sammen, wird von solchen getragen. Die Formel für diese Träume lautet also: § 107Nach ihrem Verhalten gegen die Wunscherfüllung teilen sichun verdrängten Wunsch unverhüllt darstellen; dies sind die Träume von infantilem Typus, die beim Erwachsenen immer seltener werden. Zweitens die Träume, die einen ver drängten Wunsch verhüllt zum Ausdruck bringen; wohl die übergroße Mehrzahl aller unserer Träume, die zum Verständnis dann der Analyse bedürfen. Drittens die Träume, die zwar einen verdrängten Wunsch darstellen, aber ohne oder in ungenügender Verhüllung. Diese letzten Träume sind regelmäßig von Angst begleitet, welche den Traum unterbricht. Die Angst ist hier der Ersatz für die Traumentstellung; sie ist mir in den Träumen der zweiten Klasse durch die Traumarbeit erspart worden. Es läßt sich ohne allzugroße Schwierigkeit nachweisen, daß derjenige Vor stellungsinhalt, der uns jetzt im Traume Angst bereitet, einst mals ein Wunsch war und seither der Verdrängung unter legen ist.
die Träume in drei Klassen. Erstens solche, die einen § 108Es gibt auch klare Träume von peinlichem Inhalt, der abergut ver hüllte Erfüllungen verdrängter Wünsche, also um Träume der zweiten Klasse, handelt, und wird gleichzeitig die aus gezeichnete Eignung der Verschiebungsarbeit zur Verhüllung des Wunsches dartun.
im Traum nicht peinlich empfunden wird. Man kann diese darum nicht zu den Angstträumen rechnen; sie haben aber immer dazu gedient, die Bedeutungslosigkeit und den psychi schen Unwert der Träume zu erweisen. Eine Analyse eines solchen Beispieles wird zeigen, daß es sich hier um § 109Ein Mädchen träumt, daß sie das jetzt einzige Kind ihrer
Schwester tot vor sich sieht in der nämlichen Umgebung, in der sie vor einigen Jahren das erste Kind als Leiche sah. Sie empfindet dabei keinen Schmerz, sträubt sich aber natürlich gegen die Auffassung, diese Situation entspreche einem Wunsche von ihr. Dies wird auch nicht erfordert; aber an der Bahre jenes Kindes hat sie vor Jahren den von ihr ge liebten Mann zuletzt gesehen und gesprochen; stürbe das zweite Kind, so würde sie diesen Mann gewiß wieder im Hause der Schwester treffen. Sie sehnt sich nun nach dieser Begegnung, sträubt sich aber gegen dieses ihr Gefühl. Sie hat am Traumtage selbst eine Eintrittskarte zu einem Vortrage genommen, den der immer noch Geliebte angekündigt hat. Ihr Traum ist ein einfacher Ungeduldstraum, wie er sich gewöhnlich vor Reisen, Theaterbesuchen und ähnlichen er warteten Genüssen einstellt. Um ihr aber diese Sehnsucht zu verbergen, ist die Situation auf die für eine freudige Emp findung unpassendste Gelegenheit verschoben worden, die sich doch einmal in der Wirklichkeit bewährt hat. Man beachte noch, daß das Affektverhalten im Traume nicht dem vor geschobenen, sondern dem wirklichen, aber zurückgehaltenen Trauminhalt angepaßt ist. Die Traumsituation greift dem lange ersehnten Wiedersehen vor; sie bietet keine Anknüpfung für eine schmerzliche Empfindung. § 110X
§ 111Die Philosophen haben bisher keinen Anlaß gehabt, sichVerdrängung — Nach laß der Zensur — Kompromißbildung, dies ist aber das Grundschema für die Entstehung sehr vieler anderer psychopathischer Bildungen in gleicher Weise wie für den Traum, und bei der Kompromißbildung werden hier wie dort die Vorgänge der Verdichtung und Verschiebung und die Inanspruchnahme oberflächlicher Assoziationen beobachtet, welche wir bei der Traumarbeit kennengelernt haben.
