Zur Psychopathologie des Alltagslebens (1901-002/1904)

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  • Diplomatische Umschrift, Lektorat
  • Diercks, Christine
  • Huber, Christian
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Freud, Sigmund: Zur Psychopathologie des Alltagslebens (1901-002/1904). In: Andorfer, Peter; Blatow, Arkadi; Diercks, Christine; Huber, Christian; Kaufmann, Kira; Liepold, Sophie; Roedelius, Julian; Rohrwasser, Michael; Stoxreiter, Daniel (2022): Sigmund Freud Edition: Digitale Historisch-Kritische Gesamtausgabe, Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage, Wien. [3.4.2023], file:/home/runner/work/frd-static/frd-static/data/editions/plain/sfe-1901-002__1904.xml
§ 1

Zur

§ 2

Psychopathologie des Alltagslebens

§ 3

(Über Vergessen, Versprechen,

§ 4

Vergreil‘en, Aberglaube und Irrtum)‘

§ 5

Von

§ 6

Prof. Dr. Sigm. Freud

§ 7

n. wm.

§ 8

Inn in dl: hun von loluhom Spuk lo voll, u... „lm-nd wlln, wl- .! ihr. „um. mu.

§ 9

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§ 10

BERLIN 1904 VERLAG von s. mean

§ 11

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§ 12

§ 13

I. Vergessen von Eigennamen.

§ 14

Im Jahrgange 1898 der Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie habe ich unter dem Titel „Zum psychischen Mechanismus der Vergeßlichkeit“ einen kleinen Aufsatz veröffentlicht, dessen Inhalt ich hier wiederholen und zum Ausgang für weitere Erörterungen nehmen werde. Ich habe dort den häufigen Fall des zeitweiligen Vergessens von Eigennamen an einem prägnanten Beispiel aus meiner Selbstbeobachtung der psychologischen Analyse unterzogen und bin zum Ergebnis gelangt, daß dieser gewöhnliche und praktisch nicht sehr bedeutsame Einzelvorfall von Versagen einer psychischen Funktion — des Erinnerns — eine Aufklärung zulässt, welche weit über die gebräuchliche Verwertung des Phänomens hinausführt.

§ 15

Wenn ich nicht sehr irre, würde ein Psycholog, von dem man die Erklärung forderte, wie es zugehe, daß einem so oft ein Name nicht einfällt, den man doch zu kennen glaubt, sich begnügen, zu antworten, dass Eigennamen dem Vergessen leichter unterliegen als andersartiger Gedächtnisinhalt. Er würde die plausibeln Gründe für solche Bevorzugung der Eigennamen anführen, eine anderweitige Bedingtheit des Vorganges aber nicht vermuten.

§ 16

Für mich wurde zum Anlass einer eingehenderen Beschäftigung mit dem Phänomen des zeitweiligen Namenvergessens die Beobachtung gewisser Einzelheiten, die sich zwar nicht in allen Fällen, aber in einzelnen deutlich genug erkennen lassen. In solchen Fällen wird nämlich nicht nur vergessen, sondern auch falsch erinnert. Dem sich um den entfallenen Namen Bemühenden kommen andere — Ersatznamen — zum Bewusstsein, die zwar sofort als unrichtig erkannt werden, sich aber doch mit grosser Zähigkeit immer wieder aufdrängen. Der Vorgang, der zur Reproduktion des gesuchten Namens führen soll, hat sich gleichsam verschoben und so zu einem unrichtigen Ersatz geführt. Meine Voraussetzung ist nun, dass diese Verschiebung nicht psychischer Willkür überlassen ist, sondern gesetzmässige und berechenbare Bahnen einhält. Mit anderen Worten, ich vermute, dass der oder die Ersatznamen in einem aufspürbaren Zusammenhang mit dem gesuchten Namen stehen, und hoffe, wenn es mir gelingt, diesen Zusammenhang nachzuweisen, dann auch Licht über den Hergang des Namenvergessens zu verbreiten.

§ 17

In dem 1898 von mir zur Analyse gewählten Beispiele war es der Name des Meisters, welcher im Dom von Orvieto die grossartigen Fresken von den »letzten Dingen« geschaffen, den zu erinnern ich mich vergebens bemühte. Anstatt des gesuchten Namens — Signorelli — drängten sich mir zwei andere Namen von Malern aufBotticelli und Boltraffio, die mein Urteil sofort und entschieden als unrichtig abwies. Als mir der richtige Name von fremder Seite mitgeteilt wurde, erkannte ich ihn sogleich und ohne Schwanken. Die Untersuchung, durch welche Einflüsse und auf welchen Assoziationswegen sich die Reproduktion in solcher Weise — von Signorelli auf Botticelli und Boltraffio — verschoben hatte, führte zu folgenden Ergebnissen:

§ 18

a) Der Grund für das Entfallen des Namens Signorelli ist weder in einer Besonderheit dieses Namens selbst noch in einem psychologischen Charakter des Zusammenhanges zu suchen, in welchen derselbe eingefügt war. Der vergessene Name war mir ebenso vertraut wie der eine der Ersatznamen — Botticelli — und ungleich vertrauter als der andere der Ersatznamen — Boltraffio —, von dessen Träger ich kaum etwas anderes anzugeben wüsste als seine Zugehörigkeit zur mailändischen Schule. Der Zusammenhang aber, in dem sich das Namenvergessen ereignete, erscheint mir harmlos und führt zu keiner weiteren Aufklärung: Ich machte mit einem Fremden eine Wagenfahrt von Ragusa in Dalmatien nach einer Station der Herzegowina; wir kamen auf das Reisen in Italien zu sprechen, und ich fragte meinen Reisegefährten, ob er schon in Orvieto gewesen und dort die berühmten Fresken des *** besichtigt habe.

§ 19

b) Das Namenvergessen erklärt sich erst, wenn ich mich an das in jener Unterhaltung unmittelbar vorhergehende Thema erinnere, und gibt sich als eine Störung des neu auftauchenden Themas durch das vorhergehende zu erkennen. Kurz, ehe ich an meinen Reisegefährten die Frage stellte, ob er schon in Orvieto gewesen, hatten wir uns über die Sitten der in Bosnien und in der Herzegowina lebenden Türken unterhalten. Ich hatte erzählt, was ich von einem unter diesen Leuten praktizierenden Kollegen gehört hatte, dass sie sich voll Vertrauen in den Arzt und voll Ergebung in das Schicksal zu zeigen pflegen. Wenn man ihnen ankündigen muss, dass es fürden Kranken keine Hilfe gibt, so antworten sie: »Herr, was ist da zu sagen? Ich weiss, wenn er zu retten wäre, hättest du ihn gerettet.« — Erst in diesen Sätzen finden sich die Worte und Namen: Bosnien, Herzegowina, Herr vor, welche sich in eine Assoziationsreihe zwischen Signorelli und BotticelliBoltraffio einschalten lassen.

§ 20

c) Ich nehme an, dass der Gedankenreihe von den Sitten der Türken in Bosnien etc. die Fähigkeit, einen nächsten Gedanken zu stören, darum zukam, weil ich ihr meine Aufmerksamkeit entzogen hatte, ehe sie noch zu Ende gebracht war. Ich erinnere nämlich, dass ich eine zweite Anekdote erzählen wollte, die nahe bei der ersten in meinem Gedächtnis ruhte. Diese Türken schätzen den Sexualgenuss über alles und verfallen bei sexuellen Störungen in eine Verzweiflung, welche seltsam gegen ihre Resignation bei Todesgefahr absticht. Einer der Patienten meines Kollegen hatte ihm einmal gesagt: »Du weisst ja, Herr, wenn das nicht mehr geht, dann hat das Leben keinen Wert.« Ich unterdrückte die Mitteilung dieses charakteristischen Zuges, weil ich das heikle Thema nicht im Gespräch mit einem Fremden berühren wollte. Ich tat aber noch mehr; ich lenkte meine Aufmerksamkeit auch von der Fortsetzung der Gedanken ab, die sich bei mir an das Thema »Tod und Sexualität« hätten knüpfen können. Ich stand damals unter der Nachwirkung einer Nachricht, die ich wenige Wochen vorher während eines kurzen Aufenthaltes in Trafoi erhalten hatte. Ein Patient, mit dem ich mir viele Mühe gegeben, hatte wegen einer unheilbaren sexuellen Störung seinem Leben ein Ende gemacht. Ich weiss bestimmt, dass mir auf jener Reise in die Herzegowina dieses traurige Ereignis und alles, was damit zusammenhängt, nicht zur bewussten Erinnerung kam. Aber die Übereinstimmung TrafoiBoltraffio nötigt mich anzunehmen, dass damals diese Reminiszenz trotz der absichtlichen Ablenkung meiner Aufmerksamkeit in mir zur Wirksamkeit gebracht worden ist.

§ 21

d) Ich kann das Vergessen des Namens Signorelli nicht mehr als ein zufälliges Ereignis auffassen. Ich muss den Einfluss eines Motivs bei diesem Vorgang anerkennen. Es waren Motive, die mich veranlassten, mich in der Mitteilung meiner Gedanken (über die Sitten der Bosnier etc.) zu unterbrechen, und die mich ferner beeinflussten, die daran sich knüpfenden Gedanken, die bis zur Nachricht in Trafoi geführt hätten, in mir vom Bewusstwerden auszuschliessen. Ich wollte also etwas vergessen, ich hatte etwas verdrängt. Ich wollte allerdings etwas anderes vergessen als den Namen des Meisters von Orvieto;aber dieses andere brachte es zustande, sich mit diesem Namen in assoziative Verbindung zu setzen, so dass mein Willensakt das Ziel verfehlte, und ich das eine wider Willen vergass, während ich das andere mit Absicht vergessen wollte. Die Abneigung, zu erinnern, richtete sich gegen den einen Inhalt; die Unfähigkeit, zu erinnern, trat an einem anderen hervor. Es wäre offenbar ein einfacherer Fall, wenn Abneigung und Unfähigkeit, zu erinnern, denselben Inhalt beträfen. — Die Ersatznamen erscheinen mir auch nicht mehr so völlig unberechtigt wie vor der Aufklärung; sie mahnen mich (nach Art eines Kompromisses) eben so sehr an das, was ich vergessen, wie an das, was ich erinnern wollte, und zeigen mir, dass meine Absicht, etwas zu vergessen, weder ganz gelungen noch ganz missglückt ist.

§ 22

e) Sehr auffällig ist die Art der Verknüpfung, die sich zwischen dem gesuchten Namen und dem verdrängten Thema (von Tod und Sexualität etc., in dem die Namen Bosnien, Herzegowina, Trafoi vorkommen) hergestellt hat. Das hier eingeschaltete, aus der Abhandlung des Jahres 1898 wiederholte Schema sucht diese Verknüpfung anschaulich darzustellen.

§ 23

Der Name Signorelli ist dabei in zwei Stücke zerlegt worden. Das eine Silbenpaar ist in einem der Ersatznamen unverändert wiedergekehrt (elli), das andere hat durch die Übersetzung SignorHerr mehrfache und verschiedenartige Beziehungen zu den im verdrängten Thema enthaltenen Namen gewonnen, ist aber dadurch für die Reproduktion verloren gegangen. Sein Ersatz hat so stattgefunden, als ob eine Verschiebung längs der Namenverbindung »Herzegowina und Bosnien« vorgenommen worden wäre, ohne Rücksicht auf den Sinnund auf die akustische Abgrenzung der Silben zu nehmen. Die Namen sind also bei diesem Vorgang ähnlich behandelt worden wie die Schriftbilder eines Satzes, der in ein Bilderrätsel (Rebus) umgewandelt werden soll. Von dem ganzen Hergang, der anstatt des Namens Signorelli auf solchen Wegen die Ersatznamen geschaffen hat, ist dem Bewusstsein keine Kunde gegeben worden. Eine Beziehung zwischen dem Thema, in dem der Name Signorelli vorkam, und dem zeitlich ihm vorangehenden verdrängten Thema, welche über diese Wiederkehr gleicher Silben (oder vielmehr Buchstabenfolgen) hinausginge, scheint zunächst nicht auffindbar zu sein.

§ 24

Es ist vielleicht nicht überflüssig, zu bemerken, dass die von den Psychologen angenommenen Bedingungen der Reproduktion und des Vergessens, die in gewissen Relationen und Dispositionen gesucht werden, durch die vorstehende Aufklärung einen Widerspruch nicht erfahren. Wir haben nur für gewisse Fälle zu all den längst anerkannten Momenten, die das Vergessen eines Namens bewirken können, noch ein Motiv hinzugefügt und überdies den Mechanismus des Fehlerinnerns klar gelegt. Jene Dispositionen sind auch für unseren Fall unentbehrlich, um die Möglichkeit zu schaffen, dass das verdrängte Element sich assoziativ des gesuchten Namens bemächtige und es mit sich in die Verdrängung nehme. Bei einem anderen Namen mit günstigeren Reproduktionsbedingungen wäre dies vielleicht nicht geschehen. Es ist ja wahrscheinlich, dass ein unterdrücktes Element allemal bestrebt ist, sich irgendwo anders zur Geltung zu bringen, diesen Erfolg aber nur dort erreicht, wo ihm geeignete Bedingungen entgegenkommen. Andere Male gelingt die Unterdrückung ohne Funktionsstörung, oder, wie wir mit Recht sagen können, ohne Symptome.

§ 25

Die Zusammenfassung der Bedingungen für das Vergessen eines Namens mit Fehlerinnern ergibt also: 1. eine gewisse Disposition zum Vergessen desselben, 2. einen kurz vorher abgelaufenen Unterdrückungsvorgang, 3. die Möglichkeit, eine äusserliche Assoziation zwischen dem betreffenden Namen und dem vorher unterdrückten Element herzustellen. Letztere Bedingung wird man wahrscheinlich nicht sehr hoch veranschlagen müssen, da bei den geringen Ansprüchen an die Assoziation eine solche in den allermeisten Fällen durchzusetzen sein dürfte. Eine andere und tiefer reichende Frage ist es, ob eine solche äusserliche Assoziation wirklich die genügende Bedingung dafür sein kann, dass das verdrängte Element die Reproduktion des gesuchten Namens störe, ob nicht doch notwendig ein intimerer Zusammenhangder beiden Themata erforderlich wird. Bei oberflächlicher Betrachtung würde man letztere Forderung abweisen wollen und das zeitliche Aneinanderstossen bei völlig disparatem Inhalt für genügend halten. Bei eingehender Untersuchung findet man aber immer häufiger, dass die beiden durch eine äusserliche Assoziation verknüpften Elemente (das verdrängte und das neue) ausserdem einen inhaltlichen Zusammenhang besitzen, und auch in dem Beispiel Signorelli lässt sich ein solcher erweisen.

§ 26

Der Wert der Einsicht, die wir bei der Analyse des Beispiels Signorelli gewonnen haben, hängt natürlich davon ab, ob wir diesen Fall für ein typisches oder für ein vereinzeltes Vorkommnis erklären müssen. Ich muss nun behaupten, dass das Namenvergessen mit Fehlerinnern ungemein häufig so zugeht, wie wir es im Falle: Signorelli aufgelöst haben. Fast allemal, da ich dies Phänomen bei mir selbst beobachten konnte, war ich auch imstande, es mir in der vorerwähnten Weise als durch Verdrängung motiviert zu erklären. Ich muss auch noch einen anderen Gesichtspunkt zu Gunsten der typischen Natur unserer Analyse geltend machen. Ich glaube, dass man nicht berechtigt ist, die Fälle von Namenvergessen mit Fehlerinnern prinzipiell von solchen zu trennen, in denen sich unrichtige Ersatznamen nicht eingestellt haben. Diese Ersatznamen kommen in einer Anzahl von Fällen spontan; in anderen Fällen, wo sie nicht spontan aufgetaucht sind, kann man sie durch Anstrengung der Aufmerksamkeit zum Auftauchen zwingen, und sie zeigen dann die nämlichen Beziehungen zum verdrängten Element und zum gesuchten Namen, wie wenn sie spontan gekommen wären. Für das Bewusstwerden der Ersatznamen scheinen zwei Momente massgebend zu sein, erstens die Bemühung der Aufmerksamkeit, zweitens eine innere Bedingung, die am psychischen Material haftet. Ich könnte letztere in der grösseren oder geringeren Leichtigkeit suchen, mit welcher sich die benötigte äusserliche Assoziation zwischen den beiden Elementen herstellt. Ein guter Teil der Fälle von Namenvergessen ohne Fehlerinnern schliesst sich so den Fällen mit Ersatznamenbildung an, für welche der Mechanismus des Beispieles: Signorelli gilt. Ich werde mich aber gewiss nicht der Behauptung erkühnen, dass alle Fälle von Namenvergessen in die nämliche Gruppe einzureihen seien. Es gibt ohne Zweifel Fälle von Namenvergessen, die weit einfacher zugehen. Wir werden den Sachverhalt wohl vorsichtig genug dargestellt haben, wenn wir aussprechen: Neben dem einfachen Vergessen von Eigennamen kommt auch ein Vergessen vor, welches durch Verdrängung motiviert ist.

§ 27

Il. Vergessen von fremdsprachigen Worten.

§ 28

Der gebräuchliche Sprachschatz unserer eigenen Sprache scheint innerhalb der Breite normaler Funktion gegen das Vergessen geschützt1)1). Anders steht es bekanntlich mit den Vokabeln einer fremden Sprache. Die Disposition zum Vergessen derselben ist für alle Redeteile vorhanden, und ein erster Grad von Funktionsstörung zeigt sich in der Ungleichmässigkeit unserer Verfügung über den fremden Sprachschatz,je nach unserem Allgemeinbefinden und dem Grade unserer Ermüdung. Dieses Vergessen geht in einer Reihe von Fällen nach demselben Mechanismus vor sich, den uns das Beispiel Signorelli enthüllt hat. Ich werde zum Beweise hierfür eine einzige, aber durch wertvolle Eigentümlichkeiten ausgezeichnete Analyse mitteilen, die den Fall des Vergessens eines nicht substantivischen Wortes aus einem lateinischen Zitat betrifft. Man gestatte mir, den kleinen Vorfall breit und anschaulich vorzutragen.Gerne, erwiderte ich und zitierte, wie es richtig lautet:

1) Ob die Häufigkeit der Anwendung allein diesen Schutz erklären kann, ist mir zweifelhaft. Ich habe wenigstens beobachtet, dass Vornamen, die doch nicht die beschränkte Zugehörigkeit der Eigennamen teilen, dem Vergessen ebenso leicht unterliegen, wie letztere. Eines Tages kam ein junger Mann in meine Ordination, jüngerer Bruder einer Patientin, den ich ungezählte Male gesehen hatte, und dessen Person ich mit dem Vornamen zu bezeichnen gewohnt war. Als ich dann von seinem Besuch erzählen wollte, hatte ich seinen, wie ich wusste, keineswegs ungewöhnlichen Vornamen vergessen und konnte ihn durch keine Hilfe zurückrufen. Ich ging dann auf die Strasse, um Firmenschilder zu lesen, und erkannte den Namen, sowie er mir das erste Mal entgegentrat. Die Analyse belehrte mich darüber, dass ich zwischen dem Besucher und meinem eigenen Bruder eine Parallele gezogen hatte, die in der verdrängten Frage gipfeln wollte: Hätte sich mein Bruder im gleichen Falle ähnlich gegen eine kranke Schwester benommen? Die äusserliche Verbindung zwischen den Gedanken über die fremde und über die eigene Familie war durch den Zufall ermöglicht worden, dass die Mütter hier und dort den gleichen Vornamen: Amalia tragen. Ich verstand dann auch nachträglich die Ersatznamen: Daniel und Franz, die sich mir aufgedrängt hatten, ohne mich aufzuklären. Es sind dies, wie auch Amalia, Namen aus den Räubern von Schiller, an welche sich ein Scherz des Wiener Spaziergängers Daniel Spitzer knüpft. — Ein unterdrückter Gedanke über die eigene Person oder die eigene Familie wird häufig zum Motiv des Namenvergessens, als ob man beständig Vergleiche zwischen sich selbst und den Fremden anstellte. Das seltsamste Beispiel dieser Art hat mir als eigenes Erlebnis ein Herr Lederer berichtet. Er traf auf seiner Hochzeitsreise in Venedig mit einem ihm oberflächlich bekannten Herrn zusammen, den er seiner jungen Frau vorstellen musste. Da er aber den Namen des Fremden vergessen hatte, half er sich das erste Mal mit einem unverständlichen Gemurmel. Als er dann dem Herrn, wie in Venedig unausweichlich, ein zweites Mal begegnete, nahm er ihn beiseite und bat ihn, ihm doch aus der Verlegenheit zu helfen, indem er ihm seinen Namen sage, den er leider vergessen habe. Die Antwort des Fremden zeugte von überlegener Menschenkenntnis: Ich glaube es gerne, dass Sie sich meinen Namen nicht gemerkt haben. Ich heisse wie Sie: Lederer! — Man kann sich einer leicht unangenehmen Empfindung nicht erwehren, wenn man seinen eigenen Namen bei einem Fremden wiederfindet. Ich verspürte sie unlängst recht deutlich, als sich mir in der ärztlichen Sprechstunde ein Herr S. Freud vorstellte. § 29

Im letzten Sommer erneuerte ich, — wiederum auf der Ferienreise — die Bekanntschaft eines jungen Mannes von akademischer Bildung, der, wie ich bald merkte, mit einigen meiner psychologischen Publikationen vertraut war. Wir waren im Gespräch — ich weiss nicht mehr wie — auf die soziale Lage des Volksstammes gekommen, dem wir beide angehören, und er, der Ehrgeizige, erging sich in Bedauern darüber, daß seine Generation, wie er sich äußerte, zur Verkümmerung bestimmt sei, ihre Talente nicht entwickeln und ihre Bedürfnisse nicht befriedigen könne. Er schloß seine leidenschaftlich bewegte Rede mit dem bekannten Vergilschen Vers, in dem die unglückliche Dido ihre Rache an Aeneas der Nachwelt überträgt: Exoriare . . . ., vielmehr er wollte so schließen, denn er brachte das Zitat nicht zustande und suchte eine offenkundige Lücke der Erinnerung durch Umstellung von Worten zu verdecken: Exoriar(e) ex nostris ossibus ultor! Endlich sagte er geärgert: „Bitte machen Sie nicht ein so spöttisches Gesicht, als ob Sie sich an meiner Verlegenheit weiden würden, und helfen Sie mir lieber. An dem Vers fehlt etwas. Wie heisst er eigentlich vollständig?“

" " § 30

„Zu dumm, ein solches Wort zu vergessen. Übrigens von Ihnen hört man ja, daß man nichts ohne Grund vergisst. Ich wäre doch zu neugierig, zu erfahren, wie ich zum Vergessen dieses unbestimmten Pronomen aliquis komme.“

§ 31

Ich nahm diese Herausforderung bereitwilligst an, da ich einen Beitrag zu meiner Sammlung erhoffte. Ich sagte also: Das können wir gleich haben. Ich muß Sie nur bitten, mir aufrichtig und kritiklos alles mitzuteilen, was Ihnen einfällt, wenn Sie ohne bestimmte Absicht Ihre Aufmerksamkeit auf das vergessene Wort richten.1)1)

1) Dies ist der allgemeine Weg, um Vorstellungselemente, die sich verbergen, dem Bewusstsein zuzuführen. Vgl. meine „Traumdeutung“, p. 69. § 32

„Gut, also da komme ich auf den lächerlichen Einfall, mir das Wort in folgender Art zu zerteilen: a und liquis.“

§ 33

Was soll das? — „Weiss ich nicht.“ — Was fällt Ihnen weiter dazu ein? — „Das setzt sich so fort: ReliquienLiquidation FlüssigkeitFluid. Wissen Sie jetzt schon etwas?“

§ 34

Nein, noch lange nicht. Aber fahren Sie fort.

§ 35

„Ich denke,“ fuhr er höhnisch lachend fort, „an Simon von Trient, dessen Reliquien ich vor zwei Jahren in einer Kirche in Trient gesehen habe. Ich denke an die Blutbeschuldigung, die gerade jetzt wieder gegen die Juden erhoben wird, und an die Schrift von Kleinpaul, der in all diesen angeblichen Opfern Inkarnationen, sozusagen Neuauflagen, des Heilands sieht.“

§ 36

Der Einfall ist nicht ganz ohne Zusammenhang mit dem Thema, über das wir unterhielten, ehe Ihnen das lateinische Wort entfiel.

§ 37

„Richtig. Ich denke ferner an einen Zeitungsartikel in einem italienischen Journal, den ich kürzlich gelesen. Ich glaube, er war überschrieben: Was der h. Augustinus über die Frauen sagt. Was machen Sie damit?“

§ 38

Ich warte.

§ 39

„Also jetzt kommt etwas, was ganz gewiss ausser Zusammenhang mit unserem Thema steht.“

§ 40

Enthalten Sie sich gefälligst jeder Kritik und —

§ 41

„Ich weiss schon. Ich erinnere mich eines prächtigen alten Herrn, den ich vorige Woche auf der Reise getroffen. Ein wahres Original. Er sieht aus wie ein grosser Raubvogel. Er heisst, wenn Sie es wissen wollen, Benedikt.“

§ 42

Doch wenigstens eine Aneinanderreihung von Heiligen und Kirchenvätern: Der heilige Simon, St. Augustinus, St. Benediktus. Ein Kirchenvater hiess, glaube ich, Origines. Drei dieser Namen sind übrigens auch Vornamen, wie Paul im Namen Kleinpaul.

§ 43

„Jetzt fällt mir der heilige Januarius ein und sein Blutwunder — ich finde, das geht mechanisch so weiter.“

§ 44

Lassen Sie das; der heilige Januarius und der heilige Augustinus haben beide mit dem Kalender zu tun. Wollen Sie mich nicht an das Blutwunder erinnern?

§ 45

„Das werden Sie doch kennen? In einer Kirche zu Neapel wird in einer Phiole das Blut des heiligen Januarius aufbewahrt, welches durch ein Wunder an einem bestimmten Festtage wieder flüssig wird. Das Volk hält viel auf dieses Wunder und wird sehr aufgeregt, wenn es sich verzögert, wie es einmal zur Zeit einer französischen Okkupation geschah. Da nahm der kommandierende General — oder irre ich mich? war es Garibaldi? — den geistlichen Herrn bei Seite und bedeutete ihm mit einer sehr verständlichen Geberde auf die draussen aufgestellten Soldaten, er hoffe, das Wunder werde sich sehr bald vollziehen. Und es vollzog sich wirklich . . .“

§ 46

Nun und weiter? Warum stocken Sie?

§ 47

„Jetzt ist mir allerdings etwas eingefallen . . . das ist aber zu intim für die Mitteilung . . Ich sehe übrigens keinen Zusammenhang und keine Nötigung, es zu erzählen.“

§ 48

Für den Zusammenhang würde ich sorgen. Ich kann Sie ja nicht zwingen, zu erzählen, was Ihnen unangenehm ist; dann verlangen Sie aber auch nicht von mir zu wissen, auf welchem Wege Sie jenes Wort „aliquis“ vergessen haben.

