Die sittliche Verantwortung für den Inhalt der Träume (1900-001/1925.4)

Über das Werk

  • Herausgegeben von
  • Diercks, Christine
  • Rohrwasser, Michael
  • Konzept für die Edition und die Datenbank, Richtlinien, Quellenforschung, Signaturen, Referenzsystem
  • Diercks, Christine
  • Quellenforschung, Digitalisierung der Datenquellen, Bildbearbeitung, Faksimile-Ausgabe, Bibliografie
  • Blatow, Arkadi
  • Diplomatische Umschrift, Lektorat
  • Diercks, Christine
  • Huber, Christian
  • Kaufmann, Kira
  • Liepold, Sophie
  • Technische Umsetzung der Datenbank und der digitalen Instrumente
  • Roedelius, Julian
  • Datenexport aus Drupal und TEI Serialisierung
  • Andorfer, Peter
  • Stoxreiter, Daniel

Freud, Sigmund: Die sittliche Verantwortung für den Inhalt der Träume (1900-001/1925.4). In: Andorfer, Peter; Blatow, Arkadi; Diercks, Christine; Huber, Christian; Kaufmann, Kira; Liepold, Sophie; Roedelius, Julian; Rohrwasser, Michael; Stoxreiter, Daniel (2022): Sigmund Freud Edition: Digitale Historisch-Kritische Gesamtausgabe, Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage, Wien. [3.4.2023], file:/home/runner/work/frd-static/frd-static/data/editions/plain/sfe-1900-001__1925.4.xml
§ 1

DIE SITTLICHE VERANTWORTUNG FÜR DEN INHALT DER TRÄUME

§ 2

Im einleitenden Abschnitt der „Traumdeutung“ („Die wissenschaftliche Literatur der Traumprobleme“) habe ich dargestellt, in welcher Weise die Autoren auf die peinlich empfundene Tatsache reagieren, daß der zügel.lose Inhalt der Träume so oft dem sittlichen Empfinden des Träumen widerspricht. (Ich vermeide absichtlich, von „kriminellen“ Träumen zu reden, denn ich halte diese über das psychologische Interesse hinausgreifende Bezeichnung für völlig } entbehrlich.) Aus der unsittlichen Natur der Träume hat sich begreiflicherweise ein neues Motiv ergeben, die psychische Wertung des Traumes zu verleugnen. Wenn der Traum ein sinnloses Produkt gestörter Seelentätigkeit ist, dann entfällt ja jeder Anlaß, für den anscheinenden Inhalt des Traumes eine Verantwortlichkeit zu übernehmen.

§ 3

Dies Problem der Verantwortlichkeit für den manifesten Trauminhalt ist durch die Aufklärungen der „Traumdeutung“ gründ— lich verschoben, ja eigentlich beseitigt werden.

§ 4

Wir wissen jetzt, der manifeste Inhalt ist ein Blendwerk, eine Fassade. Es lohnt sich nicht, ihn einer ethischen Prüfung zu unterziehen, seine Verstöße gegen die Moral ernster zu nehmen als die gegen Logik und Mathematik. Wenn vom „Inhalt“ des Traumes die Rede ist, kann man nur den Inhalt der vorbewußten Gedanken und den der verdrängten Wunschregung meinen, die

§ 5

5l=

§ 6

§ 7

68 Kkine Beiträge zur TraumZehy-e

§ 8

durch die Deutungsarbeit hinter der Traumfassade aufgedeckt werden. Immerhin hat auch diese unsittliche Fassade eine Frage an uns zu stellen. Wir haben doch gehört, daß die latenten Treumgedanken eine strenge Zensur zu bestehen haben, ehe ihnen die Aufnahme in den manifesten Inhalt gestattet wird. Wie kann es also geschehen, daß diese Zensur, die sonst Geringfügigeres beanständet, gegen die manifest unmoralischen Träume so vollkommen versagt?