mit einer Psychologie der Verdrängung zu beschäftigen. Es ist also gestattet, daß wir uns in erster Annäherung an den noch unbekannten Sachverhalt eine anschauliche Vorstellung vom Hergang der Traumbildung schaffen. Das Schema, zu welchem wir nicht allein vom Studium des Traumes her ge langen, ist zwar bereits ziemlich kompliziert; wir können aber mit einem einfacheren unser Ausreichen nicht finden. Wir nehmen an, daß es in unserem seelischen Apparat zwei gedankenbildende Instanzen gibt, deren zweite das Vorrecht besitzt, daß ihre Erzeugnisse den Zugang zum Bewußtsein offen finden, während die Tätigkeit der ersten Instanz an sich unbewußt ist und nur über die zweite zum Bewußtsein gelangen kann. An der Grenze der beiden Instanzen, am Übergang von der ersten zur zweiten, befinde sich eine Zensur, welche nur durchläßt, was ihr angenehm ist, anderes aber zurückhält. Dann befindet sich das von der Zensur Ab gewiesene, nach unserer Definition, im Zustande der Ver drängung. Unter gewissen Bedingungen, deren eine der Schlaf zustand ist, ändere sich das Kräfteverhältnis zwischen beiden Instanzen in solcher Weise, daß das Verdrängte nicht mehr ganz zurückgehalten werden kann. Im Schlafzustand geschehe dies etwa durch den Nachlaß der Zensur; dann wird es dem bisher Verdrängten gelingen, sich den Weg zum Bewußtsein zu bahnen. Da die Zensur aber niemals aufgehoben, sondern bloß herabgesetzt ist, so wird es sich dabei Veränderungen ge fallen lassen müssen, welche seine Anstößigkeiten mildern. Was in solchem Falle bewußt wird, ist ein Kompromiß zwischen dem von der einen Instanz Beabsichtigten und dem von der anderen Geforderten. § 112Wir haben keinen Grund, uns das Element von Dämoals ob eine Person, die von einer zweiten abhängig ist, etwas zu äußern hätte, was dieser letzteren an zuhören unangenehm sein muß, und von diesem Gleichnis her haben wir den Begriff der Traumentstellung und den der Zensur erfaßt und uns bemüht, unseren Eindruck in eine gewiß rohe, aber wenigstens anschauliche psychologische Theorie zu übersetzen. Mit was immer bei weiterer Klärung des Gegenstandes sich unsere erste und zweite Instanz wird identifizieren lassen, wir werden erwarten, daß sich ein Kor relat unserer Annahme bestätige, daß die zweite Instanz den Zugang zum Bewußtsein beherrscht und die erste vom Be wußtsein absperren kann.
nismus zu verhehlen, welches bei der Aufstellung unserer Er klärung der Traumarbeit mitgespielt hat. Wir haben den Eindruck empfangen, daß die Bildung der dunklen Träume so vor sich geht, § 113Wenn der Schlafzustand überwunden ist, stellt sich dieVergessen des Traumes wenigstens zum Teil diese Erklärung fordert, geht aus einer ungezählte Male bestätigten Erfahrung hervor. Während der Erzählung eines Traumes oder während der Analyse des selben geschieht es nicht selten, daß plötzlich ein vergessen ge glaubtes Bruchstück des Trauminhaltes wieder auftaucht. Dies dem Vergessen entrissene Stück enthält regelmäßig den besten und nächsten Zugang zur Bedeutung des Traumes. Es sollte wahrscheinlich nur darum dem Vergessen, d. i. der neuerlichen Unterdrückung, verfallen.
Zensur rasch zur vollen Höhe wieder her und kann jetzt wieder vernichten, was ihr während der Zeit ihrer Schwäche abgerungen worden ist. Daß das § 114XI
§ 115Wenn wir den Trauminhalt als Darstellung eines erfülltenTraum als den Hüter des anerkennen. Für den Kindertraum dürfte unsere Schlafes Behauptung leicht Glauben finden.