§ 49

„Wirklich? Glauben Sie? Also ich habe plötzlich an eine Dame gedacht, von der ich leicht eine Nachricht bekommen könnte, die uns beiden recht unangenehm wäre.“

§ 50

Dass ihr die Periode ausgeblieben ist?

§ 51

„Wie können Sie das erraten?“

§ 52

Das ist nicht mehr schwierig. Sie haben mich genügend darauf vorbereitet. Denken Sie an die Kalenderheiligen, an das Flüssigwerden des Blutes zu einem bestimmten Tage, den Aufruhr, wenn das Ereignis nicht eintritt, die deutliche Drohung, dass das Wunder vor sich gehen muss, sonst. . Sie haben ja das Wunder des heiligen Januarius zu einer prächtigen Anspielung auf die Periode der Frau verarbeitet.

§ 53

„Ohne dass ich es gewusst hätte. Und Sie meinen wirklich, wegen dieser ängstlichen Erwartung hätte ich das Wörtchen »aliquis« nicht reproduzieren können?“

§ 54

Das scheint mir unzweifelhaft. Erinnern Sie sich doch an Ihre Zerlegung in a—liquis und an die Assoziationen: Reliquien Liquidation, Flüssigkeit. Soll ich noch den als Kind hingeopferten heiligen Simon, auf den Sie von den Reliquien her kamen, in den Zusammenhang einflechten?

§ 55

„Tun Sie das lieber nicht. Ich hoffe, Sie nehmen diese Gedanken, wenn ich sie wirklich gehabt habe, nicht für Ernst. Ich will Ihnen dafür gestehen, dass die Dame eine Italienerin ist, in deren Gesellschaft ich auch Neapel besucht habe. Kann das aber nicht alles Zufall sein?“

§ 56

Ich muss es Ihrer eigenen Beurteilung überlassen, ob Sie sich alle diese Zusammenhänge durch die Annahme eines Zufalls aufklärenkönnen. Ich sage Ihnen aber, jeder ähnliche Fall, den Sie analysieren wollen, wird Sie auf ebenso merkwürdige „Zufälle“ führen.

§ 57

Ich habe mehrere Gründe, diese kleine Analyse, für deren Überlassung ich meinem damaligen Reisegenossen Dank schulde, zu schätzen. Erstens, weil mir in diesem Falle gestattet war, aus einer Quelle zu schöpfen, die mir sonst versagt ist. Ich bin zumeist genötigt, die Beispiele von psychischer Funktionsstörung im täglichen Leben, die ich hier zusammenstelle, meiner Selbstbeobachtung zu entnehmen. Das weit reichere Material, das mir meine neurotischen Patienten liefern, suche ich zu vermeiden, weil ich den Einwand fürchten muss, die betreffenden Phänomene seien eben Erfolge und Äusserungen der Neurose. Es hat also besonderen Wert für meine Zwecke, wenn sich eine nervengesunde fremde Person zum Objekt einer solchen Untersuchung erbietet. In anderer Hinsicht wird mir diese Analyse bedeutungsvoll, indem sie einen Fall von Wortvergessen ohne Ersatzerinnern beleuchtet und meinen vorhin aufgestellten Satz bestätigt, dass das Auftauchen oder Ausbleiben von unrichtigen Ersatzerinnerungen eine wesentliche Unterscheidung nicht begründen kann.1)1)

1) Feinere Beobachtung schränkt den Gegensatz zwischen der Analyse: Signorelli und der: aliquis betreffs der Ersatzerinnerungen um Einiges ein. Auch hier scheint nämlich das Vergessen von einer Ersatzbildung begleitet zu sein. Als ich an meinen Partner nachträglich die Frage stellte, ob ihm bei seinen Bemühungen, das fehlende Wort zu erinnern, nicht irgend etwas zum Ersatz eingefallen sei, berichtete er, dass er zunächst die Versuchung verspürt habe, ein ab in den Vers zu bringen: nostris ab ossibus (vielleicht das unverknüpfte Stück von a-liquis) und dann, dass sich ihm das Exoriare besonders deutlich und hartnäckig aufgedrängt habe. Als Skeptiker setzte er hinzu, offenbar weil es das erste Wort des Verses war. Als ich ihn bat, doch auf die Assoziationen von Exoriare aus zu achten, gab er mir Exorzismus an. Ich kann mir also sehr wohl denken, dass die Verstärkung von Exoriare in der Reproduktion eigentlich den Wert einer solchen Ersatzbildung hatte. Dieselbe wäre über die Assoziation: Exorzismus von den Namen der Heiligen her erfolgt. Indes sind dies Feinheiten, auf die man keinen Wert zu legen braucht. — Es erscheint nun aber wohl möglich, dass das Auftreten irgend einer Art von Ersatzerinnerung ein konstantes, vielleicht auch nur ein charakteristisches und verräterisches Zeichen des tendenziösen, durch Verdrängung motivierten Vergessens ist. Diese Ersatzbildung bestände auch dort, wo das Auftauchen unrichtiger Ersatzbildungen ausbleibt, in der Verstärkung eines Elementes, welches dem vergessenen benachbart ist. Im Beispiele: Signorelli war z. B., solange mir der Name des Malers unzugänglich blieb, die visuelle Erinnerung an den Zyklus von Fresken und an sein in der Ecke eines Bildes angebrachtes Selbstportrait überdeutlich, jedenfalls weit intensiver als visuelle Erinnerungsspuren sonst bei mir auftreten. In einem anderen Falle, der gleichfalls in der Abhandlung von 1898 mitgeteilt ist, hatte ich von der Adresse eines mir unbequemen Besuches in einer fremden Stadt den Straßennamen hoffnungslos vergessen, die Hausnummer aber wie zum Spott — überdeutlich gemerkt, während sonst das Erinnern von Zahlen mir die grösste Schwierigkeit bereitet. § 58

Der Hauptwert des Beispieles: aliquis ist aber in einem anderen seiner Unterschiede von dem Falle: Signorelli gelegen. Im letzteren Beispiel wird die Reproduktion des Namens gestört durch die Nachwirkung eines Gedankenganges, der kurz vorher begonnen und abgebrochen wurde, dessen Inhalt aber in keinem deutlichen Zusammenhang mit dem neuen Thema stand, in dem der Name Signorelli enthalten war. Zwischen dem verdrängten und dem Thema des vergessenen Namens bestand bloss die Beziehung der zeitlichen Kontiguität; dieselbe reichte hin, damit sich die beiden durch eine äusserliche Assoziation in Verbindung setzen konnten.1)1) Im Beispiele: aliquis hingegen ist von einem solchen unabhängigen verdrängten Thema, welches unmittelbar vorher das bewusste Denken beschäftigt hätte und nun als Störung nachklänge, nichts zu merken. Die Störung der Reproduktion erfolgt hier aus dem Inneren des angeschlagenen Themas heraus, indem sich unbewusst ein Widerspruch gegen die im Zitat dargestellte Wunschidee erhebt. Man muss sich den Hergang in folgender Art konstruieren: Der Redner hat bedauert, dass die gegenwärtige Generation seines Volkes in ihren Rechten verkürzt wird; eine neue Generation, weissagt er wie Dido, wird die Rache an den Bedrängern übernehmen. Er hat also den Wunsch nach Nachkommenschaft ausgesprochen. In diesem Momente fährt ihm ein widersprechender Gedanke dazwischen. »Wünschest du dir Nachkommenschaft wirklich so lebhaft? Das ist nicht wahr. In welche Verlegenheit kämest du, wenn du jetzt die Nachricht erhieltest, dass du von der einen Seite, die du kennst, Nachkommen zu erwarten hast? Nein, keine Nachkommenschaft, — wiewohl wir sie für die Rache brauchen.« Dieser Widerspruch bringt sich nun zur Geltung, indem er genau wie im Beispiel Signorelli eine äusserliche Assoziation zwischen einem seiner Vorstellungselemente und einem Elemente des beanstandeten Wunsches herstellt, und zwar diesmal auf eine höchst gewaltsame Weise durch einen gekünstelt erscheinenden Assoziationsumweg. Eine zweite wesentliche Übereinstimmung mit dem Beispiel Signorelli ergibt sich daraus, dass der Widerspruch aus verdrängten Quellen stammt und von Gedanken ausgeht, welche eine Abwendung der Aufmerksamkeit hervorrufen würden. — Soviel über die Verschiedenheit und über die innere Verwandtschaft der beiden Paradigmata des Namenvergessens. Wir haben einen zweiten Mechanismus des Vergessens kennen gelernt, die Störung eines Gedankens durch einen aus dem Verdrängten kommenden inneren Widerspruch. Wir werden diesen Vorgang, der uns als der leichter verständliche erscheint, im Laufe dieser Erörterungen noch wiederholt begegnen.

1) Ich möchte für das Fehlen eines inneren Zusammenhanges zwischen den beiden Gedankenkreisen im Falle Signorelli nicht mit voller Überzeugung einstehen. Bei sorgfältiger Verfolgung der verdrängten Gedanken über das Thema von Tod und Sexualleben stösst man doch auf eine Idee, die sich mit dem Thema des Cyclus von Orvieto nahe berührt. § 59

III. Über die Deckerinnerungen.

§ 60

In einer zweiten Abhandlung (1899 in der Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie veröffentlicht) habe ich die tendenziöse Natur unseres Erinnerns an unvermuteter Stelle nachweisen können. Ich bin von der auffälligen Tatsache ausgegangen, dass die frühesten Kindheitserinnerungen einer Person häufig bewahrt zu haben scheinen, was gleichgiltig und nebensächlich ist, während von wichtigen, eindrucksvollen und affektreichen Eindrücken dieser Zeit (häufig, gewiss nicht allgemein!) sich im Gedächtnis des Erwachsenen keine Spur vorfindet. Da es bekennt ist, dass das Gedächtnis unter den ihm dargebotenen Eindrücken eine Auswahl trifft, stände man hier vor der Annahme, dass diese Auswahl im Kindesalter nach ganz anderen Prinzipien vor sich geht, als zur Zeit der intellektuellen Reife. Eingehende Untersuchung weist aber nach, dass diese Annahme überflüssig ist. Die indifferenten Kindheitserinnerungen verdanken ihre Existenz einem Verschiebungsvorgang; sie sind der Ersatz in der Reproduktion für andere wirklich bedeutsame Eindrücke, deren Erinnerung sich durch psychische Analyse aus ihnen entwickeln lässt, deren direkte Reproduktion aber durch einen Widerstand gehindert ist. Da sie ihre Erhaltung nicht dem eigenen Inhalt, sondern einer assoziativen Beziehung ihres Inhaltes zu einem anderen, verdrängten, verdanken, haben sie auf den Namen »Deckerinnerungen«, mit welchem ich sie ausgezeichnet habe, begründeten Anspruch.

§ 61

Die Mannigfaltigkeiten in den Beziehungen und Bedeutungen der Deckerinnerungen habe ich in dem erwähnten Aufsatze nur gestreift, keineswegs erschöpft. An dem dort ausführlich analysierten Beispielliche Übereinstimmung mit dem Beispiel Signorelli ergibt sich daraus, dass der Widerspruch aus verdrängten Quellen stammt und von Gedanken ausgeht, welche eine Abwendung der Aufmerksamkeit hervorrufen würden. — Soviel über die Verschiedenheit und über die innere Verwandtschaft der beiden Paradigmata des Namenvergessens. Wir haben einen zweiten Mechanismus des Vergessens kennen gelernt, die Störung eines Gedankens durch einen aus dem Verdrängten kommenden inneren Widerspruch. Wir werden diesen Vorgang, der uns als der leichter verständliche erscheint, im Laufe dieser Erörterungen noch wiederholt begegnen.

§ 62

III. Über die Deckerinnerungen.

§ 63

In einer zweiten Abhandlung (1899 in der Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie veröffentlicht) habe ich die tendenziöse Natur unseres Erinnerns an unvermuteter Stelle nachweisen können. Ich bin von der auffälligen Tatsache ausgegangen, dass die frühesten Kindheitserinnerungen einer Person häufig bewahrt zu haben scheinen, was gleichgiltig und nebensächlich ist, während von wichtigen, eindrucksvollen und affektreichen Eindrücken dieser Zeit (häufig, gewiss nicht allgemein!) sich im Gedächtnis des Erwachsenen keine Spur vorfindet. Da es bekennt ist, dass das Gedächtnis unter den ihm dargebotenen Eindrücken eine Auswahl trifft, stände man hier vor der Annahme, dass diese Auswahl im Kindesalter nach ganz anderen Prinzipien vor sich geht, als zur Zeit der intellektuellen Reife. Eingehende Untersuchung weist aber nach, dass diese Annahme überflüssig ist. Die indifferenten Kindheitserinnerungen verdanken ihre Existenz einem Verschiebungsvorgang; sie sind der Ersatz in der Reproduktion für andere wirklich bedeutsame Eindrücke, deren Erinnerung sich durch psychische Analyse aus ihnen entwickeln lässt, deren direkte Reproduktion aber durch einen Widerstand gehindert ist. Da sie ihre Erhaltung nicht dem eigenen Inhalt, sondern einer assoziativen Beziehung ihres Inhaltes zu einem anderen, verdrängten, verdanken, haben sie auf den Namen »Deckerinnerungen«, mit welchem ich sie ausgezeichnet habe, begründeten Anspruch.

§ 64

Die Mannigfaltigkeiten in den Beziehungen und Bedeutungen der Deckerinnerungen habe ich in dem erwähnten Aufsatze nur gestreift, keineswegs erschöpft. An dem dort ausführlich analysierten Beispielhabe ich eine Besonderheit der zeitlichen Relation zwischen der Deckerinnerung und dem durch sie gedeckten Inhalt besonders hervorgehoben. Der Inhalt der Deckerinnerung gehörte dort nämlich einem der ersten Kinderjahre an, während die durch sie im Gedächtnis vertretenen Gedankenerlebnisse, die fast unbewusst geblieben waren, in späte Jahre des Betreffenden fielen. Ich nannte diese Art der Verschiebung eine rückgreifende oder rückläufige. Vielleicht noch häufiger begegnet man dem entgegengesetzten Verhältnis, dass ein indifferenter Eindruck der jüngsten Zeit sich als Deckerinnerung im Gedächtnis festsetzt, der diese Auszeichnung nur der Verknüpfung mit einem früheren Erlebnis verdankt, gegen dessen direkte Reproduktion sich Widerstände erheben. Dies wären vorgreifende oder vorgeschobene Deckerinnerungen. Das Wesentliche, was das Gedächtnis bekümmert, liegt hier der Zeit nach hinter der Deckerinnerung. Endlich wird der dritte noch mögliche Fall nicht vermisst, dass die Deckerinnerung nicht nur durch ihren Inhalt, sondern auch durch Kontiguität in der Zeit mit dem von ihr gedeckten Eindruck verknüpft ist, also die gleichzeitige oder anstossende Deckerinnerung.

§ 65

Ein wie grosser Teil unseres Gedächtnisschatzes in die Kategorie der Deckerinnerungen gehört, und welche Rolle bei verschiedenen neurotischen Denkvorgängen diesen zufällt, das sind Probleme, in deren Würdigung ich weder dort eingegangen bin, noch hier eintreten werde. Es kommt mir nur darauf an, die Gleichartigkeit zwischen dem Vergessen von Eigennamen mit Fehlerinnern und der Bildung der Deckerinnerungen hervorzuheben.

§ 66

Auf den ersten Anblick sind die Verschiedenheiten der beiden Phänomene weit auffälliger als ihre etwaigen Analogien. Dort handelt es sich um Eigennamen, hier um komplette Eindrücke, um entweder in der Realität oder in Gedanken Erlebtes; dort um ein manifestes Versagen der Erinnerungsfunktion, hier um eine Erinnerungsleistung, die uns befremdend erscheint; dort um eine momentane Störung — denn der eben vergessene Name kann vorher hundert Male richtig reproduziert worden sein und es von morgen an wieder werden —, hier um dauernden Besitz ohne Ausfall, denn die indifferenten Kindheitserinnerungen scheinen uns durch ein langes Stück unseres Lebens begleiten zu können. Das Rätsel scheint in diesen beiden Fällen ganz anders orientiert zu sein. Dort ist es das Vergessen, hier das Merken, was unsere wissenschaftliche Neugierde rege macht. Nach einiger Vertiefung merkt man, dass trotz der Verschiedenheit im psychischen Material und in der Zeitdauer der beiden Phänomene die Übereinstimmungen weit überwiegen. Es handelt sich hier wie dort um das Fehlgehen des Erinnerns; es wird nicht das vom Gedächtnis reproduziert, was korrekterweise reproduziert werden sollte, sondern etwas anderes zum Ersatz. Dem Falle des Namenvergessens fehlt nicht die Gedächtnisleistung in der Form der Ersatznamen. Der Fall der Deckerinnerungsbildung beruht auf dem Vergessen von anderen, wesentlichen Eindrücken. In beiden Fällen gibt uns eine intellektuelle Empfindung Kunde von der Einmengung einer Störung, nur jedesmal in anderer Form. Beim Namenvergessen wissen wir, dass die Ersatznamen falsch sind; bei den Deckerinnerungen verwundern wir uns, dass wir sie überhaupt besitzen. Wenn dann die psychologische Analyse nachweist, dass die Ersatzbildung in beiden Fällen auf die nämliche Weise durch Verschiebung längs einer oberflächlichen Assoziation zustande gekommen ist, so tragen gerade die Verschiedenheiten im Material, in der Zeitdauer und in der Zentrierung der beiden Phänomene dazu bei, unsere Erwartung zu steigern, dass wir etwas Wichtiges und Allgemeingiltiges aufgefunden haben. Diese Allgemeine würde lauten, dass das Versagen und Irregehen der reproduzierenden Funktion weit häufiger, als wir vermuten, auf die Einmengung eines parteiischen Faktors, einer Tendenz hinweist, welche die eine Erinnerung begünstigt, während sie einer anderen entgegenzuarbeiten bemüht ist.

§ 67

IV. Das Versprechen.

§ 68

Wenn das gebräuchliche Material unserer Rede in der Muttersprache gegen das Vergessen geschützt erscheint, so unterliegt dessen Anwendung um so häufiger einer anderen Störung, die als »Versprechen« bekannt ist. Das beim normalen Menschen beobachtete Versprechen macht den Eindruck der Vorstufe für die unter pathologischen Bedingungen auftretenden sogen. »Paraphasien«.

§ 69

Ich befinde mich hier in der ausnahmsweisen Lage, eine Vorarbeit würdigen zu können. Im Jahre 1895 haben Meringer und C. Mayer eine Studie über »Versprechen und Verlesen« publiziert, an deren Gesichtspunkte die meinigen nicht heranreichen. Der eine der Autoren, der im Texte das Wort führt, ist nämlich Sprachforscher und ist von linguistischen Interessen zur Untersuchung veranlasst worden, den Regeln nachzugehen, nach denen man sich verspricht. Er hoffte,stimmungen weit überwiegen. Es handelt sich hier wie dort um das Fehlgehen des Erinnerns; es wird nicht das vom Gedächtnis reproduziert, was korrekterweise reproduziert werden sollte, sondern etwas anderes zum Ersatz. Dem Falle des Namenvergessens fehlt nicht die Gedächtnisleistung in der Form der Ersatznamen. Der Fall der Deckerinnerungsbildung beruht auf dem Vergessen von anderen, wesentlichen Eindrücken. In beiden Fällen gibt uns eine intellektuelle Empfindung Kunde von der Einmengung einer Störung, nur jedesmal in anderer Form. Beim Namenvergessen wissen wir, dass die Ersatznamen falsch sind; bei den Deckerinnerungen verwundern wir uns, dass wir sie überhaupt besitzen. Wenn dann die psychologische Analyse nachweist, dass die Ersatzbildung in beiden Fällen auf die nämliche Weise durch Verschiebung längs einer oberflächlichen Assoziation zustande gekommen ist, so tragen gerade die Verschiedenheiten im Material, in der Zeitdauer und in der Zentrierung der beiden Phänomene dazu bei, unsere Erwartung zu steigern, dass wir etwas Wichtiges und Allgemeingiltiges aufgefunden haben. Diese Allgemeine würde lauten, dass das Versagen und Irregehen der reproduzierenden Funktion weit häufiger, als wir vermuten, auf die Einmengung eines parteiischen Faktors, einer Tendenz hinweist, welche die eine Erinnerung begünstigt, während sie einer anderen entgegenzuarbeiten bemüht ist.

§ 70

IV. Das Versprechen.

§ 71

Wenn das gebräuchliche Material unserer Rede in der Muttersprache gegen das Vergessen geschützt erscheint, so unterliegt dessen Anwendung um so häufiger einer anderen Störung, die als »Versprechen« bekannt ist. Das beim normalen Menschen beobachtete Versprechen macht den Eindruck der Vorstufe für die unter pathologischen Bedingungen auftretenden sogen. »Paraphasien«.

§ 72

Ich befinde mich hier in der ausnahmsweisen Lage, eine Vorarbeit würdigen zu können. Im Jahre 1895 haben Meringer und C. Mayer eine Studie über »Versprechen und Verlesen« publiziert, an deren Gesichtspunkte die meinigen nicht heranreichen. Der eine der Autoren, der im Texte das Wort führt, ist nämlich Sprachforscher und ist von linguistischen Interessen zur Untersuchung veranlasst worden, den Regeln nachzugehen, nach denen man sich verspricht. Er hoffte,

§ 73

18

§ 74

§ 75

Das Versprechen.

§ 76

§ 77

aus diesen Regeln auf das Vorhandensein eines gewissen geistigen

§ 78

Mechanismus schliessen zu können, in welchem die Laute eines

§ 79

Wortes, eines Satzes, und auch die Worte untereinander in ganz eigen

§ 80

tümlicher Weise verbunden und verknüpft sind (p. 10).

§ 81

§ 82

Die Autoren gruppieren die von ihnen gesammelten Beispiele des

§ 83

»Versprechense zunächst nach rein deskriptiven Gesichtspunkten als

§ 84

Vertauschungen (z. B. die Milo von Venus anstatt Venus von Milo),

§ 85

Vorklänge oder Antizipationen (z. B. es war mir auf der

§ 86

Schwest... auf der Brust so schwer). Nachklänge, Postpositionen.

§ 87

(z. B. Ich fordere Sie auf, auf das Wohl unseres Chefs aufzustossen“

§ 88

für anzastossen), Kontaminationen (z. B. ,,Er setzt sich auf den

§ 89

Hinterkopf" ans: Er setzt sich einen Kopf auf" und: Er stellt sich

§ 90

auf die Hinterbeine"), Substitutionen (z. B. Ich gebe die Präparate

§ 91

in den Briefkasten statt Brütkasten), zu welchen Hauptkatogorien noch

§ 92

einige minder wichtige (oder für unserere Zwecke minder bedeutsame)

§ 93

hinzugefügt werden. Es macht bei dieser Gruppierung keinen Unter

§ 94

schied, ob die Umstellung, Entstellung, Verschmelzung etc. einzelne

§ 95

Laute des Wortes. Silben oder ganze Worte des intendierten Satzes

§ 96

betrifft.

§ 97

§ 98

Zur Erklärung der beobachteten Arten des Versprechens stellt

§ 99

Meringer eine verschiedene psychische Wertigkeit der Sprachlante

§ 100

auf. Wenn wir den ersten Laut eines Wortes, das erste Wort eines

§ 101

Satzes innervieren, wendet sich bereits der Erregungsvorgang den

§ 102

späteren Lanten, den folgenden Worten zu, und soweit diese Innerva

§ 103

tionen mit einander gleichzeitig sind, können sie einander abändernd

§ 104

beeinflussen. Die Erregung des psychisch intensiveren Lautes klingt

§ 105

vor oder hallt nach und stört so den minderwertigen Innervations

§ 106

vorgang. Es handelt sich nun darum, zu bestimmen, welche die höchst

§ 107

wertigen Laute eines Wortes sind. Meringer meint: ,,Wenn man

§ 108

wissen will, welchem Laute eines Wortes die höchste Intensität zu

§ 109

kommt, so beobachte man sich beim Suchen nach einem vergessenen

§ 110

Wort, z. B. einem Namen. Was zuerst wieder ins Bewusstsein kommt,

§ 111

hatte jedenfalls die grösste Intensität vor dem Vergessen (p. 160). Die

§ 112

hochwertigen Laute sind also der Anlaut der Wurzelsilbe und der

§ 113

Wortanlaut und der oder die betonten Vokale" (p. 162).

§ 114

§ 115

Ich kann nicht umhin. hier einen Widerspruch zu erheben. Ob

§ 116

der Anlaut des Namens zu den höchstwertigen Elementen des Wortes

§ 117

gehöre oder nicht, es ist gewiss nicht richtig, dass er im Falle des

§ 118

Wortvergessens zuerst wieder ins Bewusstsein tritt; die obige Regel

§ 119

ist also unbrauchbar. Wenn man sich bei der Suche nach einem ver

§ 120

Das Versprechen.

§ 121

§ 122

19

§ 123

§ 124

gessenen Namen beobachtet, so wird man verhältnismässig häufig die

§ 125

Überzeugung äussern müssen, er fange mit einem bestimmten Buch

§ 126

staben an.

§ 127

Diese Überzeugung erweist sich nun ebenso oft als un

§ 128

begründet wie als begründet. Ja, ich möchte behaupten, man proklamiert

§ 129

in der Mehrzahl der Fälle einen falschen Anlaut. Auch in unserem

§ 130

Beispiel: Signorelli ist bei dem Ersatznamen der Anlaut und sind

§ 131

die wesentlichen Silben verloren gegangen; gerade das minderwertige

§ 132

Silbenpaar elli ist im Ersatznamen Botticelli dem Bewusstsein

§ 133

wiedergekehrt.

§ 134

§ 135

Wenn man der Vermutung Raum gibt, dass ein ähnlicher

§ 136

Mechanismus wie der fürs Namenvergessen nachgewiesene auch an den

§ 137

Erscheinungen des Versprechens Anteil haben könne, so wird man zu

§ 138

einer tiefer begründeten Beurteilung der Fälle von Versprechen geführt.

§ 139

Die Störung in der Rede, welche sich als Versprechen kundgibt, kann

§ 140

erstens verursacht sein durch den Einfluss eines anderen Bestandteils

§ 141

derselben Rede, also durch das Vorklingen oder Nachhallen, oder durch

§ 142

eine zweite Fassung innerhalb des Satzes oder des Zusammenhanges,

§ 143

den auszusprechen man intendiert hierher gehören alle oben

§ 144

Meringer und Mayer entlehnten Beispiele -; zweitens aber könnte

§ 145

die Störung analog dem Vorgang im Falle: Signorelli zustande

§ 146

kommen durch Einflüsse ausserhalb dieses Wortes, Satzes oder

§ 147

Zusammenhanges, von Elementen her, die auszusprechen man nicht

§ 148

intendiert, und von deren Erregung man erst durch eben die Störung

§ 149

Kenntnis erhält. In der Gleichzeitigkeit der Erregung läge das

§ 150

Gemeinsame, in der Stellung innerhalb oder ausserhalb desselben Satzes

§ 151

oder Zusammenhanges das Unterscheidende für die beiden Entstehungs

§ 152

arten des Versprechens. Der Unterschied erscheint zunächst nicht so

§ 153

gross, als er für gewisse Folgerungen aus der Symptomatologie des

§ 154

Versprechens in Betracht kommt. Es ist aber klar, dass man nur im

§ 155

ersteren Falle Aussicht hat, aus den Erscheinungen des Versprechens

§ 156

Schlüsse auf einen Mechanismus zu ziehen, der Laute und Worte

§ 157

zur gegenseitigen Beeinflussung ihrer Artikulation mit einander

§ 158

verknüpft, also Schlüsse, wie sie der Sprachforscher aus dem

§ 159

Studium des Versprechens zu gewinnen hoffte. Im Falle der Störung

§ 160

durch Einflüsse ausserhalb des nämlichen Satzes oder Redezusammen

§ 161

hanges würde es sich vor allem darum handeln, die störenden Elemente

§ 162

kennen zu lernen, und dann entstände die Frage, ob auch der Mecha

§ 163

nismus dieser Stärung die zu vermutenden Gesetze der Sprachbildung

§ 164

verraten kann.

