Typisches Beispiel eines verkappten Ödipustraumes (1900-001/1910)

Über das Werk

  • Herausgegeben von
  • Diercks, Christine
  • Rohrwasser, Michael
  • Konzept für die Edition und die Datenbank, Richtlinien, Quellenforschung, Signaturen, Referenzsystem
  • Diercks, Christine
  • Quellenforschung, Digitalisierung der Datenquellen, Bildbearbeitung, Faksimile-Ausgabe, Bibliografie
  • Blatow, Arkadi
  • Diplomatische Umschrift, Lektorat
  • Diercks, Christine
  • Huber, Christian
  • Kaufmann, Kira
  • Liepold, Sophie
  • Technische Umsetzung der Datenbank und der digitalen Instrumente
  • Roedelius, Julian
  • Datenexport aus Drupal und TEI Serialisierung
  • Andorfer, Peter
  • Stoxreiter, Daniel

Freud, Sigmund: Typisches Beispiel eines verkappten Ödipustraumes (1900-001/1910). In: Andorfer, Peter; Blatow, Arkadi; Diercks, Christine; Huber, Christian; Kaufmann, Kira; Liepold, Sophie; Roedelius, Julian; Rohrwasser, Michael; Stoxreiter, Daniel (2022): Sigmund Freud Edition: Digitale Historisch-Kritische Gesamtausgabe, Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage, Wien. [3.4.2023], file:/home/runner/work/frd-static/frd-static/data/editions/plain/sfe-1900-001__1910.xml
§ 1

44 Beispiele des Ver-mm puthogener Phantasien bei Neurotikeru.

§ 2

11 Vor länger als zehn Jahren, zu einer Zeit, da die Ergebnisse und Voraussetzungen der Psychoanalyse nur wenigen Personen vertraut waren, wurde mir von verlässlicher Seite folgender Vorfall berichtet Ein junges Mädchen, Tochter eines Arztes, war an Hysterie mit lokalen Symptomen erkrankt; der Vater verleuguete die Hysterie und liess verschiedene somatische Behandlungen einleiten, die wenig Nutzen brachten. Eine Freundin stellte einmal an die Kranke die Frage: Haben Sie denn noch nie daran gedacht, den Dr, F. zu Rate zu ziehen? Darauf antwortete die Kranke: Wozu sollte ich das tun? Ich weiss ja, er würde mich fragen: Haben Sie schon die Idee gehabt, mit Ihrem Vater geschlechtlich zu verkehren? % Ich halte es für überflüssig, ausdrücklich zu versichern, dass ich eine solche Fragestellung weder damals geübt habe noch heute übe. Man wird aber aufmerksam darauf, dass gerade vieles, was die Patienten als Äusserungen oder Handlungen der Ärzte erzählen, als Verrat ihrer eigenen pathogenen Phantasien verstanden werden darf.

§ 3

Dr, Sigm. Freud.

§ 4

IV.

§ 5

Typisches Beispiel eines verkappten Ödipustraumes.

§ 6

Ein Mann träumt: Er hat ein geheimes Verhältnis mit einer Dame, die ein anderer heiraten will. Er ist besorgt, dass dieser andere das Verhältnis entdecken könnte, so dass aus der Heirat nichts würde, und benimrnt sich darum sehr zärtlich gegen den Mann; er schmiegt sich an ihn an und küsst ihn. _