Wunsches auffassen und seine Dunkelheit auf die Abände rungen der Zensur an verdrängtem Material zurückführen, fällt es uns auch nicht mehr schwer, die Funktion des Traumes zu erschließen. In seltsamem Gegensatz zu Rede wendungen, welche den Schlaf durch Träume stören lassen, müssen wir den § 116Der Schlafzustand oder die psychische Schlafveränderung,Grollers), der, bei Nacht erwachend, durch den Schlafraum brüllt: Das Nas horn will er? Ein braveres Kind würde, anstatt zu brüllen, träumen, daß es mit dem Nashorn spiele. Da der Traum, welcher den Wunsch erfüllt zeigt, während des Schlafens Glauben findet, hebt er den Wunsch auf und ermöglicht den Schlaf. Es ist nicht abzuweisen, daß dieser Glaube dem Traumbilde zufällt, weil dieses sich in die psychi sche Erscheinung der Wahrnehmung kleidet, während dem Kinde die später zu erwerbende Fähigkeit noch fehlt, Hal luzination oder Phantasie von Realität zu unterscheiden.
worin immer sie bestehen mag, wird herbeigeführt durch den dem Kind aufgenötigten oder auf Grund von Müdigkeits sensationen gefaßten Entschluß zu schlafen, und einzig er möglicht durch die Abhaltung von Reizen, welche dem psychi schen Apparat andere Ziele setzen könnten als das des Schlafens. Die Mittel, welche dazu dienen, äußere Reize ferne zuhalten, sind bekannt; aber welche Mittel stehen uns zur Verfügung, um die inneren seelischen Reize niederzuhalten, die sich dem Einschlafen widersetzen? Man beobachte eine Mutter, die ihr Kind einschläfert. Es äußert unausgesetzt Be dürfnisse, es will noch einen Kuß, es möchte noch spielen. Diese Bedürfnisse werden zum Teil befriedigt, zum anderen mit Autorität auf den nächsten Tag verschoben. Es ist klar, daß Wünsche und Bedürfnisse, die sich regen, die Hemmnisse des Einschlafens sind. Wer kennt nicht die heitere Geschichte von dem schlimmen Buben (Balduin § 117Der Erwachsene hat diese Unterscheidung gelernt, er hat
auch die Nutzlosigkeit des Wünschens begriffen und durch fortgesetzte Übung erreicht, seine Strebungen aufzuschieben, bis sie auf langen Umwegen über die Veränderung der Außen welt ihre Erledigung finden können. Dementsprechend sind auch die Wunscherfüllungen auf kurzem psychischen Weg bei ihm im Schlafe selten; ja, es ist selbst möglich, daß sie überhaupt nicht vorkommen, und daß alles, was uns nach der Art eines Kindertraumes gebildet zu sein scheint, eine viel kompliziertere Auflösung erfordert. Dafür aber hat sich beim Erwachsenen — und wohl bei jedem Vollsinnigen ohne Aus nahme — eine Differenzierung des psychischen Materiales herausgebildet, die dem Kinde fehlte. Es ist eine psychische Instanz zustande gekommen, welche, durch die Lebens erfahrung belehrt, einen beherrschenden und hemmenden Ein fluß auf die seelischen Regungen mit eifersüchtiger Strenge festhält, und die durch ihre Stellung zum Bewußtsein und zur willkürlichen Motilität mit den größten Mitteln psychi scher Macht ausgestattet ist. Ein Teil der kindlichen Regungen aber ist als lebensunnütz von dieser Instanz unterdrückt worden, und alles Gedankenmaterial, was von diesen ab stammt, befindet sich im Zustande der Verdrängung. § 118Während sich nun die Instanz, in welcher wir unser norQualität aufzuwecken sind, wie bereits der alte Physio loge Burdach betonte, die Mutter zum Beispiel durch das Wimmern ihres Kindes, der Müller durch das Stehenbleiben seiner Mühle, die meisten Menschen durch den leisen Anruf bei ihrem Namen. Diese Wache haltende Aufmerksamkeit wendet sich nun auch den inneren Wunschreizen aus dem Verdrängten zu und bildet mit ihnen den Traum, der als Kompromiß gleichzeitig beide Instanzen befriedigt. Der Traum schafft eine Art von psychischer Erledigung für den unterdrückten oder mit Hilfe des Verdrängten geformten Wunsch, indem er ihn als erfüllt hinstellt; er genügt aber auch der anderen Instanz, indem er die Fortsetzung des Schlafes gestattet. Unser Ich benimmt sich dabei gerne wie ein Kind, es schenkt den Traumbildern Glauben, als ob es sagen wollte: Ja, ja, du hast recht, aber laß mich schlafen. Die Geringschätzung, die wir, erwacht, dem Traume ent gegenbringen, und die sich auf die Verworrenheit und schein bare Unlogik des Traumes beruft, ist wahrscheinlich nichts anderes als das Urteil unseres schlafenden Ichs über die Regungen aus dem Verdrängten, das sich mit besserem Rechte auf die motorische Ohnmacht dieser Schlafstörer stützt. Dies geringschätzige Urteil wird uns mitunter selbst im Schlafe bewußt; wenn der Trauminhalt allzusehr über die Zensur hinausgeht, denken wir: Es ist ja nur ein Traum — und schlafen weiter.