§ 165

§ 166

Man darf nicht behaupten, dass Meringer und Mayer die

§ 167

20

§ 168

§ 169

Das Versprechen.

§ 170

§ 171

Möglichkeit der Sprechstörung durch kompliziertere psychische Ein

§ 172

flüsse, durch Elemente ausserhalb desselben Wortes. Satzes oder der

§ 173

selben Redefolge übersehen haben. Sie mussten ja bemerken, dass

§ 174

die Theorie der psychischen Ungleichwertigkeit der Laute strenge

§ 175

genommen nur für die Aufklärung der Lautstörungen, sowie der Vor

§ 176

und Nachklänge ausreicht. Wo sich die Wortstörungen nicht auf

§ 177

Lautstörungen reduzieren lassen, z. B. bei den Substitutionen und

§ 178

Kontaminationen von Worten, haben auch sie unbedenklich die Ur

§ 179

sache des Versprechens ausserhalb des intendierten Zusammenhanges

§ 180

gesucht und diesen Sachverhalt durch schöne Beispiele erwiesen. Ich

§ 181

zitiere folgende Stellen:

§ 182

§ 183

(p. 62.) Ru. erzählt von Vorgängen, die er in seinem Innern

§ 184

für Schweinereiens erklärt. Er sucht aber nach einer milden Form

§ 185

und beginnt: Dann aber sind Tatsachen zum Vorschwein ge

§ 186

kommen.. Mayer und ich waren anwesend und Ru. bestätigte.

§ 187

dass er Schweinereien gedacht hatte. Dass sich dieses gedachte

§ 188

Wort bei Vorschein verriet und plötzlich wirksam wurde, findet in

§ 189

der Ähnlichkeit der Wörter seine genügende Erklärung.

§ 190

§ 191

(p. 73.) >Auch bei den Substitutionen spielen wie bei den Kon

§ 192

taminationen und in wahrscheinlich viel höherem Grade die schwebenden

§ 193

oder vagierenden Sprachbilder eine grosse Rolle. Sie sind, wenn

§ 194

auch unter der Schwelle des Bewusstseins, so doch noch in wirksamer

§ 195

Nähe, können leicht durch eine Ähnlichkeit des zu sprechenden Kom

§ 196

plexes herangezogen werden und führen dann eine Entgleisung herbei

§ 197

oder kreuzen den Zug der Wörter. Die schwebenden oder va

§ 198

gierenden Sprachbilder sind, wie gesagt, oft die Nachzügler von kürz

§ 199

lich abgelaufenen Sprachprozessen (Nachklänge).<

§ 200

§ 201

(p. 97.) Eine Entgleisung ist auch durch Ähnlichkeit möglich.

§ 202

wenn ein anderes ähnliches Wort nahe unter der Bewusstseinsschwelle

§ 203

liegt, ohne dass es gesprochen zu werden bestimmt wäre. Das

§ 204

ist der Fall bei den Substitutionen. So hoffe ich, dass man beim

§ 205

Nachprüfen meine Regeln wird bestätigen müssen. Aber dazu ist not

§ 206

wendig, dass man (wenn ein anderer spricht) sich Klarheit darüber

§ 207

verschafft, an was Alles der Sprecher gedacht hat.) Hier

§ 208

ein lehrreicher Fall. Klassendirektor Li. sagte in unserer Gesellschaft:

§ 209

»Die Frau würde mir Furcht einlagen. Ich wurde stutzig, denn das

§ 210

I schien mir unerklärlich. Ich erlaubte mir, den Sprecher auf seinen

§ 211

Fehler seinlagen für seinjagen aufmerksam zu machen, worauf er

§ 212

§ 213

1) Von mir hervorgehoben

§ 214

Das Versprechen.

§ 215

§ 216

21

§ 217

§ 218

sofort antwortete: Ja, das kommt daher, weil ich dachte: ich wäre

§ 219

nicht in der Lage u. s. fe

§ 220

§ 221

,,Ein anderer Fall. Ich frage R. v. Schid., wie es seinem kranken Pfer

§ 222

de gehe. Er antwortet: Ja, das draut.. dauert vielleicht noch einen

§ 223

Monat. „Das ,,draut mit seinem r war mir unverständlich, denn das

§ 224

r von dauert konnte unmöglich so gewirkt haben. Ich machte also

§ 225

R. v. S. aufmerksam, worauf er erklärte, er habe gedacht, das ist eine

§ 226

traurige Geschichte." Der Sprecher hatte also zwei Antworten im

§ 227

Sinne und diese vermengten sich."

§ 228

§ 229

Es ist wohl unverkennbar, wie nahe die Rücksichtnahme auf die

§ 230

,,vagierenden Sprachbilder, die unter der Schwelle des Bewusstseins

§ 231

stehen und nicht zum Gesprochenwerden bestimmt sind, und die For

§ 232

derung, sich zu erkundigen, an was der Sprecher alles gedacht habe,

§ 233

an die Verhältnisse bei unseren Analysen" herankommen. Auch wir

§ 234

suchen unbewusstes Material, und zwar auf dem nämlichen Wege, nur

§ 235

dass wir von den Einfällen des Befragten bis zur Auffindung des

§ 236

störenden Elementes einen längeren Weg durch eine komplexe Asso

§ 237

ziationsreihe zurückzulegen haben.

§ 238

§ 239

Ich verweile noch bei einem anderen interessanten Verhalten, für

§ 240

das die Beispiele Meringers Zeugnis ablegen. Nach der Einsicht

§ 241

des Autors selbst ist es irgend eine Ahnlichkeit eines Wortes im inten

§ 242

dierten Satz mit einem anderen nicht intendierten, welche dem letzte

§ 243

ren gestattet, sich durch die Verursachung einer Entstellung, Misch

§ 244

bildung, Kompromissbildung (Kontamination) im Bewusstsein zur Geltung

§ 245

zu bringen.

§ 246

lagen, dauert, Vorschein.

§ 247

§ 248

jagen, traurig,... schwein.

§ 249

§ 250

Nun habe ich in meiner Schrift über die Traumdeutung") dar

§ 251

getan, welchen Anteil die Verdichtungsarbeit an der Entstehung

§ 252

des sog. manifesten Trauminhaltes aus den latenten Traumgedanken

§ 253

hat. Irgend eine Ähnlichkeit der Dinge oder der Wortvorstellungen

§ 254

zwischen zwei Elementen des unbewussten Materials wird da zum An

§ 255

lass genommen, um ein Drittes, eine Misch- oder Kompromissvorstellung

§ 256

zu schaffen, welche im Trauminhalt ihre beiden Komponenten vertritt.

§ 257

und die infolge dieses Ursprungs so häufig mit widersprechenden Einzel

§ 258

bestimmungen ausgestattet ist. Die Bildung von Substitutionen und

§ 259

Kontaminationen beim Versprechen ist somit ein Beginn jener Ver

§ 260

dichtungsarbeit, die wir in eifrigster Tätigkeit am Aufbau des Traumes

§ 261

beteiligt finden.

§ 262

§ 263

1) Die Traumdeutung. Leipzig und Wien, 1900.

§ 264

22

§ 265

§ 266

Das Versprechen.

§ 267

§ 268

In einem kleinen für weitere Kreise bestimmten Aufsatz (Neue

§ 269

freie Presse vom 23. Aug. 1900: ,,Wie man sich versprechen kann").

§ 270

hat Meringer eine besondere praktische Bedeutung für gewisse Fälle

§ 271

von Wortvertauschungen in Anspruch genommen, für solche nämlich,

§ 272

in denen man ein Wort durch sein Gegenteil dem Sinne nach ersetzt.

§ 273

>Man erinnert sich wohl noch der Art, wie vor einiger Zeit der Präsident

§ 274

des österreichischen Abgeordnetenhauses die Sitzung eröffnete: Hohes

§ 275

Haus! Ich konstatiere die Anwesenheit von so und soviel Herren

§ 276

und erkläre somit die Sitzung für geschlossen! Die allgemeine Heiter

§ 277

keit machte ihn erst aufmerksam, und er verbesserte den Fehler. Im

§ 278

vorliegenden Falle wird die Erklärung wohl diese sein, dass der Präsi

§ 279

dent sich wünschte, er wäre schon in der Lage, die Sitzung, von

§ 280

der wenig Gutes zu erwarten stand, zu schliessen, aber eine häufige

§ 281

Erscheinung der Nebengedanke setzte sich wenigstens teilweise durch.

§ 282

und das Resultat war geschlossen für eröffnet, also das Gegenteil

§ 283

dessen, was zu sprechen beabsichtigt war. Aber vielfältige Beobachtung

§ 284

hat mich belehrt, dass man gegensätzliche Worte überhaupt sehr häufig

§ 285

mit einander vertausclit; sie sind eben schon in unserem Sprachbe

§ 286

wusstsein assoziiert, liegen hart nebeneinander und werden leicht

§ 287

irrtümlich aufgerufen."

§ 288

§ 289

Nicht in allen Fällen von Gegensatzvertauschung wird es so

§ 290

leicht, wie hier im Beispiel des Präsidenten, wahrscheinlich zu machen.

§ 291

dass das Versprechen in Folge eines Widerspruchs geschieht, der sich

§ 292

im Innern des Redners gegen den geäusserten Satz erhebt. Wir haben

§ 293

den analogen Mechanismus in der Analyse des Beispiels: aliquis ge

§ 294

funden; dort äusserte sich der innere Widerspruch im Vergessen eines

§ 295

Wortes anstatt seiner Ersetzung durch das Gegenteil. Wir wollen

§ 296

aber zur Ausgleichung des Unterschiedes bemerken, dass das Wört

§ 297

chen aliquis eines ähnlichen Gegensatzes, wie ihn schliessen zu eröff

§ 298

nen ergibt, eigentlich nicht fähig ist, und das eröffnen als gebräuchlicher

§ 299

Bestandteil des Redeschatzes dem Vergessen nicht unterworfen sein kann.

§ 300

§ 301

Zeigen uns die letzten Beispiele von Meringer und Mayer.

§ 302

dass die Sprechstörung ebensowohl durch den Einfluss vor- und nach

§ 303

klingender Laute und Worte desselben Satzes enstehen kann, die zum

§ 304

Ausgesprochen werden bestimmt sind, wie durch die Einwirkung von

§ 305

Worten ausserhalb des intendierten Satzes, deren Erregung sich

§ 306

sonst nicht verraten hätte, so werden wir zunächst erfahren wollen,

§ 307

ob man die beiden Klassen von Versprechen scharf sondern und wie

§ 308

man ein Beispiel der einen von einem Fall der anderen Klasse unter

§ 309

scheiden kann. An dieser Stelle der Erörterung muss man aber der

§ 310

Das Versprechen.

§ 311

§ 312

23

§ 313

§ 314

Äusserungen Wundts gedenken, der in seiner eben erscheinenden

§ 315

umfassenden Bearbeitung der Entwicklungsgesetze der Sprache (Völker

§ 316

psychologie, I. Band, 1. Teil p. 371 u. ff., 1900) auch die Erschei

§ 317

nungen des Versprechens behandelt. Was bei diesen Erscheinungen und

§ 318

anderen, ihnen verwandten, niemals fehlt, das sind nach Wundt gewisse

§ 319

psychische Einflüsse. Dahin gehört zunächst als positive Bedingung der

§ 320

ungehemmte Fluss der von den gesprochenen Lauten angeregten Laut

§ 321

und Wortassoziationen. Ihm tritt der Wegfall oder der Nachlass der

§ 322

diesen Lauf hemmenden Wirkungen des Willens und der auch hier als

§ 323

Willensfunktion sich betätigenden Aufmerksamkeit als negatives Moment

§ 324

zur Seite. Ob jenes Spiel der Assoziation darin sich äussert, das ein

§ 325

kommender Laut antizipiert oder die vorausgegangenen reproduziert,

§ 326

oder ein gewohnheitsmässig eingeübter zwischen andere eingeschaltet.

§ 327

wird, oder endlich darin, dass ganz andere Worte, die mit den ge

§ 328

sprochenen Lauten in assoziativer Beziehung stehen, auf diese herüber

§ 329

wirken alles dies bezeichnet nur Unterschiede in der Richtung und

§ 330

allenfalls in dem Spielraum der stattfindenden Assoziationen, nicht in

§ 331

der allgemeinen Natur derselben. Auch kann es in manchen Fällen

§ 332

zweifelhaft sein, welcher Form man eine bestimmte Störung zuzurechnen,

§ 333

oder ob man sie nicht mit grösserem Rechte nach dem Prinzip der

§ 334

Komplikation der Ursachen) auf ein Zusammentreffen mehrerer

§ 335

Motive zurückzuführen habe." (p. 380 und 381.)

§ 336

§ 337

Ich halte diese Bemerkungen Wundts für vollberechtigt und

§ 338

sehr instruktiv. Vielleicht könnte man mit grösserer Entschiedenheit

§ 339

als Wundt betonen, dass das positiv begünstigende Moment der

§ 340

Sprechfehler der ungehemmte Fluss der Assoziationen und das

§ 341

negative der Nachlass der hemmenden Aufmerksamkeit - regel

§ 342

mässig miteinander zur Wirkung gelangen, so dass beide Momente nur

§ 343

zu verschiedenen Bestimmungen des nämlichen Vorganges werden. Mit

§ 344

dem Nachlass der hemmenden Aufmerksamkeit tritt eben der unge

§ 345

hemmte Fluss der Assoziationen in Tätigkeit; noch unzweifelhafter

§ 346

ausgedrückt: durch diesen Nachlass.

§ 347

§ 348

Unter den Beispielen von Versprechen, die ich selbst gesammelt,

§ 349

finde ich kaum eines, bei dem ich die Sprechstörung einzig und allein

§ 350

auf das, was Wundt Kontaktwirkung der Laute nennt, zurückführen

§ 351

müsste. Fast regelmässig entdecke ich überdies einen störenden Ein

§ 352

fluss von etwas ausserhalb der intendierten Rede, und das Störende

§ 353

ist entweder ein einzelner, unbewusst gebliebener Gedanke, der sich

§ 354

§ 355

¹) Von mir hervorgehoben.

§ 356

24

§ 357

§ 358

Das Versprechen.

§ 359

§ 360

durch das Versprechen kundgibt und oft erst durch eingehende Analyse

§ 361

zum Bewusstsein gefördert werden kann, oder es ist ein allgemeineres

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psychisches Motiv, welches sich gegen die ganze Rede richtet.

§ 363

Beispiel a): Ich will gegen meine Tochter, die beim Einbeissen

§ 364

§ 365

in einen Apfel ein garstiges Gesicht geschnitten hat, zitieren:

§ 366

§ 367

Der Affe gar possierlich ist,

§ 368

Zumal wenn er vom Apfel frisst.

§ 369

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Ich beginne aber: Der Apfe... Dies scheint eine Kontamination

§ 371

von Affe und Apfel (Kompromissbildung) oder kann auch als

§ 372

Antizipation des vorbereiteten Apfel aufgefasst werden. Der genauere

§ 373

Sachverhalt ist aber der: Ich hatte das Zitat schon einmal begonnen

§ 374

und mich das erstemal dabei nicht versprochen. Ich versprach mich

§ 375

erst bei der Wiederholung, die sich als notwendig ergab, weil die An

§ 376

gesprochene, von anderer Seite mit Beschlag belegt, nicht zuhörte.

§ 377

Diese Wiederholung, die mit ihr verbundene Ungeduld, des Satzes

§ 378

ledig zu werden, muss ich in die Motivierung des Sprechfehlers, der

§ 379

sich als eine Verdichtungsleistung darstellt, mit einrechnen.

§ 380

§ 381

b) Meine Tochter sagt: Ich schreibe der Frau Schresinger...

§ 382

Die Frau heisst Schlesinger. Dieser Sprechfehler hängt wohl mit

§ 383

einer Tendenz zur Erleichterung der Artikulation zusammen, denn das

§ 384

1 ist nach wiederholtem r schwer auszusprechen. Ich muss aber hinzu

§ 385

fügen, dass sich dieses Versprechen bei meiner Tochter ereignete,

§ 386

nachdem ich ihr wenige Minuten zuvor Apfe anstatt >Affe vorge

§ 387

sagt hatte. Nun ist das Versprechen in hohem Grade ansteckend.

§ 388

ähnlich wie das Namenvergessen, bei dem Meringer und Mayer

§ 389

diese Eigentümlichkeit bemerkt haben. Einen Grund für diese

§ 390

psychische Kontagiosität weiss ich nicht anzugeben.

§ 391

§ 392

e) Ich klappe zusammen wie ein Tassenmescher-Taschen

§ 393

messer", sagt eine Patientin zu Beginn der Stunde, die Laute ver

§ 394

tauschend, wobei ihr wieder die Artikulationsschwierigkeit (Wiener

§ 395

Weiber Wäscherinnen waschen weisse Wäsche - Fischflosse" und

§ 396

ähnliche Prüfworte) zur Entschuldigung dienen kann. Auf den Sprech

§ 397

fehler aufmerksam gemacht, erwidert sie prompt: Ja, das ist nur,

§ 398

weil Sie heute Ernscht gesagt haben. Ich hatte sie wirklich mit

§ 399

der Rede empfangen: „Heute wird es also Ernst" (weil es die letzte

§ 400

Stunde vor dem Urlaub werden sollte) und hatte das Ernst scherz

§ 401

haft zu Ernscht verbreitert. Im Laufe der Stunde verspricht sie

§ 402

sich immer wieder von neuem. und ich merke endlich, dass sie mich

§ 403

Das Versprechen.

§ 404

§ 405

25

§ 406

§ 407

nicht bloss imitiert, sondern dass sie einen besonderen Grund hat, im

§ 408

Unbewussten bei dem Worte Ernst als Namen zu verweilen. ¹)

§ 409

§ 410

d) ,,Ich bin so verschnupft, ich kann nicht durch die Ase nat

§ 411

Nase atmen passiert derselben Patientin ein anderes Mal.

§ 412

men

§ 413

Sie weiss sofort, wie sie zu diesem Sprechfehler kommt. Ich steige

§ 414

jeden Tag in der Hasenauergasse in die Tramway, und heute früh

§ 415

ist mir während des Wartens auf den Wagen eingefallen, wenn ich

§ 416

eine Französin wäre, würde ich Asenauer aussprechen, denn die

§ 417

Franzosen lassen das H im Anlaut immer weg.". Sie bringt dann

§ 418

eine Reihe vou Reminiszenzen an Franzosen, die sie kennen gelernt

§ 419

hat, und langt nach weitläufigen Umwegen bei der Erinnerung an,

§ 420

dass sie als 14jähriges Mädchen in dem kleinen Stück Kurmärker

§ 421

und Picarde die Picarde gespielt und damals gebrochen Deutsch ge

§ 422

sprochen hat. Die Zufälligkeit, dass in ihrem Logierhaus ein Gast

§ 423

aus Paris angekommen ist, hat die ganze Reihe von Erinnerungen

§ 424

wachgerufen. Die Lautvertauschung ist also Folge der Störung durch

§ 425

einen unbewussten Gedanken aus einem ganz fremden Zusammenhang.

§ 426

§ 427

e) Ähnlich ist der Mechanismus des Versprechens bei einer

§ 428

anderen Patientin, die mitten in der Reproduktion einer längst ver

§ 429

schollenen Kindererinnerung von ihrem Gedächtnis verlassen wird.

§ 430

An welche Körperstelle die vorwitzige und lüsterne Hand des Anderen

§ 431

gegriffen hat, will ihr das Gedächtnis nicht mitteilen. Sie macht un

§ 432

mittelbar darauf einen Besuch bei einer Freundin und unterhält sich

§ 433

mit ihr über Sommerwohnungen. Gefragt, wo denn ihr Häuschen

§ 434

in M. gelegen sei, antwortet sie: an der Berglende anstatt Berglehne.

§ 435

§ 436

f) Eine andere Patientin, die ich nach Abbruch der Stunde frage,

§ 437

wie es ihrem Onkel geht, antwortet: ,,Ich weiss nicht, ich sehe ihn

§ 438

jetzt nur in flagranti". Am nächsten Tage beginnt sie: Ich habe

§ 439

mich recht geschämt, Ihnen eine so dumme Antwort gegeben zu

§ 440

haben. Sie müssen mich natürlich für eine ganz ungebildete Person

§ 441

halten, die beständig Fremdwörter verwechselt. Ich wollte sagen: en

§ 442

passant." Wir wussten damals noch nicht, woher sie die unrichtig

§ 443

angewendeten Fremdworte genommen hatte.

§ 444

In derselben Sitzung

§ 445

§ 446

1) Sie stand nämlich, wie sich zeigte, unter dem Einfluss von unbewussten

§ 447

Gedanken über Schwangerschaft und Kinderverhütung. Mit den Worten: Au

§ 448

sammengeklappt wie ein Taschenmesser", welche sie

§ 449

als Klage vor

§ 450

brachte, wollte sie die Haltung des Kindes im Mutterleibe beschreiben.

§ 451

Das

§ 452

Wort Ernst in meiner Anrede hatte sie an den Namen (S. Ernst) der bekannten

§ 453

Wiener Firma in der Karthnerstrasse gemahnt, welche sich als Verkaufsstätte

§ 454

von Schutzmitteln gegen die Konzeption zu annoncieren pflegt.

§ 455

26

§ 456

§ 457

Dus Versprechen.

§ 458

§ 459

aber brachte sie als Fortsetzung des vortägigen Themas eine Remi

§ 460

miszenz, in welcher das Ertapptwerden in flagranti die Hauptrolle

§ 461

spielte. Der Sprechfehler am Tage vorher hatte also die damals noch

§ 462

nicht bewusst gewordene Erinnerung antizipiert.

§ 463

§ 464

g) Gegen eine Andere muss ich an einer gewissen Stelle der

§ 465

Analyse die Vermutung aussprechen, dass sie sich zu der Zeit, von

§ 466

welcher wir eben handeln, ihrer Familie geschämt und ihrem Vater

§ 467

einen uns noch unbekannten Vorwurf gemacht habe. Sie erinnert sich

§ 468

nicht daran, erklärt es übrigens für unwahrscheinlich. Sie setzt aber

§ 469

das Gespräch mit Bemerkungen über ihre Familie fort: Man muss

§ 470

ihnen das eine lassen: Es sind doch besondere Menschen, sie haben

§ 471

alle Geiz ich wollte sagen Geist. Das war denn auch wirklich

§ 472

der Vorwurt, den sie aus ihrem Gedächtnis verdrängt hatte. Dass

§ 473

sich in dem Versprechen gerade jeue Idee durchdrängt, die man

§ 474

zurückhalten will, ist ein häufiges Vorkommnis (Vgl. den Fall von

§ 475

Meringer: zum Vorschwein gekommen). Der Unterschied liegt nur darin,

§ 476

dass die Person bei Meringer etwas zurückhalten will, was ihr bewusst ist,

§ 477

während meine Patientin das Zurückgehaltene nicht weiss, oder wie man

§ 478

auch sagen kann, nicht weiss, dass sie etwas und was sie zurückhält.

§ 479

§ 480

h) ,,Wenn Sie Teppiche kaufen wollen, so gehen Sie nur zu

§ 481

Kaufmann in der Mathäusgasse. Ich glaube, ich kann Sie dort auch

§ 482

empfehlen", sagt mir eine Dame. Ich wiederhole: ,,Also bei Mathäus

§ 483

.... bei Kaufmann will ich sagen." Es sieht aus wie Folge von

§ 484

Zerstreutheit, wenn ich den einen Namen an Stelle des anderen wieder

§ 485

hole. Die Rede der Dame hat mich auch wirklich zerstreut gemacht,

§ 486

denn sie hat meine Aufmerksamkeit auf anderes gelenkt, was mir weit

§ 487

wichtiger ist als Teppiche. In der Mathäusgasse steht nämlich das

§ 488

Haus, in dem meine Frau, als Braut gewohnt hatte. Der Eingang

§ 489

des Hauses war in einer anderen Gasse, und nun merke ich, dass

§ 490

ich deren Namen vergessen habe und ihn mir erst auf einem Umweg

§ 491

bewusst machen muss. Der Name Mathäus, bei dem ich verweile, ist

§ 492

mir also ein Ersatzname für den vergessenen Namen der Strasse. Er

§ 493

eignet sich besser dazu als der Name Kaufmann, denn Mathäus ist

§ 494

ausschliesslich ein Personenname, was Kaufmann nicht ist, und die

§ 495

vergessene Strasse heisst auch nach einem Personennamen: Radetzky.

§ 496

§ 497

i) Folgenden Fall könnte ich ebenso gut bei den später zu

§ 498

besprechenden Irrtümern unterbringen, führe ihn aber hier an, weil

§ 499

die Lautbeziehungen, auf Grund deren die Wortersetzung erfolgt. ganz

§ 500

besonders deutlich sind. Eine Patientin erzählt mir ihren Traum: Ein

§ 501

Kind hat beschlossen, sich durch einen Schlangenbiss zu töten. Es

§ 502

Das Versprechen.

§ 503

§ 504

27

§ 505

§ 506

führt den Entschluss aus. Sie sieht zu, wie es sich in Krämpfen

§ 507

windet usw.

§ 508

Sie soll nun die Tagesanknüpfung für diesen Traum

§ 509

finden. Sie erinnert sofort, dass sie gestern abends eine populäre Vor

§ 510

lesung über erste Hilfe bei Schlangenbissen mit angehört. Wenn ein

§ 511

Erwachsener und ein Kind gleichzeitig gebissen worden sind, so soll

§ 512

man zuerst die Wunde des Kindes behandeln. Sie erinnert auch,

§ 513

welche Vorschriften für die Behandlung der Vortragende gegeben hat.

§ 514

Es käme sehr viel darauf an, hat er auch geänssert, von welcher Art.

§ 515

man gebissen worden ist. Hier unterbreche ich sie und frage: Hat er

§ 516

denn nicht gesagt, dass wir nur sehr wenig giftige Arten in unserer

§ 517

Gegend haben, und welche die gefürchteten sind? Ja, er hat die

§ 518

Klapperschlange hervorgehoben. Mein Lachen macht sie dann auf

§ 519

merksam, dass sie etwas Unrichtiges gesagt hat. Sie korrigiert jetzt

§ 520

aber nicht etwa den Namen, sondern sie nimmt ihre Aussage zurück.