§ 9

Die Antwo'r_t ist nicht nahe bei der Hand, wird vielleicht nicht ganz befriedigend ausfallen können. Man wird zunächst diese Träume der Deutung unterziehen und dann finden, daß einige von ihnen der Zensur keinen Anstoß geboten haben, weil sie im Grunde nichts Böses bedeuten. Es sind harmlose Prahlereien, Identifikationen, die eine Maske vortäuschen wollen; sie wurden nicht zensuriert,‘ weil sie nicht“ die Wahrheit sagten. Andere aber —— . es sei zugestanden: die größere Anzahl —— bedeuten wirklich, was sie ankündigen, sie haben keine Entstellung durch die Zensur erfahren. Sie sind der Ausdruck von unsittlichen, inzestuösen und perversen Regungen oder von niörderischen, sadistischen Gelüsten. Auf manche dieser Träume reagiert der Träumer mit angstvollem Erwachen; dann ist die Situation uns nicht mehr unklar. Die Zensur hat ihre Tätigkeit versäumt, es wird zu spät bemerkt, und die Angstentwicklung ist nun der Ersatz für die unterbliehene Entstellung. In noch anderen Fällen solcher Träume wird auch diese Affektäußerung vermißt. Der anstößige Inhalt wird von der im Schlaf erreichten Höhe der Sexualerregung getragen oder er genießt die Toleranz, die auch der Wachende für einen Wutanfall, eine Zornesstimmung, ein Schwelgen in grausamen Phantasien üben kann.

§ 10

Unser Interesse für die Genese dieser manifest unsittlichen Träume erleidet aber eine große Herabsetzung, wenn wir aus der Analyse erfahren, daß die Mehrzahl der Träume, —— harmlose, afféktlose und Angstträume, — wenn man die Entstellungen der

§ 11

§ 12

Die sittliche Verantwortung für den Inhalt der Träume 69

§ 13

Zensur rückgängig gemacht hat, sich als Erfüllungen unmorali— scher —— egoistischer, sadistischer, perverser, inzestuöser —— Wunschregungen enthüllen. Diese verkappten Verbrecher sind wie in der Welt des Wachlebens unvergleichlich häufiger als die mit offenem Visier. Der aufrichtige Traum vom sexuellen Verkehr mit der Mutter, dessen Jokaste im „König Ödipus“ gedenkt, ist eine Seltenheit gegen all die mannigfaltigen Träume, welche die Psychoanalyse in gleichem Sinne deuten muß.

§ 14

Ich habe über diesen Charakter der Träume, der ja das Motiv für die Traumentstellung abgibt, in diesem Buche so ausführlich gehandelt, daß ich nun rasch über den Sachverhalt hinweg zu dem uns vorliegenden Problem schreiten kann: Muß man die Verantwortlichkeit für den Inhalt seiner Träume übernehmen? Zur Vervollständigung sei nur hinzugefügt, daß der Traum nicht immer unsittliche Wunscherfüllungen bringt,“ sondern häufig auch energische Reaktionen dagegen in der Form von „Strafiräumen“. Mit anderen Worten, die Traumzensur kann sich nicht nur in Entstehungen und in Angstentwicklung äußern, sondern-siejmag sich so weit aufräfl'en, daß sie den unsittlichen Inhalt ganz aus— tilgt und ihn durcheinen anderen zur Sühne bestimmten ersetzt, an dem jener aber erkannt werden kann. Das Problem der Verantwortlichkeit für den unsittlichen Trauminhalt besteht aber nicht mehr für uns, wie einst für die Autoren, die nichts von latenten Traumgedanken und vom Verdrängten in unserem Seelenleben— wußten. Selbstverständlich muß man sich für seine bösen Traumregungen verantwortlich halten. Was will man sonst mit ihnen machen? Wenn der — richtig verstandene — Trauminhalt_ nicht die Eingebung fremder Geister ist, so ist er ein Stück von meinem Wesen. Wenn ich die in mir vorfindlichen Strebungen nach sozialen Maßstäben in gute und böse klassi— fizieren will, so muß ich für beide Arten die Verantwortlichkeit tragen, und wenn ich abwehrend sage, was unbekannt, unbewußt und verdrängt in mir ist, das ist nicht mein „I “, so stehe ich nicht

§ 15

§ 16

70 ' Kleine Beiträge zur Traumlehre

§ 17

auf dem Boden der Psychoanalyse, habe ihre Aufschlüsse nicht angenommen und kann durch die Kritik meiner Nebenmenschen, durch die Störungen meiner Handlungen und die Verwirrungen meiner Gefühle eines Besseren helehrt werden. Ich kann erfahren, daß dies von mir Verleugnete nicht nur in mir „ist“, sondern gelegentlich auch aus mir „wirkt“.