males Ich erkennen, auf den Wunsch zu schlafen einstellt, scheint sie durch die psychophysiologischen Bedingungen des Schlafes genötigt, an der Energie nachzulassen, mit welcher sie bei Tag das Verdrängte niederzuhalten pflegte. Dieser Nachlaß selbst ist zwar harmlos; die Erregungen der unter drückten Kinderseele mögen sich immerhin tummeln; infolge des nämlichen Schlafzustandes finden sie doch den Zugang zum Bewußtsein erschwert und den zur Motilität versperrt. Die Gefahr, daß der Schlaf durch sie gestört werde, muß aber abgewehrt werden. Nun müssen wir ja ohnehin die An nahme zulassen, daß selbst im tiefen Schlaf ein Betrag von freier Aufmerksamkeit als Wächter gegen Sinnesreize auf geboten wird, welche etwa das Erwachen rätlicher erscheinen lassen als die Fortsetzung des Schlafes. Es wäre sonst nicht zu erklären, daß wir jederzeit durch Sinnesreize von gewisser § 119Es ist kein Einwand gegen diese Auffassung, wenn es auch
für den Traum Grenzfälle gibt, in denen er seine Funktion, den Schlaf vor Unterbrechung zu bewahren, nicht mehr fest halten kann — wie beim Angsttraum — und sie gegen die andere, ihn rechtzeitig aufzuheben, vertauscht. Er verfährt dabei auch nur wie der gewissenhafte Nachtwächter, der zu nächst seine Pflicht tut, indem er Störungen zur Ruhe bringt, um die Bürgerschaft nicht zu wecken, dann aber seine Pflicht damit fortsetzt, die Bürgerschaft selbst zu wecken, wenn ihm die Ursachen der Störung bedenklich scheinen und er mit ihnen allein nicht fertig wird. § 120Besonders deutlich wird eine solche Funktion des Traumes,
wenn an den Schlafenden ein Anreiz zu Sinnesempfindungen herantritt. Daß Sinnesreize, während des Schlafzustandes an gebracht, den Inhalt der Träume beeinflussen, ist allgemein bekannt, läßt sich experimentell nachweisen und gehört zu den wenigen sicheren, aber arg überschätzten, Ergebnissen der ärztlichen Forschung über den Traum. Es hat sich aber an diese Ermittlung ein bisher unlösbares Rätsel geknüpft. Der Sinnesreiz, den der Experimentator auf den Schlafenden ein wirken läßt, erscheint im Traume nämlich nicht richtig er kannt, sondern unterliegt irgendeiner von unbestimmt vielen Deutungen, deren Determinierung der psychischen Will kür überlassen schien. Psychische Willkür gibt es natürlich nicht. Der Schlafende kann gegen einen Sinnenreiz von außen auf mehrfache Weise reagieren. Entweder er erwacht oder es gelingt ihm, den Schlaf trotzdem fortzusetzen. Im letzteren Falle kann er sich des Traumes bedienen, um den äußeren Reiz fortzuschaffen, und zwar wiederum auf mehr als eine Weise. Er kann zum Beispiel den Reiz aufheben, indem er eine Situation träumt, die mit ihm ganz und gar unverträglich ist. So benahm sich zum Beispiel ein Schläfer, den ein schmerz hafter Abszeß am Perineum stören wollte. Er träumte, daß er auf einem Pferd reite, benutzte dabei den Breiumschlag, der ihm den Schmerz lindern sollte, als Sattel und kam so über die Störung hinweg. Oder aber, was der häufigere Fall ist, der äußere Reiz erfährt eine Umdeutung, die ihn in den Zusammenhang eines eben auf seine Erfüllung lauernden ver drängten Wunsches einfügt, ihn so seiner Realität beraubt und wie ein Stück des psychischen Materials behandelt. So träumt jemand, er habe ein Lustspiel geschrieben, das eine bestimmte Grundidee verkörpert, es werde im Theater auf geführt, der erste Akt sei vorüber und finde rasenden Beifall. Es wird fürchterlich geklatscht . . . Es muß hier dem Träumer gelungen sein, seinen Schlaf über die Störung hinaus zu ver längern, denn als er erwachte, hörte er das Geräusch nicht mehr, urteilte aber mit gutem Recht, es müßte ein Teppich oder Betten geklopft worden sein. — Die Träume, die sich unmittelbar vor dem Wecken durch ein lautes Geräusch ein stellen, haben alle noch den Versuch gemacht, den erwarteten Weckreiz durch eine andere Erklärung abzuleugnen und den Schlaf noch um ein Weilchen zu verlängern. § 121XII