§ 521

Ja so, die kommt ja bei uns nicht vor; er hat von der Viper gesprochen.

§ 522

Wie gerate ich nur auf die Klapperschlange?" Ich vermutete, durch

§ 523

die Einmengung der Gedanken, die sich hinter ihrem Traum ver

§ 524

borgen hatten. Der Selbstmord durch Schlangenbiss kann kaum etwas

§ 525

anderes sein als eine Anspielung auf die schöne Kleopatra. Die weit

§ 526

gehende Lautähmlichkeit der beiden Worte, die Übereinstimmung in

§ 527

den Buchstaben Kl. p..r in der nämlichen Reihenfolge und in

§ 528

dem betonten a sind nicht zu verkennen. Die gute Beziehung

§ 529

zwischen den Namen Klapperschlange und Kleopatra erzeugt bei

§ 530

ihr eine momentane Einschränkung des Urteils, derzufolge sie an der

§ 531

Behauptung, der Vortragende habe sein Publikum in Wien in der Be

§ 532

handlung von Klapperschlangenbissen unterwiesen. keinen Anstoss nimmt.

§ 533

Sie weiss sonst so gut wie ich, dass diese Schlange nicht zur Fauna

§ 534

unserer Heimat gehört. Wir wollen es ihr nicht verübeln, dass sie an

§ 535

die Versetzung der Klapperschlange nach Egypten ebensowenig Be

§ 536

denken knüpfte, denn wir sind gewöhnt, alles Aussereuropäische,

§ 537

Exotische zusammenzuwerfen, und ich selbst musste mich einen Moment

§ 538

besinnen, ehe ich die Behauptung aufstellte, dass die Klapperschlange

§ 539

nur der neuen Welt angehört.

§ 540

§ 541

Weitere Bestätigungen ergeben sich bei Fortsetzung der Analyse.

§ 542

Die Träumerin hat gestern zum erstenmal die in der Nähe ihrer

§ 543

Wohnung aufgestellte Antoniusgruppe von Strasser besichtigt. Dies

§ 544

war also der zweite Traumanlass (der erste der Vortrag über Schlangen

§ 545

bisse). In der Fortsetzung ihres Traumes wiegte sie ein Kind in ihren

§ 546

Armen, zu welcher Szene ihr das Gretchen einfällt. Weitere Einfülle

§ 547

bringen Reminiszenzen an Arria und Messalinac. Das Auftauchen

§ 548

28

§ 549

§ 550

Das Versprechen.

§ 551

§ 552

so vieler Namen von Theaterstücken in den Traumgedanken lässt be

§ 553

reits vermuten, dass bei der Träumerin in früheren Jahren eine ge

§ 554

heim gehaltene Schwärmerei für den Beruf der Schauspielerin bestand.

§ 555

Der Anfang des Traumes: „Ein Kind hat beschlossen, sein Leben

§ 556

durch einen Schlangenbiss zu enden", bedeutet wirklich nichts anderes

§ 557

als: Sie hat sich als Kind vorgenommen, einst eine berühmte Schau

§ 558

spielerin zu werden. Von dem Namen Messalina zweigt endlich

§ 559

der Gedankenweg ab, der zu dem wesentlichen Inhalt dieses Traumes

§ 560

führt. Gewisse Vorfälle der letzten Zeit haben in ihr die Besorgnis

§ 561

erweckt, dass ihr einziger Bruder eine nicht standesgemässe Ehe mit

§ 562

einer Nicht-Arierin, eine Mésalliance eingehen könnte.

§ 563

§ 564

Bei dem psychotherapeutischen Verfahren, dessen ich mich zur

§ 565

Auflösung und Beseitigung neurotischer Symptome bediene, ist sehr

§ 566

häufig die Aufgabe gestellt, ans den wie zufällig vorgebrachten Reden

§ 567

und Einfüllen des Patienten einen Gedankeninhalt aufzuspüren, der

§ 568

zwar sich zu verbergen bemüht ist, aber doch nicht umhin kann, sich

§ 569

in mannigfaltigster Weise unabsichtlich zu verraten. Dabei leistet oft

§ 570

das Versprechen die wertvollsten Dienste, wie ich an den überzeugend

§ 571

sten und andererseits sonderbarsten Beispielen dartun könnte. Die

§ 572

Patienten sprechen z. B. von ihrer Tante und nennen sie konsequent,

§ 573

ohne das Versprechen zu merken, meine Mutter, oder bezeichnen

§ 574

ihren Mann als ihren Bruder. Sie machen mich auf diese Weise

§ 575

aufmerksam, dass sie diese Personen miteinander identifiziert, in eine

§ 576

Reihe gebracht haben, welche für ihr Gefühlsleben die Wiederkehr

§ 577

desselben Typus bedeutet. Andere Male reicht eine ungewöhnlich

§ 578

klingende Wortfügung, eine gezwungen erscheinende Ausdrucksweise

§ 579

hin, um den Anteil eines verdrängten Gedankens an der anders

§ 580

motivierten Rede des Patienten aufzudecken.

§ 581

§ 582

In groben wie in solchen feineren Redestörungen, die sich eben

§ 583

noch dem Versprechen subsumieren lassen, finde ich also nicht den

§ 584

Einfluss von Kontaktwirkungen der Laute, sondern den von Gedanken

§ 585

ausserhalb der Redeintention massgebend für die Entstehung des Ver

§ 586

sprechens und hinreichend zur Aufhellung des zustande gekommenen

§ 587

Sprechfehlers. Die Gesetze, nach denen die Laute verändernd auf

§ 588

einander einwirken, möchte ich nicht anzweifeln; sie scheinen mir aber

§ 589

nicht wirksam genug, um für sich allein die korrekte Ausführung der

§ 590

Rede zu stüren. In den Fällen, die ich genauer studiert und durch

§ 591

schaut habe, stellen sie bloss den vorgebildeten Mechanismus dar,

§ 592

dessen sich ein ferner gelegenes psychisches Motiv bequemerweise be

§ 593

dient, ohne sich aber an den Machtbereich dieser Beziehungen zu

§ 594

Das Versprechen.

§ 595

§ 596

29

§ 597

§ 598

binden. In einer grossen Reihe von Substitutionen wird beim Ver

§ 599

sprechen von solchen Lautgesetzen völlig abgesehen. Ich befinde mich

§ 600

hierbei in voller Übereinstimmung mit Wundt, der gleichfalls die Be

§ 601

dingungen des Versprechens als zusammengesetzte und weit über die

§ 602

Kontaktwirkungen der Laute hinausgehende vermutet.

§ 603

§ 604

Wenn ich diese sentfernteren psychischen Einflüsse nach Wundts

§ 605

Ausdruck für gesichert halte, so weiss ich andererseits von keiner Ab

§ 606

haltung, um auch zuzugeben, dass bei beschleunigter Rede und einiger

§ 607

massen abgelenkter Aufmerksamkeit die Bedingungen fürs Versprechen

§ 608

sich leicht auf das von Meringer und Mayer bestimmte Mass ein

§ 609

schränken können. Bei einem Teil der von diesen Autoren ge

§ 610

sammelten Beispiele ist wohl eine kompliziertere Auflösung wahrschein

§ 611

licher. Ich greife etwa den vorhin angeführten Fall heraus:

§ 612

§ 613

Es war mir auf der Schwest ...

§ 614

§ 615

Brust so schwer.

§ 616

§ 617

Geht es hier wohl so einfach zu, dass das schwe das gleich

§ 618

wertige Bru als Vorklang verdrängt? Es ist kaum abzuweisen, dass

§ 619

die Laute schwe ausserdem durch eine besondere Relation zu dieser

§ 620

Vordringlichkeit befähigt werden. Diese könnte dann keine andere

§ 621

sein als die Assoziation: Schwester - Bruder, etwa noch:

§ 622

Brust der Schwester, die zu anderen Gedankenkreisen hinüber

§ 623

leitet. Dieser hinter der Szene unsichtbare Helfer verleiht dem sonst

§ 624

harmlosen schwe die Macht, deren Erfolg sich als Sprechfehler äussert.

§ 625

§ 626

Für anderes Versprechen lässt sich annehmen, dass der Anklang

§ 627

an obszöne Worte und Bedeutungen das eigentlich Störende ist. Die

§ 628

absichtliche Entstellung und Verzerrung der Worte und Redensarten.

§ 629

die bei unartigen Menschen so beliebt ist. bezweckt nichts anderes, als

§ 630

beim harmlosen Anlass an das Verpönte zu mahnen, und diese Spielerei

§ 631

ist so häufig, dass es nicht wunderbar wäre, wenn sie sich auch un

§ 632

absichtlich und wider Willen durchsetzen sollte. Beispiele wie:

§ 633

Eischeissweibchen für Eiweissscheibchen, Apopos Fritz für

§ 634

Apropos, Lokuskapitäl für Lotuskapitäl etc. vielleicht noch die

§ 635

Alabüisterbachse (Alabasterbüchse) der hil. Magdalena gehören wohl in

§ 636

diese Kategorie.¹) Ich fordere Sie auf, auf das Wohl unseres

§ 637

Chefs aufzustossen", ist kaum etwas anderes als eine unbeabsichtigte

§ 638

Parodie als Nachklang einer beabsichtigten. Wenn ich der Chef

§ 639

wäre, zu dessen Feierlichkeit der Festredner diesen Lapsus beigetragen

§ 640

§ 641

¹) Bei einer meiner Patientinnen setzte sich das Versprechen als Symp

§ 642

tom so lange fort, bis es auf den Kinderstreich, das Wort ruinieren durch

§ 643

urinieren zu ersetzen, zurückgeführt war.

§ 644

30

§ 645

§ 646

Das Versprechen.

§ 647

§ 648

hätte, würde ich wohl daran denken, wie klug die Römer gehandelt haben.

§ 649

als sie den Soldaten des triumphierenden Imperators gestatteten, den

§ 650

inneren Einspruch gegen den Gefeierten in Spottliedern laut zu äussern.

§ 651

Meringer erzählt von sich selbst, dass er zu einer Person, die

§ 652

als die älteste der Gesellschaft mit dem vertraulichen Ehrennamen

§ 653

>Senexle oder >altes Senexl angesprochen wurde, einmal gesagt habe:

§ 654

..Prost Senex altesl! Er erschrak selbst über diesen Fehler (p. 50).

§ 655

Wir können uns vielleicht seinen Affekt deuten, wenn wir daran

§ 656

mahnen, wie nahe Altesl an den Schimpf alter Esel kommt.

§ 657

Auf die Verletzung der Ehrfurcht vor dem Alter (d. i., auf die Kindheit

§ 658

reduziert, vor dem Vater) sind grosse innere Strafen gesetzt.

§ 659

§ 660

Ich hoffe, die Leser werden den Wertunterschied dieser Deutungen,

§ 661

die sich durch nichts beweisen lassen, und der Beispiele, die ich selbst

§ 662

gesammelt und durch Analysen erläutert habe, nicht vernachlässigen.

§ 663

Wenn ich aber im stillen immer noch an der Erwartung festhalte,

§ 664

auch die scheinbar einfachen Fälle von Versprechen würden sich auf

§ 665

Störung durch eine halb unterdrückte Idee ausserhalb des intendierten

§ 666

Zusammenhanges zurückführen lassen, so verlockt mich dazu eine sehr

§ 667

beachtenswerte Bemerkung von Meringer. Dieser Autor sagt, es ist

§ 668

merkwürdig, dass niemand sich versprochen haben will. Es gibt sehr

§ 669

gescheute und ehrliche Menschen, welche beleidigt sind, wenn man

§ 670

ihnen sagt, sie hätten sich versprochen. Ich getrane mich nicht, diese

§ 671

Behauptung so allgemein zu nehmen, wie sie durch das niemand<

§ 672

von Meringer hingestellt wird. Die Spur Affekt aber, die am Nach

§ 673

weis des Versprechens hängt und offenbar von der Natur des Schämens

§ 674

ist, hat ihre Bedeutung. Sie ist gleichzusetzen dem Ärger, wenn wir

§ 675

einen vergessenen Namen nicht erinnern, und der Verwunderung über

§ 676

die Haltbarkeit einer scheinbar belanglosen Erinnerung, und weist alle

§ 677

male auf die Beteiligung eines Motivs am Zustandekommen der

§ 678

Störung hin.

§ 679

§ 680

Das Verdrehen von Namen entspricht einer Schmähung, wenn

§ 681

es absichtlich geschieht, und dürfte in einer ganzen Reihe von Fällen,

§ 682

wo es als unabsichtliches Versprechen auftritt, dieselbe Bedeutung

§ 683

haben. Jene Person, die nach Mayers Bericht einmal Freuder

§ 684

sagte anstatt Freud, weil sie kurz darauf den Namen Breuer vor

§ 685

brachte (p. 38), ein andermal von einer Freuer-Breudschen Methode

§ 686

(p. 28) sprach, war wohl ein Fachgenosse und von dieser Methode

§ 687

nicht sonderlich entzückt. Einen gewiss nicht anders aufzuklärenden Fall

§ 688

von Namensentstellung werde ich weiter unten beim Verschreiben mit

§ 689

teilen. In diesen Fällen mengt sich als störendes Moment eine Kritik

§ 690

Das Versprechen.

§ 691

§ 692

31

§ 693

§ 694

ein. welche bei Seite gelassen werden soll, weil sie gerade in dem

§ 695

Zeitpunkte der Intention des Redners nicht entspricht. In anderen

§ 696

und weit bedeutsameren Fällen ist es Selbstkritik, innerer Widerspruch

§ 697

gegen die eigene Äusserung, was zum Versprechen, ja zum Ersatz des

§ 698

Intendierten durch seinen Gegensatz nötigt. Man merkt dann mit

§ 699

Erstaunen, wie der Wortlaut einer Beteuerung die Absicht derselben

§ 700

aufhebt, und wie der Sprechfehler die innere Unaufrichtigkeit bloss

§ 701

gelegt hat.) Das Versprechen wird hier zu einem mimischen Aus

§ 702

drucksmittel.

§ 703

§ 704

Man gelangt von hier aus zu jenen Redestörungen, die nicht

§ 705

mehr als Versprechen beschrieben werden, weil sie nicht das einzelne

§ 706

Wort, sondern Rhythmus und Ausführung der ganzen Rede beeinträch

§ 707

tigen, wie z. B. das Stammeln und Stottern der Verlegenheit. Aber

§ 708

hier wie dort ist es der innere Konflikt, der uns durch die Störung

§ 709

der Rede verraten wird. Ich glaube wirklich nicht, dass jemand sich

§ 710

versprechen würde in der Audienz bei Seiner Majestät, in einer ernst

§ 711

gemeinten Liebeswerbung, in einer Verteidigungsrede um Ehre und

§ 712

Namen vor den Geschworenen, kurz in all den Fällen, in denen man

§ 713

ganz dabei ist, wie wir so bezeichnend sagen. Selbst bis in die

§ 714

Schätzung des Stils, den ein Autor schreibt, dürfen wir und sind wir

§ 715

gewöhnt, das Erklärungsprinzip zu tragen, welches wir bei der Ableitung

§ 716

des einzelnen Sprechfehlers nicht entbehren können. Eine klare und

§ 717

unzweidentige Schreibweise belehrt uns, dass der Autor hier mit sich

§ 718

einig ist, und wo wir gezwungenen und gewundenen Ausdruck finden.

§ 719

der, wie so richtig gesagt wird, nach mehr als einem Scheine schielt,

§ 720

da können wir den Anteil eines nicht genugsam erledigten, kompli

§ 721

zierenden Gedankens erkennen. oder die erstickte Stimme der Selbst

§ 722

kritik des Autors heraushören.

§ 723

§ 724

V.

§ 725

§ 726

Verlesen und Verschreiben.

§ 727

§ 728

Dass für die Fehler im Lesen und Schreiben die nämlichen

§ 729

Gesichtspunkte und Bemerkungen Geltung haben, wie für die Sprech

§ 730

fehler, ist bei der inneren Verwandtschaft dieser Funktionen nicht zu

§ 731

verwundern. Ich werde mich hier darauf beschränken, einige sorgfältig

§ 732

§ 733

¹) Durch solches Versprechen brandmarkt z. B. Anzengruber im

§ 734

Gwissenswurm" den heuchlerischen Erbschleicher.

§ 735

Du Versprechen. 51

§ 736

ein. welche bei Seite gelassen werden soll, weil sie gerade in dem Zeitpunkte der Intention des Eminem nicht entspricht.. In endeten und weit. lrodeutsarneren Fällen ist es Sellstkritik. innerer Widerspruch gegen die eigene Ausserung, wns zum Versprechen, ja zum Ermtz (les Iritßndiertßn durch seinen Gegensatz niitigt. Man merkt dann -rnit Erstaunen, wie der \Vortleut einer Beteuerung die Absicht derselben nui‘hebt. nur] wie der Sprechfelrler die innere Unaul‘riclrtigkeit Mosegelegt hat.‘) Des Versprechen wird hier zu einem mimisclreu Ans— dmcksmittßl.

§ 737

Muri gelangt von hier aus zu jenen Rednetx'irungen, die nicht mehr als Versprechen beschriean werden, weil , nicht das einzelne Wort, sondern Rhythmus und Ausführung der ganzen Rede lweilrtriiehtigen, wie z. B. (ine Stmnmeln und Stutt.ern der Verlegcnhnit. Aber hier wie dort ist es der innere Konflikt, der uns durch die Störung der Rede verraten wird. Ich glaube wirklich nicht, dass jemand sich versprechen wiirde in der Amlionz bei Seiner Majestät, in einer ernstgerneintpn Liebcfiwerbnng, in einer Verteidigungmecln um Ehre und Namen vor den Geschworencn, kurz in nll den Fällen. in denen mit" ganz dabei ist, wie wir so hencichnenr] sagen. Selbst bis in die Schätzung des Stils, den ein Autor schreibt dürfen wir und sind wir gewöhnt. (las Erkli'u'urrgsprinlip zu tragen, welches wir bei der Ableitung (les eilr7elnen Sprechfehlers nicht enthehren können. Eine klare untl unzweidentige Schreibweise helehrt uns, dass der Autor hier mit. sich einig ist, und wo wir gezwungenon um] gewundenen Ausdruck finden. der, '0 so richtig gesagt wird, nnch mehr als chrom Scheine schielt, da können wir den Anteil einer nicht gmrugsam erledigten, komplizierenden Gedenkens erkennen. oder die emtickte Stimme der Selbstkntik des Anth hcmnshiimn.

§ 738

V. Verlesen und Verschreiben.

§ 739

Dnse für die Fehler im Lesen und Schreilmn dio. nämlicth Gesichtspunkte und Bemerkunan Geltung linken, wie fiir (lie Sprechfehler. ist bei der inneren Verwnndtschafl dieser Funktinnen nicht zu varwnndcrn. ich werde mich hier dnmut beschränken, einige sorgfältig

§ 740

') n..„n solches Verspn-chcn hmldmnrkt !. B. Anzrngrnber im .,G‘wiuenrwurm" der] hauehleriechun Erlrschleieher.

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§ 742

” v„1..„ und v.».„mm.

§ 743

mflylü'h Beispiele mitzuteilen. und keinen Versuch unternehmen, das Game deriEmeheinungen zu nmßssen.

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A. Verlesen.

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a) Ich durchblättere im Cn!éhs.ns eine Nummer tler »Leipziger Illustrierten«, die ich schräg vor mit halte, und lese sie Unterschrift eines sich über eine Seite emheekenden Bilda: Eine Hochzeitsfeiei‘ in der Odyssee. Anfmerksem geworden und verwundert rücke ich mir das Blatt zurecht und korrigiere jetzt: Eine Hochzeitst'eier im der Ostsee Wie komme ich zu diesem unsinnigen Lesetshler‘? Meine Gedanken lenken sich soiort ent' ein Buch von Rnths »Experimentaluntenuehungen über Musikphnntnme etc.cr, des mich in der leMen kit viel beschäftigt hat, weil es nahe an die von mir behandelten peyehnlogisnh‘en Probleme streifl. Der Autor velspricht fiir nächste Zeit ein Werk, welches ,Analyse und Gmndgssetze der Trenmph'fmomenw heißen wird. Kein Wunder, dass ich„ der ich eben eine »Tmumileutaugt veröfl‘entlivht habe, mit grömter Spannung diesem Buch entgegensehe. In der Schrifi Ruths über Mueikphäntnme fand ich vorne im Inhaltevemeidmie die Ankündigung des ausführlichen indnlrfiven Nachweism, dass die nlthellenieohen Mythen und Sagen ihre Hnuptwur/,eln in Sdilnnuner- und Musikphsntomen, in Treumphänomenen und auch in Delil:ian haben. Ich schlug damals sofort im Texte nach, um hereuezniinden, ob er aueh um die aniicld’iihrung der Szene, wie Odyss'eue vor Nensikee erscheint, auf den gemeinen Neektheitetreum wisse. Mich hette ein Freund auf die schöne Stelle in G. Kellers »Grtlneln Heinrich aufmerksam gemacht. welche diese Episode der Odyssee ein Objektivin der Träume des fern von der Heimat irrenden Schiffen aufkliixt, und ich hst;e die Beziehung zum Exhibitionstmum der Necktheit. hinzugefügt (p. 170). Bei Ruths entdeckte ich nichts davon. Mich besehättigen in diesem Falle efl'enhnr Prioritätzgedenken.

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b) Wie kann ich dem, eines Tages aus der Zeitung zu lesen: „Im Fass durch Europa, mehtt: zu Fuss ?“ Diese Auflösung l)('reitete mit lange Zeit Schwierigkeiten. Die nächsten Einfiille deuteten allerdings: Es müsse des Fuss des Diogenes gemeint sein, und in einer Kunstgeschichte hatte ich unlängst etwas über die Kunst zur Zeit Alennders gelesen. Es leg denn nahe, an die bekannte Rede Almmlörs zu denken: Wenn ich nicht Alexander wire. möchte ich Din@nes sein. Auch schwebte mir etwas von einem gewissen Her mann Zeitung vor, der in eine Kiste verpackt sich auf Reisen be

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Verleun und Ver-schreiben. 33

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gehen hatte. Aber weiter wollte sich der Zusammenhang nicht her-«' stellen, und es gelang mir nicht, die Seite in der Kunstgeschichte wieder nufzuschlngen, nnf welcher mir jene Bemerkung ins Auge ge— fallen war. Erst Manni» später fiel mir- das bei Seite gewutl'ene Rätsel plötzlich wieder ein. und diesmal zugleich mit seiner lösung. Ich erinnerte mich an die Bemerkung in einem Zeitungsartikel. was für sonder’hart- Arten der Beförderung die Leute jetzt wählten, um nach Paris zur Weltausstellung zu kommen, und dort war auch, wie ich glaube, scherzbsft mitgeteilt werden, dass irgend ein Herr die Absicht habe. sich von oinom nnderen Herrn in einem Fass nach Paris milenzu lassen. Natürlich hätten diese Leute kein anderes Motiv, als durch solche Torheiten Aufsehen zu innehen. Hermann Zeitung war in der Tnt der Nimm desjenigeu Mannes, der fiir solche aussergewi'ihnliche Beförderungen das erste Beispiel gegeben hatte. _Dzmn fiel mir ein. dass ich einmal einen Patienten behandelt, dessen krankhal'te Angst vor der Zeitung sich als Reaktion gegen den kmnkhafißn Ehrgeiz aufiiisto, sich gedruckt und als berühmt in der Zeitung nrwiihnt zu sehen. Der mamdonische Alexander war gewiss einer der ehrgeizigsten Männer. die je gelebt. Er klagte ja. dass er keinen Hemer finden werde, der seine Taten besinge, Aber wie konnte ich nur nicht daran denken, dass ein anderer-Alexander mir näher siehe, dass Alexnnder der Name meines jüngeren Bruders ist! Ich fand nun sninrt den ansiiissigen und der Verdrängung bedürftigen Gedanken in hetreff dieses Alexanders und die aktuelle Veranlassung für ihn. Mein Bruder ist Sadweiständigßr in Dingen. die Tarife und Transporte angehen. und sollte zu einer gewisssen Zeit für seine Lehrtätigkeit im einer kommerziellen Hochschule den Titel Professor erhalten. Fiir die gleiche Beförderung hin ich an der Universität seit mehreren Jahren vorgeschlagen. ohne sie erreicht zu haben. Unsere Mutter äusserte damals ihr Befrernden dariiber, dass ihr kleiner Sohn eher Professor werden sollte als ihr grosser. So stand es zur Zeit, als ich die lösung f |enen Leseintum nicht finden konnte. Dann erhoben sich Schwierigkeiten auch bei meinem Bruder; seine Chancen, Professor zu werden. fielen noch unter die meinigen. Dir aber wurde mir plötzlich der Sinn jenes Verlesens offenbar; es war, als hätte die Minderung in den Chancen des Bruders ein Hindernis beseitigt. Ich hatte mich so henommen, als löse ich die Ernennung des Enders in der Zeitung, und sagte mir dabei: Merkwürdig, dass man W8g8'n solcher Dnnnnheiien (wie er sie nis Beruf betreibt) in der Zeitung stehen ((I. h. zum Pmi'essnr ernannt werden) kmml Die Stelle nm. z.., Plyuhoplthnl:zliu lie! Alllugllehenl. n

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94 Veran und Ver-chrsiben.

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ubu- die hellenisfieehe Kunst im ZeitsIter Alexanders schlug ich dann ohne Mühe ml“ und überseugte mich zu meinem Eisbi,unen, des ich wihrend des vorherigen Simhens wiederholt auf derselben Seite gelesen und jedesmal wie unter der Herrscth einer negativen Hslluzinetion den heimfl'euden Satz übergengen hatte. Dieser enthielt übrigens gm" nidiis, was mir Aufklärung brachte, was des Vergessens wert gewesen wäre. Ich meine, das Symptom des Nichtsulfiudens im Buche ist nur zu meiner Irrefllhnmg geschaifen werden. Ich sollte die Fortsetzung der Gedsnheuverkniipfimg den. sunhen. wo meiner Nwhfnmchung ein Hindernis in den Weg gelegt war, also in irgend einer Idee über den muedonisohen Alexander, und sollte so vom gleiehnsmigen Bruder sicherer ebgelenlct werden. Dies gelang auch mllkommen; ich richtete alle meine Bemühungen dsrsuf, die verlorene Stelle in jener Kunstgeschichte wieder suimfinden.

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Der Doppelsinn des Wortes rBel'örderuug: ist in diesem Felle die Amneintionshtllcke zwischen den zwei Gedankenkreissn, (lem unwi0hiigen, der dumh die Zeihmgsneiiz angelegt wird und (ll‘m interessmterm, aber snstömigen, der sich hier sls Störung des zu Issendeu geltend machen darf. Men ereieht aus diesem Beispiel dass ae nicht immer leicht wird, Vorkommnisse wie diesen Ifleefehler aufzukllreu. Gelegentlich ist man auch genötigt, die Lösung das Rätsel! auf eine günstigere Zeit zu verschieben. Je schwieriger sich aber die Iösmgssrheit erweist, desh) sicherer darf man erwax1en, dass der endlich ßd'gedoddß störende Gednlke von unserem bewussten Denken als fiemdsrfig und gegensiflzlieh beurteilt werden wird.