§ 18

Im metapsychologischen Sinne gehört dies böse Verdrängte allerdings nicht zu meinem „Ich“, —— wenn ich nämlich ein moralisch untedeliger Mensch sein sollte,—— sondern zu einem JLE£“, dem mein Ich aufsitzt. Aber dies Ich hat sich aus dem & entwickelt, es bildet eine biologische Einheit mit ihm, ist nur ein besonders modifizierter, peripherischer Anteil von ihm, unterliegt dessen Einflüssen, gehorcht den Anregungen, die von dem Es ausgehen. Es wäre ein aussichtsloses Beginnen für irgendeinen vitalen Zweck, das Ich vom Es zu trennen.

§ 19

Übrigens, wenn ich auch meinem moralischen Hochmut nach— gehen und dekretieren wollte, für alle sittlichen Wertungen darf ich das Böse im Es vernachlässigen und brauche mein Ich nicht dafür verantwortlich zu machen, was nützte es mir? Die Erfahrung zeigt mir, daß ich es doch tue, daß ich gezwungen bin, es irgendwie zu tun. Die Psychoanalyse hat uns einen krankhaften Zustand kennen gelehrt, die ZWangsneurose, in dem sich das arme Ich für allerlei böse Regungen schuldig fühlt, von denen es nichts weiß, die ihm zwar im Bewußtsein vorgehalten werden, zu denen es sich aber unmöglich bekennen kann. Ein wenig davon findet sich bei jedem Normalen. Sein „Gewissen“ ist merk— würdigerweise um so empfindlicher, je moralischer er ist. Man stelle sich dagegen vor, daß ein Mensch desto „anfälliger“ ist, umso , mehr an Infektionen und. Wirkungen von Traumen leidet, — ie gesünder er ist. Das kommt wohl daher, daß das Gewissen selbn eine Keaktionsbildung auf das Böse ist, das im Es verspürt wird. Je stärker dessen Unterdrückung, desto reger das Gewissen.

§ 20

§ 21

wfiermmm es demmwammmtm-kv" ‘

§ 22

aim fläfimmä䣑äe?é£= r

§ 23

f,' ,(man „, Mwitä£flf*zäW Ü!"m “ WÄb *!miW‘fil‘ilzi WM { WWW M—mewwämM Wfiflä & % Rxh$?. éä°Jélbiät”fß*dä’"ßeo “hr“«giftiäu‘üiü‘fi‘lifihfib‘i’fifiäfißfl‘ { uwe?’h„ & ':mmäffi‘0mi 1M- 9111 ;»guifi .ivlfi9fai% mfi1wde ‘r fléflzmwa( wwé'rb ramwadarn-Ma,n ' m;;bs Hdb“mu} ffi5'1Ä MZ" . 39W .MWWMa mm: äaiinwäß M)fmeif m näsmmmmw„mwncmaaaw 4—ramqmwfl‘mßWä‘gfl

§ 24

—fii'thmml ‘fänäßd'fläbfflm'lmn‘ ub‘m 1“ mb“; -‘ ' ‘ :"iéifiißéübaflf‘ffl;yfiY-äfé hm; Huhn-‘ ,:l.iuiahwi"iifnh'w;

§ 25

—_+(w „nnrmw W:: 'i,:‘

§ 26

mifln‘zfixi-iaähm " ‘ ‘

§ 27

’ B‘ aiéi‘fiflfusi'?‘ in-‘ih' :\'nt "!

§ 28

mw 53% saw,“ mm- M‘z„»wu « „„ g. " -nmw A7fw.umnrlefl“bdflw"Hamm!' :E "

§ 29

Eifi=i \iqfiiinm;*vfé$rtlaxemxuzäfmun r.-.t> "

§ 30

„ .' .-“iäeäufßuägéü _ 7%5 nt; M Mi“ 'i(?i‘ tlnfl’Mi'mü'

§ 31