§ 122Wer an dem Gesichtspunkte der Zensur als dem Hauptmotiv der Traumentstellung festhält, der wird nicht befremdet sein, aus den Ergebnissen der Traumdeutung zu erfahren, daß die meisten Träume der Erwachsenen durch die Analyse auf erotische Wünsche zurückgeführt werden. Diese Behauptung zielt nicht auf die Träume von unverhüllt sexuellem Inhalt, die wohl allen Träumern aus eigenem Erleben bekannt sind und gewöhnlich allein als „sexuelle Träume“ beschrieben werden. Solche Träume bieten noch immer des Befremdenden genug durch die Auswahl der Personen, die sie zu Sexualobjekten machen, durch die Weg räumung aller Schranken, an denen der Träumer im wachen Leben seine geschlechtlichen Bedürfnisse haltmachen läßt, durch viele sonderbare an das sogenannt Perverse mahnende Einzelheiten. Die Analyse zeigt aber, daß sehr viele andere Träume, die in ihrem manifesten Inhalt nichts Erotisches erkennen lassen, durch die Deutungsarbeit als sexuelle Wunscherfüllungen entlarvt werden, und daß andrer seits sehr viele von der Denkarbeit des Wachens als „Tages reste“ erübrigte Gedanken zu ihrer Darstellung im Traum nur durch die Zuhilfenahme verdrängter erotischer Wünsche ge langen.
§ 123Zur Aufklärung dieses theoretisch nicht postulierten Sachinfantile Sexualität kennengelernt haben, sind wir berechtigt zu sagen, daß fast jeder Kulturmensch die infantile Gestaltung des Sexuallebens in irgendeinem Punkte festgehalten hat, und begreifen so, daß die verdrängten infantilen Sexualwünsche die häufigsten und stärksten Triebkräfte für die Bildung der Träume er geben.22
verhaltes sei darauf hingewiesen, daß keine andere Gruppe von Trieben eine so weitgehende Unterdrückung durch die Anforderung der Erziehung zur Kultur erfahren hat wie gerade die sexuellen, daß aber auch die sexuellen Triebe sich bei den meisten Menschen der Beherrschung durch die höchsten Seeleninstanzen am ehesten zu entziehen verstehen. Seitdem wir die in ihren Äußerungen oft so unscheinbare, regelmäßig übersehene und mißverstandene § 124Wenn es dem Traume, welcher erotische Wünsche zum AusSymbole des durch sie Dargestellten zu bezeichnen. Ein besonderes Interesse hat sich ihnen zugewendet, seitdem man bemerkt hat, daß die Träumer derselben Sprache sich der nämlichen Sym bole bedienen, ja, daß in einzelnen Fällen die Symbolgemein schaft über die Sprachgemeinschaft hinausreicht. Da die Träumer die Bedeutung der von ihnen verwendeten Symbole selbst nicht kennen, bleibt es zunächst rätselhaft, woher deren Beziehung zu dem durch sie Ersetzten und Bezeichneten rührt. Die Tatsache selbst ist aber unzweifelhaft und wird für die Technik der Traumdeutung bedeutsam, denn mit Hilfe einer Kenntnis der Traumsymbolik ist es möglich, den Sinn einzelner Elemente des Trauminhaltes, oder einzelner Stücke des Traumes, oder mitunter selbst ganzer Träume, zu verstehen, ohne den Träumer nach seinen Einfällen befragen zu müssen. Wir nähern uns so dem populären Ideal einer Traumüber setzung und greifen andrerseits auf die Deutungstechnik der alten Völker zurück, denen Traumdeutung mit Deutung durch Symbolik identisch war.