§ 754

:=) Ich erhalte eines Tages einen Brief aus der Nähe Wiens, der mir eine Mütternde Nsuh.rieht mitteilt. Ich rufe auch sofort meine lü'nu un und indem sie zur Teilnehme dem: _eui', dass die. arme Wilhelm M. so schwer erkrankt und von den Ärzten aufgegeben ist. An den Worten, in welehe ich mein Bedsusru kleide, muss aber etwas lislsch geklungen haben, denn meine Frau wird missi1'nuisch, verlangt den Brief zu sehen und äusserl. als ihre Überzeugung, so könne es nicht drin stehen, denn niemand nenne eine I<‘mu nanh dem Namen des Mannes, und überdies sei der Korrespondaitiu der Vumsme der Frau sehr wohl hekan In); verteidige ineine Behauptung hartnäckig und verweise uf die so gebräuchlichen Visiiksrten, auf denen eine Fuu sich selbst mit demVorusmen des Mannes bezeichnet. Ich muss endlich den Brief zur Hand nehmen, und wir lesen darin tatsächlich der arme W. M.:, ja. enger, wss ich ganz übersehen hatte: »der arme Dr. W. M.:. Mein Versehen bedeutete also einen, sozussgen

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v„n„„ und Verschruibsn. 35

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krampfhnfißn, Versuch. die traurige Neuigkeit: von dem Marine auf die Frau zu überwälzen. Der zwischen Artikel, Bsiwort und Name eingoschnhono Titel passte schlecht zu der Fordenuig, es miisstß die Frau gameint sein. Darum wurde er auch beim Lesen beseitigt. Das Motiv dieser Verfiilschung war aber nicht, dass mir die Frau weniger sympathisch wäre als (ler Mann, sondern das Schicksal des {Ihnen Mannes ham1 meine Besorgnisse um eine andere, mir nahe stehende Person regP gemacht, welche eine der mir bekannten Krankheitsbedingungen! mit: diesem Falle gemeinsam hmm.

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B. Ver-schreiben.

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11) Auf einem Blattes. welches kurze tägliche Aufzeichnungen meist. von geschäftlichem Interesse enthält, finde ich zu meiner Überraschung mitten unter den richtigen Daten des Monats Selii'ßmlit’l' eingeschlossen dns verschriehsne Datum »Donnemt:ag den 20. Okt« Es ist nicht schwierig, diese Antizipstion au.izuklären, und zwar als Ausdruck eines \Vunsches. Ich bin wonige Tage vorher frisch von dar Ferienreise zurückgekehrt und fühle mich bereit fiir ausgiebige ärztliche Beschiifligung, aber die Anzahl der Patienten ist noch gering. Bei meiner Ankunfl fand ich einen Brief von einer Kranken vor, die sich fiir den 20. Oktober sinkilnrligte. Als ich die gleiche ngesznhl im qutember niedemhrieh. kann ich wohl gedacht haben: Die X. sollto doch schon da sein; wie schade um den vollen Monat! und in diesem Gedanken rückte ich das Datum vor. Der störende Gedanke ist in diesem Falle kaum ein mist,össiger zu nennen; dafiir weiss ich auch sofort die Auflösung des Schreibfehlers, nachdem ich ihn erst bomerkt habe.

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b) Ich erha.lhs die Korrektur meines Beitrags zum Jahresbericht für Neurologie und Psychiatrie und muss natürlich mit besonderer So'rgf'slt die Automnmen revitlieren, die, weil verschiedenen Nationen fingehörig. [lem Setzer the grössten Schwierigkeiten zu bereiten pflegen, Munchcn fremd klingenden Namen finde ich wirklich noch zu korrigieren, aber einen einzigen Namen hat merkwürdiger Weise der Setzer gegen moin Mnnnskript verbessert und zwar mit vollem Rechts. Ich hatte nämlich Buckrhartl geschrieben, woraus der Setzer Burcklmrd erriet. Ich hatte die Abhandlung eines Geburtsbelers über den Einfluss der Geburt auf die Entstehung der Kinderlähmungen selbst als vBrdienstlich gelobt. wüsste mich nichts gegen deren Autor zu sagen, aber den gleichen Namen wie er trägt auch ein Schriftsteller in Wien, der mich durch eine nln'erstiiluligr Kritik über meine »Tmunulentnng«

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as

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35 Van-„ und Venubreiben

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M W EB ilt M so, als hide idl mir beiderNiedm—schrifl du: Nun-n Burckhud, der den Gohnrtaheifer bezeichneie. etwas Amos über den en:helen B., den Schrifleheller, geilth denn Namen— wfllmhon bedenht häufig genug, wie ich schon beim Versprechen erwlhnt hehe, Selmihnng.')

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:=) Ein almheinend ernsterer Fall von Vom-hreiben, den ich vielleicht mit ebmeoviel Recht dem »Vergmifem dnordnen könnte: Ich hohe die Absicht, mit aus der Poetepukean die Summe von 300 Kronen kommen zu busen, die ich einem zum Knrgehreueh abwesendon Verwandten sohicken will. Ich bemerkt; dabei, dass mein Kante auf '4880 Kr. |ouhet und nehme mir vor, es jetzt auf die runde Summe von 4000 Kr. hernniuzusebaon, die in 'der nächsten Zeit nicht nngegdll’en wenden soll. Nachdem ich den Check ordnungsmäeeig unsgeeohriehen und die der Zahl (entsprechenden Ziffern eusgeechnitten habe, merke ich plötzlich, dass ich nieht 880 Kr., wie ich wollte, sondern gende 438 mm hehe, und amehroeke über die Umverläseigkeit meines Tone. Den Sdlloull erkenne ich bald als nnberechtigt; ich hin jl-ieMnicht inner werden, als ich vorher war. Aber ich muss eine genau Weile dflflhor nacheinan, welcher Einfluss hier meine este Iniention*geetölt int, ohne sieh meinem Bewumhein enzukiindigen. Ich gab! mmt_anftheWege, will die beiden Zahlen, 380 und 438. von einander abziehen, weis Aber dann nicht, was ich mit der Differenz lllßnßn wlL Endlich zeigt mir ein plälzlioher Einfnll den wahren Zuummenheng. BB enfipricht in zehn Prozent dee ganzen Konto ““ 4880 Kr.! 10 pCt. Rabatt. bei. man eher beim Buchhändler! Ich beeinne,midl, dass ich vor wenigen Tagen eine Anzahl medizinischer .Wu-ke, die ihr Intense für mich verloren haben. auiegeencbt, um sie (lem Bmhllimflergemde für 300 Kronen anzubieten. Ei- fand die Foldermg zu hoch und vmproeh, in den nächsten Tagen endgiltige Antwort zu sagen; Wenn er mein Angebot annime so hat er mir gerade die Summe ersetzt, welche ich für den Kranken veransgnhen soll. Es ist nicht zu verkennen, dass es mir um diese Ausgabe leid tut. Der Afi'ekt bei der Wahrnehmung meines Irrtums lässt sich iwsser vuehehen als Fnreht, durch solche Auegnbenarm zu werden. Aber

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!) Vgl. m. die Smile im Jun.. C.em III. !: flinln. Ehrlich. mein Nemo in am; Bürger. Reim ihn in er:-„m ..- in ein Versehworener, Cinnn. Ich bin am. der-Poetl Ich bin nicht an... der Venehwarene, ,jBl'itgu. n mt nicht.-; nein Nun. in cm.. „im ihm den Nennen „..; dem Her-en min-.; ihn 1mfm.

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Verlswn und Verlehreibon. 57

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beides. das Bedeuern wegen dieser Ausgabe mid die im sie geknüpfie Verar'nlungsangst, sind meinem Bewumtsein völlig fremd; ich habe das Beduuern nicht verspürt, als im jene Summe zusagte. und fände die Motivierung desselben lächerlich Ich wiirde mir eine solche Regung wahrscheinlich gar nicht zuhauen, wenn ich nicht durch die Übung in Psychosnslysen bei Patienten mit dem Verdränan im Seelenlehen ziemlich vertmut wäre, und wenn ich nicht vor einigen Tagen einen Traum gehabt hätte, welcher die nämliche Lösung erforderte.')

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Wundt gibt eine bemerkenswerte Begründung fiir die leicht zu bestätigende Tatsache, dass wir uns leichter verschraiben sis vereprechen (l. e p. 374). „Im Verhml'e der normalen Rede ist fortwährend die Hennnmigsiimlrtinn des Willens dehin gerichtet Vorstelhmgsverlenf und Aitikulntinnsbewegmig mit einander in Einklang zu bringen. Wird die den Vorstellungen folgende Ausdmoksbewegung durch mechanisehe Ursachen verlangsamt wie beim Schreiben , . . .. so treten daher solche Antizipe,tionen besonders leicht ein.“

§ 771

Die Beobaehtung der Bedingungen, unter denen das Ver-lesen aut'h'itt, giebt Anlass zu einem Zweifel, den ich nicht unerwiihnt lassen möchte, weil er naeh meiner Schätzung der Ausgangspunkt einer truchtbaren Untersuchung werden kann. Es ist jedermann bekannt. wie häufig beim Vorlesen die Aufmerksamkeit des Lesenden den Text verlässt und sich eigenen Gedanken zuwendel. Die Folge dimes Abschweifcns der Aufmerksamkeit ist nicht selten, dass er überhaupt nicht anzugeben weiss, was er gelesen hat, wenn man ihn im Vorlesen unterbricht und befragt Er hat dann wie mitnmniisch gelesen, aber er hat fast immer richtig vurgelesen. Ich glaube nicht, dass die Lesefehler sich unter solchen Bedingungen merkliah vermehren. Van einer ganäen Reihe von Funktionen sind wir auch gewöhnt, anzunehmen, dass sie uutnmntisch, also von kaum bewusster Aufmerksemkeit be— gleitet, um exaktesten vollmgen werden. Daraus scheint zu folgen, dass die Aufmerksamkeitsbeding'uug der Spreeh-, lese- und Schreibfehler anders zu bestimmen ist. als sie bei Wundt lautet (Wegfell oder N u.r'l.llass der Aufmerksamkeit). Die Beispiele, die wir der Analyse unterzogen haben, geben mis eigentlich nicht das Recht, eine quantitative Verminderung der Aufmerksamkeit anzunehmen; wir Emden, was vielleicht nicht ganz dasselbe ist, eine Störung der Aufinerlrsemkeit durch einen fiurnden, Anspruch erhebenden Gedanken.

§ 772

‘) Es int dies jener Traun, den ich in einer kurzen Abhnndlung, „Uber den ihm", No. vm der „Gr-enzfirlgen den Nerven- und Seelenlebens", her-uegegeben von Löwenfeld und Kurs": 1901, zum Pnndigmn genommen liebe.

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§ 774

38 Verguleu von Eindrücken und. Vox-sitzen.

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VI. , Yer$enen von Eindrücken und Vorsätzen,

§ 776

Wenn jemand geneigt sein sollte, den Stand unserer gegenwärtigen Keunlmis vom Saelenleben zu übexecbä'zen, so brauche man ihn nur an die Gedächtnisfnnkfion zu mehnen, um ihn zur Bescheidenheit zu zwingen. Keine psychologische Theorie hat es noch vermocht von dem fundamentalen Phänomen des Erinnerns und Vergessene im Zusemmenhenge Rechenschaft zu geben; ja, die vollständige Zergliedemng dessen, uns man als mlsäoblich beobadifienknnn, ist noch kaum in Angrilf genommen Vielleinht ist uns heute das Vergwen rä&elhafler geworden als das Erinnern, seitdem uns des Studium des Treumes und pathologischen Ereignisse gelehrt hat, dnss auch das plötzlich wieder im Bevusfisein auftauchen kann, wus wir für längst vergessen geschätzt haben

§ 777

Wir sind nllerdings im Besilme einiger weniger Gesichtspunkte, für welche wir allgemeim Anerkennt erweitern Wir nehmen an, dass das Vergessen ein spoutnuer Vorgang ist, dem man einen ge—

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, when mithalten Ablauf zuschieiben kann. Wir heben hervor, dass beim Vergesen eine gewisse Auswahl unter den dargebotenen Ein— drücken stattfindet und ebenso unter den Einzelheiten eines jeden Eindnmks oden Erlebnisses. Wir kennen einige der Bedingungen für ä} Hdtberkeit im Gediiehtnl's und fiir die Erweckbsrkeit dessen. was sonst messen würde. Bei unzähligen Anlässen im täglichen haben können, wir aber bemerken, wie unvollständig und unbefiiedigend unsem Erkenntnis ist. Man höre zu, wie zwei PGJXOIJGII, die gemeinsam innere Eindrücke empfangen, z. B. eine Reise mit einander gemacht. haben, eine Zeidnng später ihre Erinnerungen austauschen. Was dem einem fest iu;„Gedäohmis geblieben ist, das hat. der andere oft ver— gessen. als ob es nicht geschehen wäre,. und zwar ohne dass man ein Bed“: zur Behauptung hätte, der Einder sei für den einen psychisch bedeufsnxner gewesen als für den anderen. Eine ganze Anzahl der die Auswahl fürs Gedächtnis bestimmen-len Momente entzieht sich ofienbel‘ noch unserer Kenntnis. '

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In der Absicht, zur Kenntnis der Bedingungen des Vergessens einen kleinen Beitrag zu liefern, pflege ich die Fälle, in denen mit das Vergessen selbst widelfährh_ einer psychologischen Analyse zu nein-sieben. Ich beschäftige mich in der Regel nur mit einer gewissen Gruppe dies! Me, mit jenen nämlich. in denen das Vergessen mich in Ergia_i1negi seizl._ weil .ich nach meiner Erwartinig des Bltrell'ende

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Vergelsen von Eindrücken und Voreitlen. 39

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wissen sollte. Ich will noch bemerken, dass ich zur Vergesslichlreit im allgemeinen (fiir Erlebtßs, nicht fiir Gelemteei) nieht neige, und dass ich durch eine kurze Periode meiner Jugend euch eueeergewöhn— licher Gedächtnisleistungen nicht unfähig war. In meiner Schulknebenzeit wer es mir selbstverstiindlich, die Seite des Buches, die ich gelesen hatte, auswendig herein,an zu können, und km vor der Universität. war ich imstande, |mpuliiit Vorträge wiewneehei'tlicheu Inhalts unmittelbar nachher feet wortget.nen niederznschreiben. In der Spannung vor dem letzten medizinischen Rigomeum muss ich noch Gebrauch von dem Rest dieeer Fähigkeit gemednt haben, denn ich geb in einigen Gegenständen den Priifern wie eutometieeh Antworten, die sich getreu mit dem Text des Lehrbuehes deckten, welchen ich doch nur einmal in der grössten Hast durchflogen hatte.

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Die Verfügung über den Gedächnisechaiz ist seither bei mir immer schlechter geworden, doch habe ich mich bis in die letzte Zeit hinein üben—zeugt, dass ich mit Hilfe eines Kunstgrifl'es weit mehr erinnern kann, als ich mir sonst zutreue. Wenn 2.3. ein Patient in der Sprechstunde sich darauf bereit, dass ich ihn schein einmal gesehen hehe, und ich mich weder ein die Tailranhe noch an denn Zeitpunkt erinnern kann, so helfe ich mit, indem ich rate, d. in. mir nach eine Zahl von Jahren. von der Gegenwart an gerechnet., einfallen lasse. Wo Aufschrcihungenn oder die siehene Angabe des Patienten eine Kontrolle meines Eint'nlles ermöglichen, den zeigt es sich, dass ich seltr5n um mehr als ein Halbjahr" bei über 10 Jahren geirrt habe.') Ahnnlich, wenn ich einen entt'enntereu Bekannten t1etl'e, denn ich aus Höfiichkeit nach seinen kleinen Kindern frage. Erzählt er“ von den Fortschrith derselben, so suche ich mir einfallen zu lassen, wie nlt das Kind jetzt ist. kunnirolliene durch die Auskunft den Vaters und gehe höchstens um einen Monat, bei älteren Kindern um ein Vierteljahr fehl, obwohl ich nicht angeben kann, welche Anhaltspunkte ich fiir diese Schätzung hatte. Ich bin zuletzt so kühn geworden, dass ich meine Schätzung immun spontan vorhringe, und laufe dabei nicht Gelähr‘, den Vater durch die Blosestellnung meiner Unwissenheit über seinen Spröseling zu krännkenn, Ich erweitern so mein bewusstee Erinnern durch Anrufen meines jedeniinlls weit reichhaltigeren unhewussten Gedächtanisses.

§ 784

Ich werde else über auffällige Beispiele von Vergessen, die ich an mir selbst beobachtet, berichten. Ich untemeheide Vergessen ven Eindrücken und Erlebnissen, also von Wissen, und Vergessen von

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n) e„}an„nm. pflegen denn im Laufe der Besprechung die Einzelheiten des dmuligen ersten Besuches hemet nufxuhnchen.

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4o Vu-guen‘m-üdrünhn und Kenntnissen.

§ 788

Vorflhng.d£o‘flnherhsmngeu. Du einßemige Ergebnis der gsnzen DüßvünBeohfleh‘hngml kann ich voraustellen: In nllen Fällen Qüiee sich due Vergessen als begründet durch ein Unlustanti-v. ‘ ' , .

§ 789

„ Ä-, Vergessen von Eindrücken und. Kenntnissen.

§ 790

|.) Im Semmergnb mir meine Frau einen nn sich harmlosen Anlnu zu« heftigen Ärger. Wir eaeeen an der Table einem einem Em ne*Wien gegenüha, denidi hama, und der sich wohl auch an miuhm erhan wusste. Ich heile uber meine Gründe. die Behumtsiinit; nicht ne erneuern Meine Frau, die nur den ensehnlichen Namen ihrem Gegenüber g!hörl haus, ver-riet z'n sehr, dsss sie seinem Gespräch mit den Nachbarn nhörle,» denn sie wendts sich von Zeit zu Zeit an mich mit Fugen, die den dort. geeponnenen Ferien aufnehmen. Ich wurdeungednldig und endlich gereizt. Wenige Wochen sgäiu' fiihm ich bei einer Verwandten Klage über dieses Verhalten männer Ihn.- Ich vun- nbel' nicht imshmde, nude nur ein Wort der Enterhelhmgjenes Een-n 'm erinnern. De ich sonst dier nachfragenrl binumi keine‘flEinmlheit einee’ Vorfalls, der mich geirgert hat, ver. gm kann, id; meine Amnede in diesem Fe__fle wohl durch Rück. sichten ein! die Person der Ehefrau moiivieri. Akith erging es mir e'tht ver kurnem wieder. Ich wollize:mich gegen einen infim Bekannlen ihr «ine Ämg meiner Fundung mischen, die erst vor wenigen Smudax gefallen wer, fand mich eher in diesem Vosäsiz dm'eh den beml‘äßuswut’umllmsllmd gehindert, dm ich die betreffende Aussenuig eplrlm v’wgeuenhntte I(h müßte em meinequ bitten, mich an dieeelnm eli|fllern. Es ist leichli m verstehen, dass dies mein Vergaeen hmhx‘g'au fliesen ist der typischen Urteilsstömng, welcher wir untarhegen, wem:- es sich um unsere nächsten Angehörigen handelt. h) Ich ham es ibernmnmen, einm- fzemd in Wien mgekomnienen Dame eine kleine eiserne Hlndknesetbe zur Aufbewahrung ihrer Dokumente und Gelder zu besorgen. Als ich mich damen-bot, schwebte nit mi&lmsewöhnlmher visuelle!- Ißhlmfligkeit das Bild einer Auslage intder»Inneren Stadt vor, in welcher ich solche Kassen gesehen lieben limit:- Ich kannte mich zwar an den Namen der Sitesee nicht uinletn, fllhlhe.mich aber sicher, das ich den laden auf einem Spaziergagduldz die Stadt nnffiaiden werde, denn meine Erinnerung sagte l_lil, Mich unzählige Mnles.n ibm voflibergegnngen sei, Zu meinem Amt» gelang es mit nbanichl, diese Austh mit den Kassetten aufzufinden, uhwnhl ieh die Innere Sl.edt nach allen Richtungen dureh

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Vergessen von Eindrücken und Kenntni-en. 41

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slreil'le. Es blieb mir nichü anderes übrig, meinte ich, als mir aus einem Adressenkalender die Kassenfnln-ihnlen het-muenchen, um d,u.nn auf einem zweiten Rundgang die gesnnhte Anelpge zu identifizieren. Es bedurfie aber nicht soviel; unta- den im Kalender angezeigten Adresen befand sich eine. die sich mir sofort als die vergeenno enthüllte. Es war richtig, das; ich ungali.hlh Male in dem Auslagel'enster vorilhergegangen wer, jedesmal nimlich, wenn ich die Milk M. besucht hatte. die seit langen Jahren in dem nämliehen Hause wohnt. Seitdem dieser intime Verkehr einer völligen Entfremdung gowichen war. pflegte id1, ohne mir von den Gründen Rechensdmß zu geben. auch die Gegend und das Haus zu meiden. Auf jenem Spaziergang durch die Stadt heüeieh, als ich die Kassetten in der Auslege suchte, jede Strasse in“ der Umgebung begangen, dieser einen uber wer ich. als ob ein Verbot darauf läge, ausgewiehen. Due [lnlustmotiv, welches in diesem Fall meine Unerientiertheit versehuldete, ist greifbar. Der Meclumismus des Vergessens ist aber nicht mehr so einfach wie im vorigen Beispiel. Meine Abneigung gilt natürlich nicht dem Kassenfisbrikantan, sondern einem anderen, von dem ich nichts wissen will, und überträgt sich von diesem anderen sul die Gelegenheit, wo sie das Vergessen zustande bringt. Ganz ähnlich hatte im Falle Burckhnrd der Groll gegen den einen den Sdireibfebler im Namen hervorgebracht, wo es sich um den anderen handelte. Was hier die Nmuensgleichheit leistete, die Verknüpfung zwischen zwei im Wesen venscbiedenen Gedulkenkreisen hemmtellen, des konnte im Beispiel von den) Auslagel'enster die Konfiguitiit im Raum, die untxennbare N:whhuischnli ersetzen. Übrigens war dieser leute Fell fesißr gefügt; cs fund sich noch eine zweite inhaltliche Verknüpfung vor. denn unter den Gründen der Entfremdung mit der im Hause wohnendeu F\|.milie hatte das Geld eine grosse Rolle gespielt

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(=) Ich werde von dem Bureau B. & R. bestellt. einen ihrer Beamten ärztlich zu besuchen. Auf dem Wege zu dessen Wehnung busehiüligt mich die Idee, ich müsste schon wiederholt in dem Hause gewesen sein, in welchem sich die Firma. befindet Es ist mir, als ob mir (lie Tnfel derselben in einem niedrigen Sinekwerk aufgefallen wäre. während ich in einem höheren einen i'n2tliehen Besuch zu machen bmw. Ich kenn mich aber weder daran erinnern, welches dieses Haus ist, noch wen ich dort besucht habe. Obwohl die ganze Angelegenheit gleichgiltig und bedenlungslos ist, beschäftige ich mich doch mit ihr und erhebre endlich auf dem gewöhnlichen Umwege, indem ich meine Eini'älle dazu snmmle, dass sich einen Stock über den Lokalitiiten der Firma. B. & R. die Pension Fischer befindet, in welcher ich häufig

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43 Vergo-on von nian und n....un..„.

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Poäentm besucht habe. Ich Reime jewt auch des Hans, welches die Blum und die Pension beherbergt. Rätseth ist mir noch, welches ll'otiv bei (lim Vergeuen im Spiele war, Ich finde nichts für die .fi‘lnnerung Anltweigu; im der Firma selbst oder an Pension Fischer oder an den Pnädnben, die dort wohnten Ich vermute auch, dass es sid] um nicht sehr Peinliches hmdeln kann; sonst. we're es mir kaum gelungene mich dee Vergeeoenen auf einem Umwege wieder zu bemächtigen, ohne iineeere Hilan wie im vorigen Beispiel herunllniehem Es filli: mir endlich ein, dmmieh eben vorhin, als ich den Weg zu dem neuen Patienten antts.t, ein Herr auf der Strasse geg'iieet hat. den ich Mühe hnfle zu erkennen. Ich hatte diesen Mann vor-Monaten in einem anscheinend ethweren Zustand guehen und die Diagnose der progreuiven Pereiyee über ihn vuhängt, dem eher gehört, dass er ha‘gulzellt sei, so dass mein Urteil unric.litig gewesen wäre. Wenn nicht etwa hier eine der Bemüeionen vorliegt, die sich aueh bei Dmenh'e pmnlytioe finden, so dass meine Diagnose doch noch gemehfiatigt wäre! Von dieser Begegnung ging der Einfluss uns. der mit}! m dieNnehbaroehnfiderßmemxxvonß. &Rvei'gun liess, und. mein Inhereme, die Lösung des Vergessene-1 zu finden, wer von diem Fall shitfigm' Diagnostik her übertragen. Die eennintive Verknüpfung aber wurde bei geringem inneren Zusammenhang. —.- der widm Emerten Geneem war auch Beamter einen grossen Bulletins, welches mir Kmuke zuruweieen pflegte — dureh eine N meansglüehheit besorgt., Der Amt, mit welchem gemeinsam ich den [raglidien.anlytiker geeßhen hatte, hi6u auch Fischer, wie die in dem Henn hdindliehe, “vom Vergessen behofl'ene Pension.