§ 7

Die Tatsachen im Leben des Träumers berühren den Inhalt dieses Traumes'nur in einem Punkte Er unterhält ein geheimes Verhältnis mit einer verheirateten Frau, und eine vieldeutige Äusserung ihres Mannes, mit dem er befreundet ist, hat den Verdacht bei ihm geweckt, dass dieser etwas gemerkt haben könnte. Aber in der Wirklichkeit spielt noch etwas anderes, dessen Erwähnung im Trauma vermieden wird, und das doch allein den Schlüssel zum Verständnis des Traumes gibt. Das Leben des Ehemannes ist durch ein organisches Leiden bedroht, Seine Frau ist auf die Möglichkeit seines plötzlichen Todes vorbereitet, und unser Träumer beschäftigt sich bewusst mit dem Vorsatze, nach dem Hinseheiden des Mannes die junge Witwe zur Frau zu nehmen. Durch diese äussere Situation findet sich der Träumer in die Konstellation des Ödipustraumes versetzt; sein Wunsch kann den Mann töten, um die Frau zum Weib zu gewinnen; sein Traum gibt diesem Wunsch in heuchlerischer Entstehung Ausdruck. Anstatt des Verheiratetseins mit dem anderen setzt er ein, dass ein anderer sie erst heiraten will, was seiner eigenen geheimen Absicht entspricht, und

§ 8

§ 9

z„ Difierenfinldingnuen orgnniseher und psychogener Erkruukunseu. 45

§ 10

die feindseligen Wünsche gegen den Mann verbergen sich hinter demon— strativen Zärtlichkeiten, die aus der Erinnerung an'seinen kindlichen Verkehr mit dem Vater stammen. Dr. Sigm. Freud.

§ 11

V,

§ 12

„Zur Dilferentialdiagnose organischer und psychogener Erkrankungen.“

§ 13

Von einem Kollegen wurde mit Herr N. B., als ein Fall von hysterischer Amnesie zur psychoanalytischen Behandlung überwiesen. N. B., ein Reisender, 32 Jahre alt, war in S. in seinem Hotel von den Be; diensteten bewusstlos am Boden seinen Zimmers aufgefunden werden. Man telegrephierte nach seiner Frau, die zwei Tage nach dem Anfall eintral'. Aus der Bewusstlosigkeit hatte sich Herr N. B. held erholt. Er war aber vollkommen descrientiert und sprach win. Er erkannte seine Gattin nicht. Erst nach zirka 10 Tagen wurde es ihm klar, dass seine Pfleger-in seine Frau war. Er kam dann nach Wien, Ich sah ihn zirka 4 Wochen nach dem Anfall. Es bestand vor dem Anfall und die erste Zeit nach dem Anfall vollkommene Amnesie. Die Diagnose einer Neurose war nicht schwer zu stellen. Es bestand eine deutliche Angsthysterie infolge längere Zeit fortgesetztern Coitus intemptus und psychischer Konflikte in der Ehe. Der Mann litt schon längere Zeit an nervösen Msgenschmerzen, gegen die selbst Morphiuxn vollkommen wirkungslos war. Es ist dies ein wichtiges Symptom bei psychogenen Schmerzen, Die gebräuchlichsten schmerzlindernden Mittel ver-sagen meistens oder wirken nur in grossen Dosen, wenn sie einen Rausch erzeugen. So ist der hysterisuhe Kopfschmerz durch Pyramiden, Antipyr'in usw. sehr selten zu beeinflussen.

§ 14

Nun erfahre ich, dass der Kranke von einem Magenspezialisten Atropi.n erhalten hatte. Dies Mittel wiirde ihm bestimmt helfen. Er hatte das Atropin während der ganzen Reise, auch am Tage des An— falls genommen. Dann erinnert er sich noch ganz genau. Von de. en setzt die Amnesie aus.

§ 15

Die Diagnose war nicht schwer: Es handelte sich um eine Atmpinvergiftung, die eine solche wochenlung dauernde Verwirrtheit, selbst schwere psychische Zustände henorzurufen vermag.

§ 16

Ich lehnte die Psychoanalyse ab; der beschriebene Zustand klang selber in einer Woche ab.

§ 17

Der zweite Fall ist noch wichtiger. Eine 34jährige, schon 12 Jahre verheiratete Deine wurde wegen „psychogener Depression” von einem Kollegen an mich gewiesen, um durch Psychoanalyse geheilt zu werden. Die Dame kein gerade aus einem Sanatorium, in das sie von einem

§ 18

§ 19

' iNs*rrrüwä“" _ or _ PSYCHO—ANI-(LYSIS

§ 20

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§ 21