drucke bringt, gelingen kann, in seinem manifesten Inhalt harmlos asexuell zu erscheinen, so kann dies nur auf eine Weise möglich werden. Das Material von sexuellen Vorstel lungen darf nicht als solches dargestellt werden, sondern muß im Trauminhalt durch Andeutungen, Anspielungen und ähn liche Arten der indirekten Darstellung ersetzt werden, aber zum Unterschied von anderen Fällen indirekter Darstellung muß die im Traum verwendete der unmittelbaren Verständ lichkeit entzogen sein. Man hat sich gewöhnt, die Darstellungs mittel, welche diesen Bedingungen entsprechen, als 2) Vgl. hiezu des Verfassers „Drei Abhandlungen zur Sexual theorie“, 1905 [Ges. Schriften, Bd. V]. § 125Wiewohl die Studien über die Traumsymbole von einem
Abschluß noch weit entfernt sind, können wir doch eine Reihe von allgemeinen Behauptungen und von speziellen Angaben über dieselben mit Sicherheit vertreten. Es gibt Symbole, die fast allgemein eindeutig zu übersetzen sind, so bedeuten Kaiser und Kaiserin (König und Königin) die Eltern, Zimmer stellen Frauen(zimmer) dar, die Ein- und Ausgänge derselben die Körperöffnungen. Die größte Zahl der Traumsymbole dient zur Darstellung von Personen, Körperteilen und Verrich tungen, die mit erotischem Interesse betont sind, insbesondere können die Genitalien durch eine Anzahl von oft sehr über raschenden Symbolen dargestellt werden und finden sich die mannigfaltigsten Gegenstände zur symbolischen Bezeichnung der Genitalien verwendet. Wenn scharfe Waffen, lange und starre Objekte, wie Baumstämme und Stöcke, das männliche Genitale; Schränke, Schachteln, Wagen, Öfen den Frauenleib im Traume vertreten, so ist uns das Tertium comparationis, das Gemeinsame dieser Ersetzungen, ohne weiteres verständ lich, aber nicht bei allen Symbolen wird uns das Erfassen der verbindenden Beziehungen so leicht gemacht. Symbole wie das der Stiege und des Steigens für den Sexualverkehr, der Krawatte für das männliche Glied, des Holzes für den Frauen leib fordern unseren Unglauben heraus, solange wir nicht die Einsicht in die Symbolbeziehung auf anderen Wegen gewonnen haben. Eine ganze Anzahl der Traumsymbole ist übrigens bisexuell, kann je nach dem Zusammenhange auf das männliche oder auf das weibliche Genitale bezogen werden. § 126Es gibt Symbole von universeller Verbreitung, die man bei
allen Träumern eines Sprach- und Bildungskreises antrifft, und andere von höchst eingeschränktem, individuellem Vor kommen, die sich ein Einzelner aus seinem Vorstellungs material gebildet hat. Unter den ersteren unterscheidet man solche, deren Anspruch auf Vertretung des Sexuellen durch den Sprachgebrauch ohne weiteres gerechtfertigt wird (wie zum Beispiel die aus dem Ackerbau stammenden, vgl. Fort pflanzung, Samen), von anderen, deren Beziehung zum Sexuellen in die ältesten Zeiten und dunkelsten Tiefen unserer Begriffsbildung hinabzureichen scheint. Die symbol bildende Kraft ist für beide oben gesonderten Arten von Symbolen in der Gegenwart nicht erloschen. Man kann beob achten, daß neu erfundene Gegenstände (wie das Luftschiff) sofort zu universell gebräuchlichen Sexualsymbolen erhoben werden. § 127Es wäre übrigens irrtümlich zu erwarten, eine noch gründ