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, d) EinDing verlegen heieet ja nichts anderes als vurgeewn, wohinmen angelegt. im, und wie die nieislzan mit sonne" und midmm hantiennden Personen bin ieh auf meinem Schreibtisch wohl orientiert und weile das Gesuchte mit. einem Giifl hervormlmlen. Was endeten ein Unordnnng erscheint. iet für mich historisch gewordene Dodnuug. Warum hehe ich eher unlängst einen Biiäerkatnlog, der In": zugeschickt wurde, so verlegt., dass er unauflindber geblieben ist? Ich hette doeh die Absicht, ein Bnnh. des ich darin angezeigt fund, ».Über die Spred1ez, zu bestellen, weil @ von einem Autor her-rührt, dunn geisheioh belebten &l ieh liebe, ließen Einsicht in der Psychologie und denen Kenntnisse in der Kulhrhießde ich zu schätzen Wü. Ich meine, gende darum hehe ich den Kata-log verlegt. Ich pfip nimh'dr Biinher dieses Anton zur Aufklärung unter meinen Bülnnten m,vcleihen, und vor wenigen Tagen hat mit jemand bei

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Vurgellen von Eindrücken und Kenntnissen. 43

§ 801

der Rückstellmig gesagt: „Der Stil erinnert mich gnnz un den Ihrigen. und auch die Art zu denken ist dieselbe.“ Der Redner wusste nicht, an was er mit dieser Bemerkung rührfe. Vor Jahren, als ich noch jünger und ensehlueshedlirfl‘iger war, hat mir ungefähr das Nämliche ein älterer Kollege gesagt. dem ich die Schrifinn einen bekannten medizinischen Autors engepriesen hatte. „Ganz Ihr Stil und Ihre Art.“ 30 beeinflusst hatte ich diesem Autnr einen um näheren Verkehr werbenden Brief geschrieben, wurde aber durch eine kühle Antwort in meine Schranken zurückgewiesen. Vielleicht verbergen sich ausserdem noch frühere eheehmckende Exfnhrmigen hinter dieser letzisen, denn ich hehe den verlegten Katalog nicht wiedergefunden und hin durch dieses Vorzeichen wirklich abgehalten werden, das nngmigte Buch zu bestellen, obwohl ein wirkliches Hindernis durch dns Verschwinden des Kaiteloges nicht geschaffen werden ist. Ich hehe je die Namen des Buches und des Anime im Gedächtnis behalten. 1)

§ 802

e) Im Sommer dieses Jahres erklärte ich einmal meinem Freunde Fl.. mit dem ich in regem Gednnkenausteusch über wissenschaftliche Fragen stehe: Diese neurotisehen Probleme sind nur dann zu lösen, wenn wir uns ganz und voll auf den Boden der Annahme einer ursprünglichen Bisexualiüit des Individuums stellen. Ich erhielt zur Antwort: „Das hehe ich Dir schon vor 21]. Jahren in Br. gesagt, als wir jenen Ahendspnz.iergang machten. Du wulltest demst nichts davon hören.“ Es ist nun schmen.lieh, so zum Aufgaben seiner Originalität mil'gel'm‘dert zu werden. Ich konnte mich im ein solches Gespräch und an diese Eröli’nung meines Freundes nicht erinnern. Einer von uns beiden musste sich de täuschen; nach dem Prinzip der Frings cui pmdest'? musste ich des sein. Ich habe im Laufe der nächsten Wochen in der Tel: alles so erinnert, wie mein Freund es in mir eiwecken wollte; ich weiss selbst, was ich damals zur Antwort gab: Dabei halte ich noch nicht7 ich will mich darauf nicht einlnseen. Aber ich hin seither um ein Stück tolerento‘r geworden, wenn ich irgendwo in der medizinischen Literatur auf eine der wenigen Ideen stoss‘c, mit denen man meinen Namen verknüpfen kann, und wenn ich dabei die Erwähnung meines Namens vermisse.

§ 803

Ausstellungen an seiner Ehefrau —— Freundschait die ins Gegenteil \nngesclilagen hat — Irrtum in ärztlicher Diagnostik — Zurück— Weisung dnmh Gleichshehende v Entlehnung von Ideen; es ist. wohl

§ 804

‘) Für vielerlei Zufülligkeiten. die nun leit Th. Vilchcr der „Türke des Uhiaktl" zuechreiht, möchte ich ähnliche Erklinmgen vonohlngen.

§ 805

§ 806

34 Vs.-gaaanvnnlindriiolnim und Knunmiucn.

§ 807

kann niillig, den eine Anzahl von Beispielen des Vergessens. (lie ’Mhlfldi‘t‘ 'gsshminslt mdunmd, um ihm- Anflögnng des Einm auf so peinlich. Timm bedüfifi. Ich vermute vielmeln,

§ 808

MM' will; aim ähnliche Mnsierksrte von Widerwiirtigh'lhn fliehen “können wird. Die Neigung zum Vergessen des Un, mehmeuwlunint mir ganz allgemein msein; die Nigkeit dazu ist

§ 809

, Wahl bei vermhievlenen Permnen verschieden gut; ausgebildet Manches

§ 810

Ablengnsn, du uns in der Ernt.lldisn Tätigkeit begegnet, ist wahr

§ 811

snhdnlißh an! Vergessen mrünkznfiihnn. Unsere Anfl‘nssnng eines

§ 812

fliehen Vagennens beschränkt den Unterschied zwischen dem und jenen» Batman allerdings auf rein prychohginchc Verhältnisse und

§ 813

M min; in ‘ Mdm Buktiansweieeri den Ausdruck desselben

§ 814

MV»!!! bahn. Vm ill den zahlreichen Beispielen der Verlengnung

§ 815

unengenehma Erinnerungen, die ich bei Augehörigen‘vun Kranken

§ 816

Milan lub.th mir einen nie bestmdm-s ,saliaaln im Gedächtnis ge

§ 817

uiohn._ —Eiuelluttes infirmiem mich,ühelf die Kindeljehre ihm!

§ 818

mania-nie», in deal?nbsrfit -heflndlidien Sohnes und. erzählte dabei,4

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M4 .erwia süne Mwisher his in späte thre an Müssen ge

§ 820

litten haha, was" in im eine nemvßldie Kmnksngesehichte nicht lae— hm@nu 'St. > Einige Wochen spä.t8, eh sieeich Anal—muß über den

§ 821

&mitlan Behln‘nngliolen Wollte, hm ich Anlaß sie auf die

§ 822

Zdiihen htmfitntimnller Krankheitsvermlngung bei dem jungen Menu { Warham,nu Men, untl berief mich hierbei _uuf das nunmnestisuh

§ 823

«haben! Bettnäeaen. Zu meinem Erstaunen bestritt sie die Tatsache

§ 824

Wohl fill dia als M fiir die anderen Kinder, fragte mich, woher

§ 825

inlh üs wiesen könne, und hörte endlich von mir, dass sie selbst es

§ 826

mirvurkn-mrßeitenähltlmbe, was eine von ihr vergessen worden war. ')

§ 827

*) In den 'iiqqun, wihrend ich mit der Rinder-schritt dia-or Suiten be. Inlufigt wer, ut mir folgender. fun unglaublishsr ihn von Vergessen widerhhien. Ich revidirre um 1 Jnnun' main int).ichus Buch, um meine Hummermn'nnngan nunenden zu können, stone dabei im Juni auf den Narren M . , . . 1 und hin! näßh m eine milnn gehörige Perlen nicht erinnern. Mein Beiremden with-t. indem ieh heim Wulhrblittnm bemerke, nur ich den Inn in einem 8-nliorium bebnnddt, und dass ich ihn durch Wochen täglich hnccchi liebe, ünen Knnhn. init de'-n mm sich unter solchen Bedingungen beschit‘tigt, voran :mu ni- Am nieht um]! innnn wahl Mon-ten. Sollte 1:1 ein Mann, ein Wim, ein Ni nhna Inhcraus gewesen „in, Enge ich minh? Endlich bei dm cherk über den empfinguie Hanoi-nr kommtmir ill die Kenntnis wieder, die & &Mmgantuinl‘sn vniiia. nl„„iwuainusihrigeamsdchen M der ll._!widizlhjhllmvhu let-un Jnhre, welßhsr mir eine Lehre

§ 828

§ 829

Verge-cen von Eindrücken und Keunin‘ilnen. 45

§ 830

Man findet also auch bei gesunden, nicht nsurotlschen Menschen reichlich Anzeichen dafür, dass sich der Erinnerung an peinliche Eindrücke, der Vorstellung peinlicher Gedanken, ein Widerstand entgegen— setzt Die volle Bedeutung dieser Tsisache lässt sich aber erst muessen, wenn msn in die Psychologie neunih'scher Personen singeht Msn istgcnötigt, ein solghes elementares Abwehrbestrehen gegen Vmslellnngen, welche Unlustempfindungen erwe_cl_ren können) ein Bestreben, das sich nur den] Fluchtmfiex bei 8d1memeizen an die Seite stellen lässt, zu einem der Hauptpl'eiler des Mechenismns zu machen. welcher die hystßrischen Symptnme trägt. Men möge gegen (lie An— nahme einer solchen Ahwehrhendenz nicht einwenrlen, dass wir es im Gegenteil häufig genug unmöglich finden, psinliche Erinnerungen. die uns vel1'nlgcn, los zu werden und puinliche Afi'ektregungnn wie Rene, Gewissensvonviirfe zu verscheuchen. Es wird in nicht behauptet. dass diese Ahwehrtendenz sich überall durchzusetzen vermag. dass sie nicht im Spiel der psychischen Kräfte auf Faktoren stossen kann, welche zu andelvn Zwecken des Entgegengesetzte anstrehen nur] ihr zum Trotz zustande bringen. Als das architektonische Prinzig des seelischen Appflr£l.tes läss’t sich die Schichtung. der Anfhsu ans einnnrler überlagernden Instanzen ernten, und es ist sehr Maren psychischen Instanz angehört. von höhemn Instanzen aber gehemmt wird. Es spricht jmlenlä.lls fiir die, Existenz und Mächtigkeit dieser Tendenz zur Abwehr, wenn wir Vorgänge wie die. n unseren Beispielen von Vergessen auf sie zurückfilhron können Wir sehen. dass manches um seiner selbst willen vergessen wird; wo dies nicht möglich ish verschiebt die Abwehrl'endcnz ihr Ziel und bringt wenigstens etwas anderes, minder Bedeulsames, zum Vergessen, welches in Rssnziative Verknüpfung mit dem eigentlich Anst'rissigen geraten ist.

§ 831

Der hier entwickelte Gosichlspnnk dass pair-liche Erinnerungen mit besonderer Iaichtigkeit dem metiviel‘len Vergessen verfallen, ver

§ 832

hinterlassen, an die ich klum je vergessen wer—iu, und denen Ausglng mir die peilllicllsten Stunden bereitet im. Der Kimi erknnkts „. uulweilieutiger Hysterie, die sich much unher meinen Händen rasch und gründlich bewerte. Nnch dieser Besserung wurde mir dns Kind van den Eltern enhogen: es klagte noch über uhdomin-le Schmerzen. denen die Bmptmlle im Symptnmbild der Hysterie zngel‘nlleu ur. Zwei Monate epiter nur er In surlrour der Unterleib:driiseu gestorben. Die Hysterie, zu der dns Kind nehsthei pridilpnniert im“, hnl.te die Tllmnrhildnng nur pravazierennlcn Unnchc genommen, und ich hatte, von den lärmenrleu uber hurmlou-n Erscheinungen der Hylterie gnl'sslelt, vielleicht die ersten Anzeichen der schleichenden nuheilvullen Erkrankung iihersellsn.

§ 833

§ 834

“ Vega-nn von Indrllekim und Kenntniuen.

§ 835

dimte 'finhrene Gebiete bringen zu wenden, in denen er heute noch haiiiis’ddü»einemi geringe" Beachtung gefimdeu hat So execheint er danach immer nicht genügend sebnrf mm bei der Würdigung von

§ 836

' Beugennumgen vor Gericht, ‘) wobei man oll‘enbnr der unter Eid

§ 837

.‘ulellnng des hingen einen allzu gmeeen purifiziensnden Einfluss auf

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' them peyehisebee Kläibeepiel mind. Dass man bei der Entstehung dü‘ Traditionen und der Sagengeecbiehhe eines Volkes einem solchen Motiv, des dem Netionnlgefilbl Peinliebe aus der Erinnerung nuezn— mia, Benlmung tragen muss, wird allgemein zugeetanden. Vielleicht würde sich bei genauerer Verfolgung eine vollständige Analogie herausshllßn zwiedwn der Art, wie Völkeriraditienen und wie die Kindheitserinnerungen (IQ einzelnen Individuums gebildet werden.

§ 839

Ganz ünlieb wie beim Nemenvergeeeen kann auch beim Vi‘l‘4 gegen von Eindrlidmn Fehlerinnern eintreten, das dort, wo es Glauben findet, als Erinnerungpiäusehmig beneichnet Wind. Die Erinnemng'sfillnrlnmg ü,piithologiecben Füllen — in der Paranoia spielt sie

§ 840

, die Rolle eines konstituierenden Momenten bei der Wahnbildung — hat eine ausgedehnte litexe,tnr wacbgerufian, in welcher ich dumbfingig den Hinweis auf eine Motivierung denelben vermisse. Du auch dieses Thei'xm. der Nemeeenpeychologie angehört., entzieht es sich in unserm Zueanunenhnuge der Behandlung. Ich werde dnfü| Pin sondel'hlms Beispiel einer eigenen Ehinnenmgetäuscbung mitteilen bei dem die Motivierung durch unbewneetße vmdrflngtes Material und die Airt limi Weise der Verknfipfimg mit demselben deutlich genug kenntlidi werden.

§ 841

Als iclidie späteren Abschnitte meines Buches über Traumll9ntnng schrieb, befimd ich mich in einer Summelfi'imbß ohne Zugang zu Bibliotheken und Nachschlagebilchem und wer genfitigt, mit Vorbebnlt späißzvr Korrektur, allerlei Beziehungen und Zitate aus dem Gedlißbtuie in das Manuskript einzutragen. 'Beim Abschnitt über dns Tegh-ilumnn fiel mir die ausgezeichnete Figur des armen Buchhnlhere im »Nnbnbcr von Alpb. Daudet ein, mit welcher der Dichter wehre'nhmnliuh seine eigene Trämexvei geeduilderh Ich glaubte mich an eine der Phantasien. die dieser Mann — Mr. Joeelyn nannte ich ihn —— auf seinen Spaziergängen durch die Strassen von Perle nusb|iitet, llautlicb m erian und begann sie aus dem Gedächtnis zu repmtlu— listen. Wie also Herr Joeelyn auf der Strasse sich kühn einem dm_ubgehbnden Phd_entgegenwirfl, es zum Stehen bringt, der \thgen

§ 842

ty Vgl. Ihni Gran, Kriminnlpiyehelogie uns.

§ 843

§ 844

Du Vergmen von Vnrulluen. 47

§ 845

schlag sich öffnet. eine hohe Persönlichkeit dem Coupé entsteigt. Herrn Jocelyn die Hand drückt und ihm sagt: „Sie sind mein Retter, Ihnen verdanke ich mein [eben. Was kann ich fiir Sie tun?“

§ 846

Etwaige Ungenauigkeiten in der Wiedergabe dieser Phantasie, tröstete ich mich. würden sich leicht zuhause verbessem lassen. wenn ich dm Buch zur Hand nähnie. Als ich dann aber den »aninlv. dumhhlätterte, um die druckbereite Stelle meines Manuskriptm zu "M'gleichon, fand ich zu meiner grössten Beschiünung und Bestiimung nichts von einer solchen 'l‘n'iumel‘ei des Herrn Jomlyn darin. ja der arme Buellhnlt»r trug gar nicht diesen Namen, sondern hiess Mr. Joyeuso. Dieser zweite Irrtum geh dann bald den Schlüssel zur Klärung (li-s ersten, der En'nnel'ungstiiusßhung. Joyeux (wnvon der Name die. fumininu Form danstellt): so und nicht anders müsste ich ja meinen eigenen Namen: Fre-nd ins Französische übersetzen. Woher konnte alsn die (lilschlielr erinnerte Phantasie sein, die ich Daudet zugeschrieben hatte? Sie. knnntn nur ein eigenes Produkt sein. ein Tagt.raum. den ich selbst gemacht. und der mir nicht bewusst geworden. oder tler mir einst bewusst gewesen und den ich seither gründlich vorgeesen. Vielleicht dnss ieh ihn selbst in Paris gemacht. wo ich nit genug einsam und voll Sehnsucht durch die Straßen spaziert hin. eines Helfen; und Pmtoktnls sehr bedürhig, bis Meister Charcot mich dann in seinen Verkehr zug. Don Dichter des rNahabx habe ich dann wiederhnlt im Hause Cliarcnts gesehen. Das Ärger-liche un der Sache ist nur, dass ich kaum irgend einem anderen Vnistellungskmis so foindselig gegoniihorstehe, wie. dem des Pmtegimtwmlens. Was man in unserem Vaterlnnde davon sieht, veniirht einem alle Lust daran. und meinem Charakter sagt die Situafion des Pmtßktionskindos über

§ 847

.haupt wenig zu. Ich habe immer ungewöhnlich viel Neigung dazu vempiirt. »sollmt der bravu Mann zu sein«. Und gerade ich musstn dann an solche, übrigens nie erfüllte, Tagh-iiume gemahnt werden! Voi1'all auch ein gutes Beispiel dafür. Will (‘N' n der Paranoia siergifefi heworhfiliende — Hr— en Ich mis___in_d_er objektiven Erfassung dm- hin-4.

§ 848

B. Das Vergessen von Vorsätzen.

§ 849

"' Keim {indem Gruppe von Phiinonicnon eignet. sich lmsspr zum Beweis der These. dass die Geringt'ilgigkeit der Aufmerksamkeit für sich allein nicht llillmicili‘. die Fehlloistung zu erkli'uvn. als die des Vergessens von Vorsätzen. Ein Vulsatz ist ein Impuls zur Handlung.

§ 850

§ 851

“ Du Meilen von Voriüen'.

§ 852

bjW‘!ligung schön? ist, denen -Au'eflihnmg aber auf einen ’?Wfleiipmhwrsehobenwunh_va kann in dem so ge» W lm Muß eilw,derariilge Veränderung in den Mo€!!! am dm der VM nicht ll)!“ Ausführung gelangt, aber ;üu wird er nicht mgeuen, senden mwiflieri, und aufgehoben. Das i’m von. Vonähen, dem wir alltigheh und in allen möglichen $hntennen enterlimm, pflegen wir uns nicht intel! eine _Nenernng' m * ill! Mnfimnjeinlmngn erklären, eondemhusen es gemeinhin uneiklä.rt. } 'nller wir Wehen eine psyehebgisehe Fülimag in flerAnnsdnne,ge gegen _ üble“ dfi' Amilth bin habe eididie erfordßrliche Aufmerksamkeit fiir dieflndlueg Mit mehr bemib.i9tunden, die doch fiir das Zn« “aM-men des Valentine mmllhlliehe Bedingung war, damals also für die uimlidwäflandlm zur Verfügung eim'fl‘ Die Benhnehtnng UMS“! wv«mmm Vnilßhn»lieet uns diesen ErkläningsM'|lüi:\'illkiitlidt zbweisee. ;Wenn ich des Morgens einen Vo “b in, Öl! Ebends nungofflhrt werden 801 so kann ich im laufe Nähen einigemnl an im Mit werden. Er braucht aber tags' illu‘v WM mehr Willst In werden. Wenn sich die, Zeit d! AM M füllt « mit plöhiieh ein und vemnlnsst mich „ due. m Wu Haltung niih‘gen Vulbfltfltungen zu i_mfl‘an “(mich auf einem Spannung einen Bdei mitnehme. welcher nach M| werden soll; in brauche Mi ihn als normales nur] nicht mm lflmlilnm keineswegs die .gunm Stmk! über in der Hnnd am midmieüsum mh„einmu Bdeih.sten meepähen,‘ ||| den ld ih NBÜJ- mdem IÜ Ü°fi M In die Tasche zu stecken, meiner ' Wege meen meine Gedanken. hi echweiien zu lassen, null ich -' www «war der räoham3flefkfiaizeu meine Aufmerksamkeit mm In?“ IWW wird, In die Tasche zu greifen und den 4 Brief When. ‘Das Munde Verhalten bei gefassi.em Vorsatz W lid! lehlnmau Mit &an experimean zu analanden Benehmen von Pasanen, denen man eine wg. ipoetliypnofisehe Suggestinn auf huge W in der Hypnose eingegehsn hat)) Man ist gewöhnt, das filmen in fielmnder Art In -boscheiben: Der mggerierte Vomi.z fielenan in den betufisndsn Personen, bis die Zeit seinm Ausführung hammaht. Dann wacht er auf und treibt zur Handlung „ In nddei Lehmelagen gibt sich auch der Laie Rechenschali dann. dass (ii! vw \n\ bezug D.nf Vomltm keineswegs den An_'A._.._ v !) Vgl. Bernheim» Neu Studien Ihn Hypnoneinne, Bnggeni.inn nnd Wn"m

§ 853

§ 854

n.. Vergessen von Vorsiueu. 49

§ 855

spruch erheben darf, als ein nicht weiter zun'ückfiihrbares Elementen pluänornen zu gelten, sondern zum Schluss auf uneingestnndene Motive lyemchtigt. Ich meine: im Hebesverhä.lhnis und in da- mlitärnhhiingigkeit. Ein Liebhaber, der das Rendezvous versäumt hat, wird sich vergeblich bei seiner Dame entschuldigen, er habe leider ganz daran vergessen. Sie wird nicht versäumen, ihm zu antworten: „Vor einem Jahr hättest Du es nicht vergessen. Es liegt Dir eben nichts mehr an mir.“ Selbst wenn er nach der oben erwähnten psychologischen Erklärung griffe um] sein Vergessen durch gehä,üte Geschätte entschuldigen wollte. \\‘iirrh‘ er nur erreichen. dass die Dame — so soharfsicht:ig geworden wie, der Arzt "I der Psychoanalyse — zur Antwort gäbe: „Wie merkwürdig. dass sich solche geschil.filiohen Störungen früher nicht ereignet haben.“ aniss will auch die Dame die Möglichkeit des Vergessens nicht in Abu-de stellen; sie meint nur, und nicht mit Unrecht, aus dem nn. sichtlichen Vergessen sei ungefähr der nämliche Schluss auf ein gewm < Niohtwollen zu ziehen wie aus der bewussten Ausflucht.

§ 856

Ahnlich wird im militärischen Dienstverhältnis der Unterschied zwischen der Unterlassung durch Vergessen und der in Folge von Ab— sicht prinzipiell, und zwar mit Recht, vernachlässigt. Der Suldnt darf an nichts vergessen, was der militärische Dienst von ihm fordert. Wenn er (loch daran vergisst, obwohl ihm die Forderung belmnnt ist; so geht dies so zu, dass sich den Motiven, die auf Erfüllung der militiir| hen Forderung dringen, 'endere Gegenmots've eutgegenstellen. Der En | hrigr etwa, der sich beim Repport entschuldigen wollte, er habe vergessen. seine Knöpfe blankzu putzen, ist der Stufe sicher. Aber diese Strato ist geringfügig zu nennen im Vergleich zu jener, der er sif‘h au. to. wenn er das Motiv seiner Unterlassung sich und seinem Vorgesetzten eingestehen wurde: „Der elende Gmsschendienst ist mir ganz zuwirlor.“ Wegen dieser Streterspemis, aus ökonomischen Gründen gleiehsnm, bedient er sich des Vergessens als Ausrede, oder kommt es als Kompromiss zustande.

§ 857

Freuendienet wie Militärdienst erheben den Anspruch, dass alles zu ihnen Gehör-ige dem Vergessen entriickt sein müsse. und erwecken so die Meinung, Vergessen sei zulässig bei unwichtigen Dingen, während rs bei wichtigen Dingen ein Anzeichen davon sei, dass man sie wie nnwiehtige behandeln wolle, ihnen also die Wichtigkeit sbspreche. Der Gesichtspunkt der psychischen Wertschätzung ist hier in der Tat nicht abzuweisen. Kein Mensch vergisst Handlungen auszuführen, die ihm selbst wichtig erscheinen, ohne sich dem Verdacht» geistiger

§ 858

Stiimng suszusetzmi. Unsere Uninrsuehung kann sich nlsn nur auf 4

§ 859

Freud, va Plyehopltholoxlu in “Ihm-m..

§ 860

§ 861

50 ' Du Vergellen von Vox-item

§ 862

das Vugemen von mehr oder minder nebensänhlichsn Voßätzan ersheckan; fiir ganz und gar gleichgiiliig werden wir keinen Vorsatz euwhisn; &nn in diesem Falle wäre er wohl gewiss nicht gefasst worden.

§ 863

Ich habe nun wie bei den früheren Mfionssiörm1gen din hei mir selbst beobachteten Fälle von Unterlassung durch Vergessen gesammelt und snf2ukliiren gesucht und hierbei ganz allgemein gefunden. dass sie auf Einmengung unbekannter und uneingesisudeuer Motive ! oder, wie msn sagen kann. auf einen Gegenwillen—zuxfickml'ülnrn wnmn. In einer Reihe dieser Fälle befand ich mich in einer dem Dienstverhälhiisscä ähnlichen Lage, unter einem Zwsnge, gegen welchen ich ssnicht ganz aufgegeben hatte, michzu stu'iuhen, so dass ich durch Vergessen gegen ihn demonsh'ierte. Dazu gehört, dass ich hesondeie leicht vergem, zu Gehurtsitsgen, Jubiläen. Hmbzsiisfeiem und Sündeserhöhungen zu gratulieren. Ich nehme es mir immer wieder vor und übeneuge mich immer mehr, dass es mir nicht gelingen will. Ich bin jeizt im Begrifl'e, darauf zu vernichten, und den Mofiven, die sich sträuben. mil. Bewusstsein Recht zu gehen. In einem Übergangsslsdinm hehe ich einem ernnd., der mirh bei, auch für ihn ein Glückwunschtelegrnmm zum hesh'mmisn Termin zu besorgen, vorher gesagt., ich würde an beide vergemen, und es war nicht zu verwundem, dass die Prophezeiung wahr wurde— FA hängt nämlich mit schmerzlichen Lebenserflslnnngeu znsnnnnen_Y dass ich nicht imstande bin, Anteilnahme zn Kumm, wo diese Ausserung notwendigerweise übertrieben nusfnlleu mus, ds fiir den geringen Betrag meiner Ergrifi'enheit der Ellispl‘Pcliemlt‘ Ausdruck nicht zulässig ist. Seitdem ich erkannfl dassicli oft vergehliebe Symplhis bei anderen für echte genommen habe, befinde ich mich in einer Auflehnnng ge@n diese Konventionen der Miitgefilhlsbe7ßugungv deren soziale Nüülichksil: ich sndeterseiis einsehe. Kondnlenzen hoi'l‘ode» fällen sind von dimer zwiespältigen Behandlung ausgenommen; wenn ich mich zuihnen entschlossen habe, versäume ich sie auch nicht. Wo unrin Gefiihlshetäfigung mit gesellschaftlicher Pflicht nichts mehr zu tun im da findet sie ihren Ausdruck nuä niemals durch Vergessen gehennnt.

§ 864

Ahnlich erklären sich durch den Widerstreit einer konventionellen Pflicht und einer nicht eh1gesisndenen inneren Schätzung die Fälle. in dsnen‘mm Handlungen munfiilu’en vergisst, die man einem nndmen an seinen Gunsten snmufiiluen versprochen hat. Hier trifft es dann regelmässig zu, dass nur der Vasprechet an die enisohuldigende Kraft des Vergessens glaubt, wiihrend der Bittsteller sich ohne Zweifel die richtige Antwort gibt: Er hat kein Iniezesse denn, sonst hätte er

§ 865

§ 866

D„ Vergessen von Vol-sitzen, 51

§ 867

es nicht vergessen, Es gibt Menschen, die man als allgemein vergesslieh bezeichnet und darum in ähnlicher Weise als entschuldigt gelten lässt wie etwa den Kurzsichtigen, wenn er auf der Strase nicht grüsst‘) Diese Pcmnnen vergessen alle kleinen Veisprechnngen, die sie gegeben. hassen alle Aufträge unausgefiihrt, die sie empfangen haben, erweisen sich else in kleinen Dingen als unverlässlich untl erheben (hihci (lie Forderung. dass man ihnen diese kleineren Verstösse nicht übel nehmen, (l. h. nicht (lumh ihren Charakter erklären, sondern nut" organische Eigentümlichkeit zurücktiihrcn solle. Ich gehöre selbst nicht zu diesen Leuten untl habe keine Gelegenheit geliebt, die Handlungen einer solchen Person zu analysieren. im durch die. Armwnhl des Vergessene die Motivierung desselben nufmdecken. Ich kann mich aber tler Vermutung per enalngiam nicht erwehren, dsss hier ein ungewöhnlich grosses Mass von nicht eingestandener Geringsehiitzung des anderen das Motiv ist, welches das konstitntionelle Moment fiir seine Zwecke sushentot.

§ 868

Bei anderen Fällen sind die Motive des Vergessens weniger leicht aufzufinrlen und erregen, wenn gefunden. ein grösseres Befremtlen. Sn merkte ich in früheren Jahren, dass ich bei einer grösseren Anzahl von Kmnkenbosuchen nie an einen anderen Besuch vergesse als bei einem Gratispatienten oder bei einem Kollegen. Aus Beschämung hierüber hehe ich mir angewöhnt. die Besuche des Tages schon am Morgen als Vorsatz zu notieren, Ich weiss nicht, ob andere Arzte auf dem ni'nnlichen Wege zu der gleichen Übung gekommen sind. Aber man gewinnt so eine Ahnung davon. was den sog. Neumtheniker veranlasst. die Mitteilungen. die er dem Arzt machen will, auf dem berüchtigten »Zettela zu notieren. Angeblich fehlt es ihm an Zutmuen zur Reproduktionsleistung seines Gedächtnisses, Das ist gewiss richtig, aber die Szene geht zumeist so vor sich: Der Krenkc hat seine verschiedenen Beschwerden und Anfragen höchst lengntmig vorgebmcht. Nach— dem er fertig geworden ist, macht er einen Moment Pause, dmuf zieht er den Zettel hervor und sagt enüchuldigend: Ich habe mit etwas anfgeschrieben, weil ich mir so ger nichts merke. In der Regel findet er auf dem Zettel nichts Neues. Er wiederholt jeden Punkt und lie—

§ 869

.) Frauen sind mit ihr-um fcinen Verständnis für unhewnsste seelische Vorgänge in der Regel eher geneigt, es nix Beleidigung anzusehen, wenn man sie nnf der Stk-nase nicht erkennt, nlsa nicht griislt, n1s nn die nichxtliegenden Er. kliirnngcn zu denken, dass der Siim1iige kurzsichtig sei oder in Gedenken versnnken sie nicht bemerkt ln.hn. Sie schliessen, mim hätte sie sehen bemerkt, wenn

§ 870

man sich „etwas aus ihnen machen würde“. 4

§ 871

§ 872

52 n.. Vergesnein van Voreätun

§ 873

antwortet ihn selbst.: Ju, derth habe ich schon gefragt. Er (lemanakiert mit: dem Zettel, weluecheinliuh nur eines seiner Symptome. die Efliufigkeii1 mit der seine Vol'sätze durch Einmengnug dunkler Motive gestört werden.

§ 874

Ich riihm ferner im leiden, im welchen auch der grössere Toll der mit bekannten Gesunden lmmkt, wenn ich zugestehe, dass ich heeendm in friiheren Jahren sehr leicht und für lange Zeit vergessen habe, entlalmte Büt‘liet zurückzugeben. oder dass es mir besonders leicht begegnß't Zahlungen durch Vergessen aufzuschiebeu. Unläl'igst verliees ich eines Morgens die Tahelrtmfik, in welcher ich meinen täglichen Zigimieneinlmuf gemacht hatte, ohne ihn zu bezahlen. Es war eine höchethermloee Unterlassung, denn ich bin dort bekennt und konnte daher erwarten, am nänheten Tag an die Schuld gemahut zu werden. Al\i‘l‘ die kleine Vmäumule. der Valentin, Schulden zu machen, steht genw‘ss nicht immer Zusammenhnng mit den Buüetemägungen, die mich deli Vortag über bemhäfligt haben. In bezug auf das Theme. van Geld und Besitz lassen sich die Spuren eines zwieep'illtigen Verhaltens auch bei den meisten eng. mefindi'geii Menschen leicht nachweise Die pl'imi'tive Gier des Säuglinge, der sich alle: Objekte zu hefiächtigeu sucht (lin sie zum Munde zu fiihren), zeigt sich vielleicht ellgeiiiiiiii ale nur unvollständig durch Kultur und Erziehung überwundeii‘).

§ 875

, l) Der Einheit in. Thema mlieho auf ich hier die gevihlte Einteilung durchhreelieu und dem oben Gengten meel'ilieleen, line! in im.ng nni Goldsimllcn du Gedichtuh der Menininn m'ne lee-andere ParWilichkeit neigt. Erinnerungefinschungen, etwu bereite man; zu mb». 11n11, wie ich von mir eelhlt weise. all. uhr hnmieln‘g Wo der guwinnn'lehtigen Am.-ne man von den grnexeii Inth der Lebensführung. und dnher eigentlich zum Sehen, freier Lauf goInnen wird wie heim Knien-pini, neigen die ehrlichstau Miuner ni Irrtümerii. Erinneriuign- nnd Rechenfehlern und finden nn. selbst, ohne recht zu wiesen wie, ii. kleine Bet-igmien vu1-wieinii. Auf mlehen n-nnnm beruht nicht zum mindeatan iin „„in-en cr£ri1chcnde on.-nm filed Spinln 1)_11_77391-1n1111n11, diue mm heim Spiel den cnwm den ani1nn erkennt., 111 1nnngebg.„ wenn mm n1nnifgen ,1111: den untenirimkten Ghnn.lrter -— Wenn 85 unubeielitlii-lie Wii—anime.- bei I.hlkellnern noch gibt in unterliegen lie oilenbn derselben Einri1flung._ Im Keulimmnnt.unlle lnnn nun häufig eine gewinne Zögerung_ „. der Ve1m hung von Guldenmmeu, bei der Bn1nhinn von Rechnin en 11111131. beobachten die dem Eig'ncr keinen öewinn bringt, mindern nur paycliolngieell an qgnini.nn int 11- eine Auleerung des Gogeuwilleul, Geld von sich ml Cini — im den intimnteu und un veniguten klu gewordenen Regimgen hängt. in zu.unninn, wenn gende Frauen eine hemudere Uuluvt. neigen, dr.-n Amt in hnlinrioroii_ Diehlben „ml.-15011 iin rommnnnnie vergelleii, können darum in der Ordiiintinn nicht, nhleu. vergeieen duin regelmieiiig,du Honorar vom Heime nn 11. „lm—in", untl leben „ In durch. 11.11 min sie umlunst _ „uni ihrer schönen Angin willen“ — hehmdelt im Sie zahlen gleich-urn mit. ihrem Anblick.

§ 876

§ 877

Du Vergessen von v„„sm„, 53

§ 878

lub fürchte, ich bin mit allen bisherigen Beispielen einfach bene] geworden. Es kann mir aber doch nur recht sein, wenn ich auf Dinge stosse. die jedermann bekennt sind7 und die jeder in der nämlichen Weise versteht, da. ich bloss vorhebe, das Alltägliehe zu sammeln und Wissenschaftlich zu verwerten. Ich sehe nicht ein, wesher der Weisheit, die Niederschlag der gemeinen Lebenserl‘ahrung ist, die Aufnahme unter die Erwerbungen (ler Wissenschafi. versagt sein sollte. Nicht die Verschicdenheit der Objekte, sondern die strengere Mefl10de bei der Feststellung und das Streben naeh weitreichendem Zusammenhang machen den wesentlichen Charakter der wissenschu.filichen Arbeit aus.‘

§ 879

Für die Vomätze von einigem Beinng haben wir allgemein ge— funden. dass sie dann vergessen werden. wenn sich dunkle Motive gegen sie erheben. Bei noch weniger wichtigen Vorsiitzeu erkennt man als zweiten Mechanismus des Vergessens, dass ein Gegenwille sich von wo anders her auf den Vorsatz überh—ägt, nachdem zwisehen jenem andern und dem Inhalt des Vorsatzee eine äusserliche Assoziation hergestellt werden ist. Hierzu gehört folgendes Beispiel: Ich lege Wert an! schönes löschpnpier und nehme mir vor. auf meinem heutigen Neclnnittsgsweg in die Stadt neues einzuknufeu. Aber an vier ent“einzmderlblgenden Tagen vergesse ich daran, bis ich mich befrage, welchen Grund diese Unterlassung hat. Ich finde ihn dann leicht, nachdem ich mich begonnen habe, dass ich zwar »Löschpepierx zu schreiben, aber »Fliesspapien zu sagen gewöhnt gewöhnt bin. »Flicss« ist der Nimm meines Freundes in Berlin, der mir in den nämlichen Tagen Anlass zu einem quälenden, besorgt/en Gedanken gegeben hat. Diesen Gedanken kann ich nicht los Weiden, aber die Ahwehrneiguug (vgl. Seite 39) äussert sich, indem sie sich mittelst der Wortglcichheit an] den ilidiileielrteli und darum wenig resietenten Vorsatz überträgt.

§ 880

Direkter Gegemville und entt'erntnre Mutivierung treifen in folgendem Falle von Aufichuh zusammen; In der Sammlung »Gienzfragen des Nerven- und Seelenlebens« hatte ich eine kurze Abhandlung über den Traum geschrieben, welche den Inhalt meiner »Tmumdeutunga resiiniiert. Bergmann in Wiesbaden sendet eine Korrektur und bittet um umgebende Erledigung, weil er das Heft noch vor Weihnachten ausgeben will. Ich mache die Korrektur noch in tler Nacht und lege sie auf meinen Schieibtisclr. um sie am nächsten Morgen mitzunehmen. Am Morgen vergesse ich deren, erinnere mich erst nachmitiags beim Anblick des Kreuzbandes auf meinem Schreibtisch. Ebenso vergesse ich die Korrektur am Nachmittag, am Abend und am nächsten Morgen_ bis ich mich aufmti'e und am Nachmittag des zweiten Tnges die

§ 881

§ 882

54 Du Vergemn vun Vunitneu.

§ 883

Karrehnr zu einem Briefkasten truge, vermmdert, was der Grund dient?“ Verzögerung sein mag. Ich will sie ofi'euhar nicht absenden, aber ich finde nieht1 warum. Auf demselben Spaziergang trete ich aber bei meinem Wiener Verleger. der auch das Trsumbuch publiziert hat, ein, mache eine Bestellung und sage dann, wie von einem plötzlichen Einihll getrieben; „Sie wissen doch, dass ich den »Traum« ein zweitßs Mal geschrieben habe?“ — „Ah, da. wurde ich doch bitten.‘ —— „Beruhigen Sie sich, nur ein kurzer Aufsatz für die LöwenfelrlKurellnsche Sammlung." Es war ihm aber doch nicht nicht; er hesurgtie, der Vortrag wiirde dem Absatz des Buches schaden. Ich widmpmch und fragte endlich: „Wenn ich mich fi'iiher an Sie gev wenth hm, würden Sie mit die Publikation untersagt haben?" 7 - „Nein, das keineswegs.“ Ich glaube selbst. dass ich in meinem vollen Recht gehandelt und nichts Anderes getan habe, als was allgemein iibiich ist; doch scheint: es mir gewiss, dass ein ähnliches Bedenken, wie es der Verleger äusserte das Motiv meiner Zögerung war. die Korrektur nbzusenden. Dies Bedenken geht auf eine frühere Gelegenheit zurück. bei welcher ein undch Verleger Schwierigkeiten erhob, als ich, wie unvenueidlich. einige Blätter Text aus einer früheren, in anderem Verlag em.-.hienenen Arbeit über zetebtaie Kinderliihmung unverändert in die Bearbeitung desselben Themas im Handbuch von Nethnagel hinübemuhm. Dort: findet aber der Vorwurf abermals keine Aue'rhelmnng; ich hatte auch dnmnls meinen emien Verleger (identisch mit dem der >Traumdeutungx) layal van meiner Absicht verständigt. Wenn aber diese Erinnernngsreihe noch weiter zurückgeht. so rückt sie mir einen noch früheren Anlass vor, den einer Übersetzung aus dem F\1mziieischen, bei welchem ich wirklich die bei einer Publikation in Betracht kommenden Eigentmmstechte verletzt habe. Ich hatte dem übersetzten Text Anmerkungen beigefügt. ohne fiir diese Anmerkungen die Erlaubnis des Antars nunhgesucht: zu heben. und habe einige Jahre später Grund zur Annahme bekommen. dass der Autor mit. dieser Eigenmäehtigkeit; unzufrieden war. Es gibt ein Sprichwort, welches die pupdäre Kenntnis v niit, dass das Vergessen von Vomätzen nichts Zufälliges ist: »Was man einmal zu tun vergessen hat, das vergisst man dann noch öthei'.«

§ 884

§ 885

VII.

§ 886

Das Vergreifen.

§ 887

Der dankenswerten Arbeit von Meringer und Mayer entnehme nehme ich noch die Stelle (S. 98):

§ 888

"Die Sprechfehler stehen nicht ganz allein da. Sie entsprechen den Fehlern, die bei anderen Tätigkeiten des Menschen sich oft einstellen und ziemlich töricht »Vergesslichkeiten« genannt werden."

§ 889

Ich bin also keinesfalls der erste, der Sinn und Absicht hinter den kleinen Funktionsstörungen des täglichen Lebens Gesunder vermutet.

§ 890

Wenn die Fehler beim Sprechen, das ja eine motorische Leistung ist, eine solche Auffassung zugelassen haben, so liegt es nahe, auf die Fehler unserer sonstigen motorischen Verrichtungen die nämliche Erwartung zu übertragen. Ich habe hier zwei Gruppen von Fällen gebildet; alle die Fälle, in denen der Fehleffekt das Wesentliche scheint, also die Abirrung von der Intention, bezeichne ich als »Vergreifen«, die anderen, in denen eher die ganze Handlung unzweckmässig erscheint, benenne ich »Symptom- und Zufallshandlungen«. Die Scheidung ist aber wiederum nicht reinlich durchzuführen; wir kommen ja wohl zur Einsicht, dass alle in dieser Abhandlung gebrauchten Einteilungen nur deskriptiv bedeutsame sind und der inneren Einheit des Erscheinungsgebietes widersprechen.

§ 891

Das psychologische Verständnis des »Vergreifens« erfährt offenbar keine besondere Förderung, wenn wir es der Ataxie und speziell der »kortikalen Ataxie« subsumieren. Versuchen wir lieber, die einzelnen Beispiele auf ihre jeweiligen Bedingungen zurückzuführen. Ich werde wiederum Selbstbeobachtungen hierzu verwenden, zu denen sich die Anlässe bei mir nicht besonders häufig finden.

§ 892

a) In früheren Jahren, als ich Hausbesuche bei Patienten noch häufiger machte als gegenwärtig, geschah es mir oft, dass ich, vor der Türe, an die ich klopfen oder läuten sollte, angekommen, die Schlüssel meiner eigenen Wohnung aus der Tasche zog, um — sie dann fast beschämt wieder einzustecken. Wenn ich mir zusammenstelle, bei welchen Patienten dies der Fall war, so muss ich annehmen, die Fehlhandlung — Schlüssel herausziehen anstatt läuten — bedeutete eine Huldigung für das Haus, wo ich in diesen Missgriff verfiel. Sie war äquivalent dem Gedanken: »Hier bin ich wie zu Hause«, denn sie trug sich nur zu, wo ich den Kranken lieb gewonnen hatte. (An meiner

§ 893

56 Du Vergreif-n.)

§ 894

eigenen Wuhnungstiir hints ich natürlich niemals.) Die Felilheuiillulig wu else eine symbolische Darstellung eines doch eigentlich nicht für ernsthnflß, bewusste Annnhme bestimmten Gedenkens, denn in der Realität vheiss dsr_Nervena.rzt gennu, dass der Kranke ihm nur so lange :mhinglinh bleibt, als er noch Vorteil von ihm erwartet., und dass er selbst inu- zum Zweck der psychisnhen Hilfeleistung ein ühei'inässig warmes Interesse für seine Patienten bei sich gewähren lässt.

§ 895

b) In einem bestimmten Hanse, wo ich seit sechs Jahren zweimal täglich zu festgesetzten Zeiten vor einer Türe im zweiten Stock nufEinlnss warte. ist: es mir während dieses lungen Zeitraums zweimal (mit einem kumen Intervall) geschehen, dass ich um einen Stock höher gegangen bin, also midi »verstiegenx habe. Das eine mal befand ich mich in einem ehrgeizigen Tagtmum, der mich »höher und immer höher steigen: liess. Ich iiberhörte damals sogar, dass sich die fing» liche Til: geöfluet hatte. als ich den F1ms auf die ersten Stufen des dritten Stockwerke setzte. Das ging ich wiederum »in Gedanken velsunkenz zu weit; als i ‘ es bemerkte. uinkelute und die mich hehenmhende Phantasie zu erhaseheu suchte, find ich, dass ich mich über eine (phantaaierte) Kritik meiner Schütten ärgerte, in welcher mir der Vorwulf gemaßht; wurde, dass ich immer »zu weit gingec, und in die ich nun den wenig respektvollen Ausdruck »verstiegen « einzusetzen hatte.

§ 896

6) Auf meinem Schreibtische liegen seit vielen Jahren neben einander ein Reflexhammer und eine Stimmgabel. Eines Tages eilc ich nach Schluss der Sprechstunde fort, weil ich einen bestimmten Stadthnhnzug maiehen will, stecke bei vollem Tageslicht anstatt des Hammer: die Stimmgabel in die Bocktnsclle und werde (lumh (lie Schwere des die Tasnhe herahziehenden Gegenstandes auf meinen Missgxifl' mufinerksam gemacht. Wer sich über so kleine Vorkommnisse Gedanken zu machen nicht gewöhnt ist, wird ohne Zweifel den Fehlgrifl' durch die Eile des Momentes erklären und entschuldigen. lvl; habe es trotzdem vorgemgen, mir die Frage zu stellen, warum ich eigentlich die Sfimmgnhel anstatt des Hammers genommen. Die Eilferfigkeit him.e ebensoqu ein Motiv sein können, den Griff richtig auszuführen. um nicht Zeit mit der Korrektur zu Versäumen.

§ 897

Wer hat zudetzt nach der Sfimmgabel gegritl'en? lautet die Enge, die sich mir da alit'driingt. Das war vor wenigen Tngen ein idiutisulics Kind. bei dem ich die Aufmerksamkeit auf Sinneseindrünke prüße, und das durch die Stimmgahel so gefesselt wurde, dass ich sie ihm nur schwer enü-eimenkonnte. Soll das also heissen, ich sei ein Idiot?

§ 898

§ 899

Das Vergreifen.

§ 900

Allerdings scheint es so, denn der i hste Eiul'all, der sich im Hummer assoziiert lnutet )Chemen (hehrii . . Esel).

§ 901

Was soll aber dieses Geschimpl'e? Man muss hier die Situation beliagen. Ich eile zu einer Konsultation in einem Ort an der Westbahnstrecke, zu einer Kranken, die nach der brieflich mitgeteilten Anamnese vor Monaten vom Balkon liernhgeetiirzt ist und seither nicht gehen kann. Der Arzt, der mich einlädt, schreibt, er wisse tmtzdeiu nicht, ob es sich um Riiekenmnrksverletzung oder um lmumetisehe Neumse — Hysterie — handle. Das soll ich nun enfieheiden. Da. wäre also eine Mahumig em Platze, in der heiklen Ditferentialdiagnose

§ 902

'hesondeis vorsichtig zu sein. Die Kollegen meinen ohnedies, man diagnostiziere viel zu leichtsinnig Hysterie, wo es sich um ernstere Dinge handle. Aber die Besehimpfimg ist noch nicht gerechtfertigt! Ja, es kommt hinzu, dass die kleine Bahnstation der nämliche Ort ist, an dem ich vor Jahren einen jungen Mann gesehen. der seit einer Gelnütsbewegung nicht ordentlich gehen konnte, Ich diagnostiziert/e damals Hysterie und nahm den Kranken später in psychische Behandlung. und denn stellte es sich heraus, dass ich freilich nicht unrichtig diagnostiziert ham, aber auch nicht richtig. Eine ganze Anzahl der Synipteme des Kranken war hysterisch gewesen, und diese schwnnden 1lllGll prompt im Laufe der Behandlung. Aber hinter diesen wunle nun ein für die Therapie unente.sthnrer Rest sichtbar, der sich nur auf eine multiple Sklerose beziehen liess. Die den Kranken nach mir sahen, hatten es leicht, die organische Afi‘ektion zu erkennen; ich hätte kaum andere vorgehen und anders urteilen können, aber der Eindruck war doch der eines schweren Iirtums; das Versprechen der Heilung, das ich ihm gegeben hatte, war natürlich nicht zu heiten. Der Missgn'tf nach der Stiuungebel anstatt nach dem Hammer lies sich also so in Worte übersetzen: Du Trottel, Du Esel, nimm Dich diesmal zusammen, dass du nicht wieder eine Hysterie diagnostizie1st, wo eine unheilhtu‘e Krankheit vorliegt, wie bei dem armen Mann im demselben Ort vor Jahren! Und zum Glück für diese kleine Analyse, wenn auch zum Unglück für meine Stimmung, war dieser selbe Mann mit schwerer s|r ischer liihmung wenige Tage Vorher und einen Tag nach dem idiotisehen Kind in meiner Sprechstunde gewesen.

§ 903

Main merkt. es ist diesmal die Stimme der Selbstki'itik, die sich durch das Fehlgreifen vernehmlich macht. Zu solcher Verwendung &. Selbstverwurf ist der Fehlgrill' ganz besonders geeignet Der Missgrill' hier will den Missgrifl', den man anderswo begangen hat, darstellen.

§ 904

u) Sellistverst.iin ich kann das Fehlgieii'en auch einer ganzen

§ 905

§ 906

58 Du Vergreifsn.

§ 907

Reihe anderer dunkle Absidihan dienen. Hier ein erstes Beispiel: En kommt dir selten vor, dm ich etwas mischlnge. Ich bin nicht besonders gmhickt. aber infolge der anatomischen Integrität meiner Nmuehlnppente sind Gründe fiir so ungeschivkee Bewegungen mit unerwünschten! Erfolg bei mir eßenbur nicht gegeben. Ich weiss also kein Objekt in meinem Hause zu erinnern, deseugleichen ich je unehlegen hide. Ich bin dumh die Enge in meinem Studienimmer oh genötigt, in den unbequemsten Stellungen mit einer Anzahl von antiken Tom und Steinenhen, von denen ich eine kleine Sinnmlung hehe, zu hnrit:ieirenY so dass Zuschauer die Besorgnis ausdrücken, ich wiirde etwas henmferschlendem und zenschlegen. Es ist aber niemals geschehen. Warum hehe ich also unlängst den mannernen Deckel meines einfmhen 'l‘intengefässes zu Boden gewerfen, so dass er werhrmh?

§ 908

. Mein Tintenzeug beehaht aus einer Platte von Untemberger Marmor, die fiir die Aufnahme des gläsernen Tintenfüschens euegehölllt ist; das Tintenfnm trägt einen Deckel mit Knopf aus demselben Stein. Ein Kranz von anzeebtnetfen und Tenelrottu-Figürehen ist hinter diesem Tinteuwug autgeehsllt. Ich setze mich an den Tisch, um zu schreiben, inwhe init deannd, welche den Federetiel hält. eine merkwürdig ungeschicktzs. ansfnhxeude Bewegung und werfe so den Deckel des Tinbenfanes, der bereite auf dem Tische lag, zu Boden. Die Erklärung ist nicht schwer Ill finden. Einige Stunden vorher war meine Schwacher im Zimmer gewesen, um sich einige neue Erwerhnngen nn— zueehen. Sie fand sie sehr schön und änsserte dann: „Jetzt sieht Dein Schreibh'ech wirklich hübsch uns, nur dns Tintemumg passt nicht (hun. Du must ein schöneres haben.“ Ich begleitete die Schwester hinaus und kann ent naeh Stunden zurück. Daum aber habe ich, wie (‘n scheint, an dem vemrteilten 'fintemeug die Exekution vollzogen. Schluss ich etwa um den Worten der Schwester, dass sie sich vorgenonnncn habe, mich zur nächsten festlichen Gelegenheit mit einem schönemn Tintenzeug zu beschenkeu, und zersehlug dee misdhöne alte, um sie zur Verwirklichung ihrer angedeuteten Absicht zu nötigen? Wenn dem so ist, so war meine schleudemde Bewegung nur scheinbar unngeschickt; in Wirklichkeit war sie höchst geschickt und zielbewusst und verstand es, allen wertvolleren in der Nähe befindlichen Objekten schonend unismweichen.

§ 909

Ich glaube wirklich. dass man diese Beurteilung fiir eine ganze nähe von nacheinend zufällig ungmohielrten Bewegungen] annehmen mus. & ist richtig, das diese etwas Gewelteames, Sehleudemdes. wie Bpuüseh-uhhisuhes zur Sdmu trugen, aber sie erweisen sich als

§ 910

§ 911

D... Vergreil'un, 59

§ 912

von einer Intention beherlscht und helfen ihr Ziel mit einer Sicherheit, die man den bewusst willkürlichen Bewegungen nicht allgemein nachriihmen kann. Beide Charaktere, die Gewaltsemkeit wie die Tlefl'sicherheit, haben sie übrigens mit den motorischen Äuseerungen der hystcrischen Neurose mid zum Teil auch mit den motorischen Leistungen des Somnumlrulismus gemeinsam. was wohl hier wie dort auf die nämliche unbekannte Modifikation des Irinervetionsvorganges hinweist

§ 913

Das Fellerdassen von Objekten. Umwerieri, Zerschlngen derselben scheint sehr häufig zum Ausdruck unliewusster' Gedenkengänge var\vuudct zu werden, wie man gelegentlich durch Analyse beweisen kaum häufiger aber aus den ahergliiuhisch oder schenhait daran gekui'rpflen Deutinigen im Volksmurule ernten möchte, Es ist bekannt, welche Deutungen sich an das Ausschütten von Salz, Umwerfen eines Weinglrises_. Stecksubleiben eines zu Boden gefallenen Messers u. dgl. knüpfen. Welches Anrecht auf Beachtung solche erhergläuhischc Deutungen haben. werde ich erst an späterer Stelle erörtem; hierher gehört nur die Bemerkung, dass die einzelne ungeschickte Verr'ichtung keineswegs einen konstanten Sinn hat, sondern je nach Umständen sich dieser oder jener Absicht als Durstellungsrnittel bietet.

§ 914

Wenn dienende Personen gebrechliche Gegenstände durch Fullenlassen vernichten, su wird man zur eine psychologische Erklärung hie— lür' gewiss nicht in erster Linie denken. durch ist auch dabei ein Beitrag dunkler Motive nicht unwahrscheinlich. Nichts liegt dem Ungehildet.en ferner als die Schätzung der Kunst und der Kunstwerke. Eine dumpfe Feindseligkeit gegen deren Erzeugnisse beherischt unser dienendes Volk, zumal wenn die, Gegenstände, deren Wen sie nicht einsehen, eine Quelle von Arbeitsmitbnlei'mig für" sie werden. Leute von derselben Bildnngsstul'e und Herkuuit zeichnen sich dagegen in wissenschaftlichen Instituten oft durch grussc Geschicklichkeit und Verlässlichkeit in der Handhabung heiklor' Objekte * wenn sie erst begonnen haben. sich mit ihrem Herrn zu identi 'cren und sich zum wesentlichen Personal des Instituts zu rechnen.