lichere Kenntnis der Traumsymbolik (der „Sprache des Traumes“) könnte uns von der Befragung des Träumers nach seinen Einfällen zum Traume unabhängig machen und uns gänzlich zur Technik der antiken Traumdeutung zurückführen. Abgesehen von den individuellen Symbolen und den Schwan kungen im Gebrauch der universellen, weiß man nie, ob ein Element des Trauminhaltes symbolisch oder im eigentlichen Sinne zu deuten ist, und weiß man mit Sicherheit, daß nicht aller Inhalt des Traumes symbolisch zu deuten ist. Die Kenntnis der Traumsymbolik wird uns immer nur die Über setzung einzelner Bestandteile des Trauminhaltes vermitteln und wird die Anwendung der früher gegebenen technischen Regeln nicht überflüssig machen. Sie wird aber als das wert vollste Hilfsmittel zur Deutung gerade dort eintreten, wo die Einfälle des Träumers versagen oder ungenügend werden. § 128Die Traumsymbolik erweist sich als unentbehrlich auch für33
das Verständnis der sogenannten „typischen“ Träume der Menschen und der „wiederkehrenden“ Träume des Einzelnen. Wenn die Würdigung der symbolischen Ausdrucksweise des Traumes in dieser kurzen Darstellung so unvollständig aus gefallen ist, so rechtfertigt sich diese Vernachlässigung durch den Hinweis auf eine Einsicht, die zu dem Wichtigsten gehört, was wir über diesen Gegenstand aussagen können. Die Traum symbolik führt weit über den Traum hinaus; sie gehört nicht dem Traume zu eigen an, sondern beherrscht in gleicher Weise die Darstellung in den Märchen, Mythen und Sagen, in den Witzen und im Folklore. Sie gestattet uns, die innigen Be ziehungen des Traumes zu diesen Produktionen zu verfolgen; wir müssen uns aber sagen, daß sie nicht von der Traumarbeit hergestellt wird, sondern eine Eigentümlichkeit — wahrschein lich unseres unbewußten Denkens ist, welches der Traumarbeit das Material zur Verdichtung, Verschiebung und Dramati sierung liefert. 3) Weiteres über die Traumsymbolik findet man außer in den alten Schriften zur Traumdeutung (Artemidorus von § 129XIII
§ 130Ich erhebe weder den Anspruch, hier auf alle Traumante: de SanctisI sogni, Torino 1899, verwiesen; wer die eingehendere Begründung der von mir vorgetragenen Auf fassung des Traumes sucht, der wende sich an meine Schrift: Die Traumdeutung, Leipzig und Wien 1900.44 Ich werde nur noch darauf hinweisen, in welcher Richtung die Fortsetzung meiner Darlegungen über die Traumarbeit zu verfolgen ist.
probleme Licht geworfen, noch die hier erörterten überzeugend erledigt zu haben. Wer sich für den ganzen Umfang der Traumliteratur interessiert, der sei auf das Buch von S§ 131Wenn ich als die Aufgabe einer Traumdeutung die Er
setzung des Traumes durch die latenten Traumgedanken, also die Auflösung dessen, was die Traumarbeit gesponnen hat, hinstelle, so werfe ich einerseits eine Reihe von neuen psycho logischen Problemen auf, die sich auf den Mechanismus dieser Traumarbeit selbst wie auf die Natur und die Bedingungen der sogenannten Verdrängung beziehen; andrerseits behaupte ich die Existenz der Traumgedanken, als eines sehr reich haltigen Materiales psychischer Bildungen von höchster Ord nung und mit allen Kennzeichen normaler intellektueller Leistung versehen, welches Material sich doch dem Bewußtsein entzieht, bis es ihm durch den Trauminhalt entstellte Kunde gegeben hat. Solche Gedanken bin ich genötigt, bei jedermann als vorhanden anzunehmen, da ja fast alle Menschen, auch die normalsten, des Träumens fähig sind. An das Unbewußte der Traumgedanken, an dessen Verhältnis zum Bewußtsein und zur Verdrängung knüpfen die weiteren, für die Psycho logie bedeutsamen Fragen an, deren Erledigung wohl auf zuschieben ist, bis die Analyse die Entstehung anderer psycho pathischer Bildungen, wie der hysterischen Symptome und der Zwangsideen, klargelegt hat. Daldis, Scherner, „Das Leben des „Traumes“, 1861) in der „Traumdeutung“ des Verfassers, in den mythologischen Arbeiten der psychoanalytischen Schule und auch in den Arbeiten von W. Stekel („Die Sprache des Traumes“, 1911). 4) 1930 in 8. Auflage erschienen [Ges. Schriften, Bd. II und III].