§ 915

Sich selbst iullen luascn, cinen Folrltritt nischen. unsglciten. braucht gleichfalls nicht immer als rein zrrfiilliges Fehlschlagen motorischer Aktion gedeutet zu werden. Der sprachliche Duppelsinn dieser Ausdrücke weist bereits auf die Art von verhrrllerren Phantasien hin_. die sich durch solches Aufgehen des Körpergleichgewichts darstellen können. Ich erinnere mich an eine Anzahl von leichteren ner-viisen Erkmnkrnrgen bei Frauen und Mädchen. die nach einem Fall ohne

§ 916

60 Du Vergreit'en.

§ 917

Ver-lehan mdgeh‘eten waren und als tranmntisehe Hysterie zulnlge des Schecks beim Felle aufgefasst: wurden. Ich bekam schon dannds den Eindruck, als ob die Dinge enden; zusnminenhingen, als wäre das

§ 918

Fallen bereits eine Vmushltnng der Neumse und ein Ausdruck der— '

§ 919

selben unbewussten thit.ssien sexuellen Inhalts gewesen, die man als die bewegenden Kräfte hinter den Symptmnen vermuten darf, Sollte dasselbe nicht auch ein Sprichwort sagen wollen. welches lautet: „Wenn eine Jungfmu fiillt, fällt sie auf den Rücken“?

§ 920

e) Dass zulällige Aktionen eigentlich aheiehtliche sind, wird auf keinem anderen Gebiete eher Glauben finden als auf dem der sexuellen Betätigung, wo die Grenze zwischen beiderlei Arten sich wirkl h zu verwischen scheint. Dass eine scheinbar angeschickte Bewegung höchst. reliiniert zu sexuellen Zwecken ausgenutzt werden kann, deren haha ich vor einigen Jahren an mir selbst: ein schönes Beispiel erlebt. Ich traf in einem befiem1dstzen Hause ein als Gast nngelnngtes junges Mädchen, welches ein hängt. fiir erloschen gehelt.eues Wohlgeiallen bei mir erregte mid mich darum heiter, gesprächig und zuvorkoinmend stimmte. Ich habe damals auch nachgeforscht, auf welchen Bahnen dit! “ging; ein Jahr vorher hatte dasselbe Mädchen mich kühl gelassen. Als nun der Onkel des Mädchens, ein sehr alter Herr, ins Zimmer tl‘lt. sprengen wir beide auf. um ihm einen in der Ecke stehenden Stuhl zu bringen Sie war behender als ich. wohl auch dem Objekt näher; so hatte sie sich zuerst des Sessels beinäclitigt und trug ihn mit der Lebne nach rückwärts, beide Hände illlf die Sesselränder gelegt, vor sich hin. Indem ich später hinzntmt und den Anspruch. den Sessel zu tragen, doch nicht mfgeb, stand ich plötzlich dicht hinter ihr, hatte beide Arme von rückwärts um sie geschlungen, und die Hände t.nifen sich einen Moment lang vor ihrem Schuss. Ich löste natürlich die Sitzution ebenso nach, als sie entstanden war. Es schien auch keinem nul'zufnllen, wie geschickt ich diese uilgescliickte Bewe» gung ausgebeth hatte.

§ 921

Gelegentlich habe ich mir auch sagen müssen, dass das ärgerliche, ungemhiukte Ausweiehen auf der Strasse, wobei man durch einige Sekunden hin und her, aber doch stets nach der nämlichen Seite wie der oder die Andere, Sd:ritte macht, bis endlich beide ver einander stehen bleiben, dass auch dieses den Weg Vertretern ein nnartig pmvoziemudes Benehmen früherer Jahre wiederholt und sexuelle Ahsichtnn nnter‘der Maske der Ungeschicklid1keit verfolgt. Aus meinen Peydioenalysen Neurotischer weiss ich, dass die sogenannte Neivität. junger Leute und Kinder häufig nur solch eine Maske ist., um das

§ 922

§ 923

Dun Vergreifen. 61

§ 924

Unanstéhdige nnheirrt durch Genieren aussprechen oder tun zu können. * "

§ 925

A l') Die Effekte, die durch das Fehlgreifen normaler Menschen zustande kommen. sind in der Regel von harmlosester Axt Gerade darum wird sich ein hemnderee Tuteresse un die Frage knüpfen, oh FehlgrifTe von erheblicher Tragweite, die von bedeutsamen Folgen begleitet sein können, wie z. B. die des Amtes oder Apotheken, nach irgend einer Richtung unter unsere Gesichtspunkte fallen.

§ 926

Du ich sehr selten in die Lage komme. ärztliche Eingriffe vorzunehmen, hube ich nur über ein Beispiel von iirztlichem Vergieifim aus eigener Erfahiung zu berichten. Bei einer sehr alten Dame. die ich seit Jahren zweimal täglich heeuche, beschränkt sich meine ärztliche Tätigkeit beim Morgenbesuch auf zwei Ak ch ti'iiufle ihr ein paar Tropfen Augenwnsser ins Auge und gehe ihr eine Moniliiuminjektinn. Zwei Fliigchchen, ein blnues fiir das Kollyrium und ein weisses mit der Murphinliifiung, sind regelmässig vorbereitet. Während der beiden Vorrichtungen beschäftigen sich meine Gedanken wohl meist mit etwas anderem; das hat sich eben schnn so nit wiederholt. dnss (lie Aufmerksamkeit sich wie, frei benimmt. Eines Morgens bemerkte ich, dass der Automat falsch gearbeitet lmtte, das Tropfiv'ihrrheu hatte ins weisse anstatt ins blaue Fläschchen eingetauchl: und nicht Knllyrium, Sendern Morphin ins Auge geträut'elt Ich elechrak heftig und beruhigte mich dann durch die Überlegung. dass einige Tmpfen einer zweipmzentignn Morphiulöfiung mich im Bindehnutsnck kein Unheil mrznrichtrn rer» mögen. Die Sclueckempfindung war otfenhar midemwoher ahzuleiten.

§ 927

Bei dem Versuch. den kleinen Fehlgrifl' zu analysieren. fiel mir zunächst die Phrase ein ich nn der Alten ver-greifen“, die den kurzen \Vng mr Liisung weisen konnte. Ich stand unter dem Eindruckc eines Tmumes. den mir um Abend vorher ein junger Min\u erzählt hatte. dessen Inhalt sich nur auf sexuellen Verkehr mit der eigenen Mutter deuten liess.‘) Die Sonderhrirkeit. dass die Sage keinen Anstoss an dem Alter der K" igin Jokustß nimmt, schien mir gut zu dem Ergebnis zu stimmen, dass es sich bei der Verliehtheit in die eigene .' n mals um HEETg€ébi1w [tige Person handelt. sondern um in‘ jngcnidhchesds‘7rinnernngsbild aus den Kindeijitluen. Solche Inkon’stelleii sich immer heraus. wo eine zwischen zwei Zeiten

§ 928

.) I).-u ()enlipum’l‘rnumei, wie ich ihn zu uuuuuu pfleg , weil er den Sal-iuan zum Ventimlnis der Sage \'nu Kam; Ue<lipun „man. Im rm des Snphnklen m die Beziehung uur einen nnlchen Traum .1„ Jukawle m den Mund gelegt. (Vgl. „Tmnmdeutung“, „. 132)

§ 929

§ 930

59 Du Vergreit'en.

§ 931

schwenknl,dn Phantasie bewusst gammht und dndnmh an eine bestimmte Zeit @hnden wird. In Gedanken solcher Art versnnken kam ich nr.-meiner über neumzigjäbrigen Patienfi.u, und ich muss wohl auf dem Wege gewesen sein, den allgemein menschlichen Chmkter der Gediwufabal All dns Korrelat des Verhängnisses, das sich in den Orakeln Samt, zu er£nmen, denn ich vergriff mich dann „bei oder an (ler Alten“. Index dies Vergmit'en Wut wiederum harmlos; ich hatte von den beiden möglichen Irrtümern, die Morphinlösung fürs Auge zu verwenden, oder dus Augenwasser zur Injektion zu nehmen. den bei weitem hannloseren gewählt. Es bleibt immer noch die Frage, ob man bei Fehlg‘iil'e , die schweren Schaden stifien können, in ähnlicher Weise wie bei den hier behmidelteu eine unbewusste Absicht in Erwägung ziehen darf. {

§ 932

Hier lässt mich denn. wie zu erwarten steht. das Material im Stiche, und ich bleibe auf Vermutungen und Annäherungen angewiesnn. Es ist; bekannt, das bei den schwerem Neu von Psychoneumse Selbetbesphädignmgnn gelegentlich als Krankheitesymptome auttreten. und dem der Anegang des psychischen Konfliktes in Selbstmord bei ihnen niemals auszuschließen ist. Ich habe nun erfahren, und werde es eines Tages durch gut mfgeklärte Beispiele belegen, dass viele scheinbar zufällige Schädigungen, die solche Kranke mim, eigentlich Sellntbeschiidigungen sind. indem eine beständig luuemde Tendenz zur Sellßtbestnfung, die sich sonst als Selbstverwm—t' äuseett_. oder ihre-n Beitrag zur Syxnptmnbildung stellt., eine zufällig gebotene äussere lituuh'on gesehiokt ansnütnt, oder ihr etwa noch bis zur Emichnng dm gewünschten schälligendan Efl'ektes nachhilfi. Solche Vorkommnisse sind auch bei mittelsebwamn Fällen keineswegp selten, und sie verrntmi den Anteil der unbewusstbn Absicht durch eine Reihe von besonderen Zügen, :. B. durch die autl'iillige Fassung, welche die Kranken bci dein angeblichen Undflclmfelle bewahren»)

§ 933

Wer an das Vorkommen von han absichtlicber Selbetbeechiilligung — wenn der»ungeschickte Ausdruck gestattet ist — glaubt, der wird dadurch volbereitet anzunehmen, dass es ausser dem bewusst absicht— licth Selbstmord unnb halb nhsiebtliche Selbstvernichtung — mit un

§ 934

-) Die Selbltbecdlidigung, die nicht voll ...: 8elbltvernicbtung hinzielt. hat in unserem geguqueu Kultuflusßnd überhaupt keine Andere th1, his “rich hinter der Zufulligkeit zu verbergen, oder sich durch Simulation einer lpouhnuu Erimairung durehmsetun. Früher einmnl Wu lie ein gebrimehlivhus Zeichen der Turm; ru nuderen z„im kannte sie Ideen der Frönunigkeit und Weltentugvug Ausdruck geben ’

§ 935

As“

§ 936

§ 937

Dnr Vergwifen. 63

§ 938

bewusster Absicht — gibt., die eine Lebensbedrohnng geschickt miszunützen rund sie als znt llige Vernngliicknng zu markieren weiss. Eine. solche braucht keineswegs selten zu sein. Denn die Tendenz zur Selbstvemichtung ist bei sehr viel mehr Menschen in einer ge =en Stärke vorhniideii, als bei denen sie sich durchsetzt; die Selbstheschiidignngen sind in der Regel ein Kompromiss zwrschen diesem Triely und den ihm noch entgegenwirkenden Kräfien, und auch wo es wirklich zum Selbstnmnl kommt, (ill ist die Neigung dazu eine lmige Zeit vorher in geringerer Stärke oder alt; inilieu‘usste und niiterdrtiekte Tendenz vorlmnden gewesen.

§ 939

Auch die bewusste Sellistnmrdflhsieht wählt ihre Zeit, Mittel und Gelegenheit: es int. ganz im Einklang damit, we nndie nnhmvnuste einen Anlass :rliwartet, (ll'l‘ einen Teil der Vernmrwhnng auf sich nehmen und sin durch Inanspruchnahme der Ah\vehrkiäfie, des Individunmn von ihrer Bedü'u ung frei nirmlien kann“) Es Rind keineswegs miissige Erwägungen. die ich (In vor-bringe; mir ist mehr als ein Fall von anscheinend znfiilligein Verungliicken (zu Pferde oder aus dem Wagen) bekannt geworden, dessen nähere Unisß'indn den Verdacht auf unbewusst zugelassenen Selbstmord rechtfertigen Da stürzt z. B. während eines Oflizieimvottrennens ein Offizier vom Pferde und verletzt sich so schwer, dass er melnem Tage, nmlilmr erliegt. Sein Benehmen. nachdem er zu sich gekommen. ist in manchen Stücken auffällig. Noch lmnnrkenswnrter int. sein Benehmen vorher gewesen. Er ist t f reintinnnt durch den Tod seiner geliebten Mutter, wird von Weinkinnipten in der Gesellxcliitft seiner Kuntem.den linf'ii.llen. er 5lflß('l’t lebensüberdruss gegen seine vertrauten Freunde, will den Dienst

§ 940

‘) 'Der Full int drum sich“ glich kein anderer als der des sexuellon Attenum nur eine Frau. bei dem der Angrih" des Mannes nicht durrh dit.- volle Murke":th .m Weilies nl)gewelnrt werden kunn, weil ihm ein Teil der unhewnnsten iii-gungen th—t- Angegrifl'cnen iiiuierrui entgegentl kommt. Mur. sngt jn wohl, eine «nicht: Sitnntion liilune die Kri.itr der Fruu; mut. braucht drum nur nncli die Gründe hir diese Schwichnng hinzufügen. Inmfem ist der geiutreielie Ricliternprnch (lim Sm.-,ho Pnurn, den er uhr Gouverneur auf seiner Insel F.illl, prychuiagireh ungerecht. (Dun Qnijnte n. T. Kup. XLV.) Eine Frnu zent einen Munn wir den Richter, nur sie angeblich guwritrum ihrer Ehre lmruuht hut. Smich entschädigt sie durch die volle Geldbörse. die er dem Angeklngtcn uhniuimt, und gibt diesem nneh dem Ahgange der Frau die Eriuniinir, ihr intelmuoilt-n und ihr die Börse wieder zu entreimen. Sie kommen beide ringrrui windur, und tin-, Fruit hurühnit sich. ihm tler Büsewioht nicht imiitamlc grwritu Ami, sich der Bärrr zn buntiiuhtigen, Duruui Snnelm: Hittcst Du Deine Ehre hn|h rn rrnstlinl't \erteinligt wie diese Börse, im htm- „in Dir der Mann nicht rauhen können.

§ 941

§ 942

6; Du Vergreifen.

§ 943

quittieren, um an einem Kriege in Afrika Anteil zu nehmen, der ihn samt nicht berührt‘); früher ein sehneidiger Reiter, weichter jetzt dem Reiten aus, wo es nur möglich ist. Vor dem Wetttennen endlich, den er sich nicht entziehen kann, äussert er eine trlibe Ahnung; wir ' werden uns bei unserer Aufiessung nicht mehr verwundem, dass diese Ahnung Recht behielt Man wird mir entgegenhalten. es sei in ohne weiteres verständlich, dass ein Mensch in solcher nervöser Depression das Tier nicht zu meistern versteht wie in gesunden Tagen. Ich hin ganz einv’erstnnden; nur möchte ich den Mechanismus dieser motorischen Hemmung durch die Nervosität in der hier betonten Selbstvemirhtnngsnhsic.ht suchen.

§ 944

Wenn so ein Wii1en gegen" die eigene Integrität und das eigene haben hinter anscheinend zntl'llliger Ungesrhickliehkeit. und motorischer Unzulängliehkeit verborgen sein kann, so braucht man keinen grossen Schritt mehr zu “in, um die Übertregluig der niimh'chen Anfi'nssung auf Fehlgriti'e möglich zu finden, welche Leben und Gesundheit anderer ernstlich in Gefahr bringen. Was ich an Belegen fiir die Triftigkeit dieser Aufiussung Vorbringen kann, ist der Erfahrung an Neum— tikern entnommen, denkt sich also nicht, völlig mit dem Erfordernis. Ich werde über einen Fall berichten, in dem mich nicht eigentlich ein Feldgrit’t', sondern, was man eher eine Symptom- oder Zufallshaml-. lung nennen kann, auf die Spur hrwhte, welche dann die lösung des Konflikts bei dem Patienten ermöglichte. Ich übernahm es einmal. die Ehe eines sehr intelligenten Mannes zu bessern, dessen Missholligkeiten mit seiner ihn zärtlich liebenden jungen Frau sich gewiss auf reale Begründnngen berufen konnten, aber wie er selbst zugnh, durch diese nicht vull erkli'n't wurden. Er beschädigte sich unabläesig mit dem Gedmleen der Scheidung. den er nimm wieder verwnrt', weil er seine beiden kleinen Kinder ürtlirh liebte. Trotzdem kam er immer wieder auf den Vorsatz zurück und versuchte dabei kein Mittel. um sich die Situation ertrli.glioh iu gestalten. Solches Mchtt'ertigwmlen mit einem Konflikt gilt mir als Beweis dafiir, dass sich unbewussto und verdrängte Motive zur Verstärkung der mit einander str-eitenden bewussten bereit gefunden haben, und ich untemehme es in solchen Men, den Konflikt durch psychisnhe Analyse zu beenden. Der Mann erßhlte mir eines Tages von einem kleinen Vorfall, der ihn nul's]

§ 945

1) Dun die sin-mm den s.;mmcrnm eine solche ist, wie sie der Imwussten snmmm.mm eutgvgeukummt, die doch den direkten Weg scheut. in nm«ma. Vgl. im ,w.n„mnw die Wem der schwedischen Hnnpt< menu- über den 15.1 des In Piconlomini: „Msn sagt, er wollte sterben‘fl

§ 946

§ 947

Symptom- und znnnh„„di.mgen.

§ 948

äusserste erschreckt hatte. Er »hetzte« mit seinem älteren Kind, dem weitaus geliebtemn, hab es hoch und lies es nieder und einmal an snlcher Stelle und so hoch, dass das Kind mit dem Scheitel fast an den schwer herabhiingenden Gasluster augestosseu hätte. Fast, aber (inch eigentlich nicht oder gerade eben noch! Dein Kind war nichts geschehen. aber es Wunde vor Schreck schwindlig. Der Vater blieb entsetzt mit dem Rinde im Arme stehen, die. Mut1er bekam einen hystsrischen Anfall. Die besondere Geschicklichkeit dieser unvm'sichtigen Bewegung, die Heltigkeit der Reaktion bei den Eltern legten es mir indie, in dieser Zufiilligkeit eine Sympimnhsndlnng zu suchen, welche eine böse Absicht gegen dus geliebte Kind zum Ausdruck bringen sollte. Den Widerspruch gegen die aktuelle Zärtlichkeit dieses Vaters zu seinem Rinde konnte. ich milder-u. wenn ich den Impuls zur Schädigung in die Zeit zurückverlegte, da. dieses Kind das einzige und SD klein gewesen war, dass sich der Vater noch nicht zärtlich für dasselbe zu interessiemn brauchte. Dann hatte ich es leicht. anzunehmen, dass der von seiner Freu wenig befriedigte Mann damals den Gedanken gehabt oder den Vorsatz gefasst: Wenn dieses kleine Wesen, an dem mir gar nichts liegt, stirbt. dann bin ich frei und kann mich von der Frnu scheiden lassen. Ein Wunsch nach dem Tode dieses jetzt so geliebten Wissens musste also unbewusst weiterbestßben. Von hier sb wsu' der Weg zur nnbewussten Fixierung dieses Wunsches leicht zu finden. Eine mächtige Deterruinierung ergab sich wirklich uns der Kindheit.—serinnemng des Patienten, dass der Tod eines kleinen Bruders den die Mutter der Nschlässigkeit des Vaters zur Imst legtc, zu heftigen Anscinnndexsntzungen zwischen den Eltern mit Scheiduugsundmhung f"hrt hatte. Der weitere Verlauf der Ehe meines Pntienten be— stätigte meine Kombination nach durch den therapeutischen Erfolg.

§ 949

VIII. Symptom- und Zufallshandlungen.

§ 950

Die bisher beschriebenen Handlungen, in denen wir die Ausfiilu'ung einer unbewussien Absicht erkannten, traten als Störungen nnderer henbsichtigtcr Handlungen sul“ und deckien sich mit dem Vorwand der Ungeschicklichkeit. Die Zufallshmidlnngen. von denen jetzt die Rede sein soll, unterscheiden sich von denen des Vurgreit'ens nur dadurch, dass sie die Anlehnung an eine bewusste intentinu rer.—1 miihen m.... 6

§ 951

i‘nud. zu. Plynhopllhalnule an Am.

§ 952

§ 953

Symptom- und znnnh„„di.mgen.

§ 954

äusserste erschreckt hatte. Er »hetzte« mit seinem älteren Kind, dem weitaus geliebtemn, hab es hoch und lies es nieder und einmal an snlcher Stelle und so hoch, dass das Kind mit dem Scheitel fast an den schwer herabhiingenden Gasluster augestosseu hätte. Fast, aber (inch eigentlich nicht oder gerade eben noch! Dein Kind war nichts geschehen. aber es Wunde vor Schreck schwindlig. Der Vater blieb entsetzt mit dem Rinde im Arme stehen, die. Mut1er bekam einen hystsrischen Anfall. Die besondere Geschicklichkeit dieser unvm'sichtigen Bewegung, die Heltigkeit der Reaktion bei den Eltern legten es mir indie, in dieser Zufiilligkeit eine Sympimnhsndlnng zu suchen, welche eine böse Absicht gegen dus geliebte Kind zum Ausdruck bringen sollte. Den Widerspruch gegen die aktuelle Zärtlichkeit dieses Vaters zu seinem Rinde konnte. ich milder-u. wenn ich den Impuls zur Schädigung in die Zeit zurückverlegte, da. dieses Kind das einzige und SD klein gewesen war, dass sich der Vater noch nicht zärtlich für dasselbe zu interessiemn brauchte. Dann hatte ich es leicht. anzunehmen, dass der von seiner Freu wenig befriedigte Mann damals den Gedanken gehabt oder den Vorsatz gefasst: Wenn dieses kleine Wesen, an dem mir gar nichts liegt, stirbt. dann bin ich frei und kann mich von der Frnu scheiden lassen. Ein Wunsch nach dem Tode dieses jetzt so geliebten Wissens musste also unbewusst weiterbestßben. Von hier sb wsu' der Weg zur nnbewussten Fixierung dieses Wunsches leicht zu finden. Eine mächtige Deterruinierung ergab sich wirklich uns der Kindheit.—serinnemng des Patienten, dass der Tod eines kleinen Bruders den die Mutter der Nschlässigkeit des Vaters zur Imst legtc, zu heftigen Anscinnndexsntzungen zwischen den Eltern mit Scheiduugsundmhung f"hrt hatte. Der weitere Verlauf der Ehe meines Pntienten be— stätigte meine Kombination nach durch den therapeutischen Erfolg.

§ 955

VIII. Symptom- und Zufallshandlungen.

§ 956

Die bisher beschriebenen Handlungen, in denen wir die Ausfiilu'ung einer unbewussien Absicht erkannten, traten als Störungen nnderer henbsichtigtcr Handlungen sul“ und deckien sich mit dem Vorwand der Ungeschicklichkeit. Die Zufallshmidlnngen. von denen jetzt die Rede sein soll, unterscheiden sich von denen des Vurgreit'ens nur dadurch, dass sie die Anlehnung an eine bewusste intentinu rer.—1 miihen m.... 6

§ 957

i‘nud. zu. Plynhopllhalnule an Am.

§ 958

§ 959

66 sympnom- und Zul'nlllhlndlnngon.

§ 960

und nlsd des Verwsndee nicht bedürfen. Sie treten fiir sich auf und wenden zugelnesen, weil mm Zweck und Absicht bei ihnen nicht ver— mutet. Mm fiihrt sie aus, „ahne sich etwas bei ihnen zu denken“, nur „rein miiillig“, „wie um die Hände zu beschäitigen“, und man rechnet darauf, dass solche Auskunfi der Nachfomhmg nach der Bedeutung der Handlung ein Ende bereiten wird. Um sich dieser Ausnahmsstzellung erfreuen zu können, miissen diese Handlungen, die nicht mehr die Entschuldigung der Ungewhiclilichkeit in Anspruch nehmen, bestimmte Bedingungen «füllen; sie müssen unauffällig und illß Efiekte müssen gelingfligig sein.

§ 961

Ich habe eine grosse Anzahl solcher Zufallshnndlungen bei mir und anderen gesammelt, und meine nach grihidlieher Untersuchung der einzelnen Beispiele, dass sie eher den Namen von Symptomlmndlungen verdienen. Sie bringen etwas zum Ausdruck, was tler Täter selbst uidat in ihnen vermutet, und was er in der Regel nicht mitzuteilen, sondern für sich zu behalten beabsichtigt Sie spielen nlsn ganz so wie alle nudean bisher betrachteten Phänomene die Rolle von Symptmnen.

§ 962

Die reichstie Ausbeute an solchen Zuth]ls— oder Symptnmhainllungen erhält men allerdingn bei tler psynhoanalytisc.hen Behmnllung der Neurotileer. Ich kann es mir nicht Versagen. im zwei Beispielen dieser Herkunft: zu zeigen, wie weit: und wie [ein die Detel'niiniernug dieser unscheinhnren Vorkommnisse durch unhewusste Gedanken getrieben ist. Die Grenze der Symptnmhimdlnngen gegen dasVe1-greit'eu ist so wenig scharf} dass ich diese Beispiele auch im vorigen Abschnitt hätte unterbringen können,

§ 963

a) Eine junge Frau erzählte als Einfnll während (ler Sitzung. dass sie sich gestern beim Nägelschneiden „ins Fleisch geschnitten. während sie (les feine Häutchen im Negelbett nbzntrn,geu bemüht um“. Das ist so wenig interessant:. dass man sich verwundert liegt. wozu Ps iiberhaupt erinnert und erwähnt wird, und euf die Vermutung go "t.

§ 964

man habe es mit einer Symptnmhnndliuig zu tun. Es war auch wirk- '

§ 965

lich der Ringfingfl‘, an dem das kleine Ungeschick verfiel, der Finger. an dem man den Ehering trägt. Es war iiberdies ihr Hechzc ing, was der Verletzung des {einen Häutchens einen ganz hestimmtßu, leirht zu münden Sinn verleiht. Sie erzählt auch gleichzeitig einen Tinuln, der auf die Ungcsc.hicklichkeit ihres Mannes und auf ihre Alliisllivsiu als Frau anspielt. \Vm'uin war es fiber der Ringfiuger der linken Hand, nn dem sie sich verletzte, dh man duch den Ehei‘ing an der rechten Hand trägt? Ihr Mann ist Jurist, »Doktor der Rechtm, und

§ 966

§ 967

Synrptom- und annllslurndlungen. 67

§ 968

ihre geheime Neigung hatte als Mädchen einem Arzt (selierzhnfl: »Doktor der Linker) gehört. Eine Ehe zur linken Hand heit auch ihre bestimmte Bedeutung.

§ 969

l)) Eine nnverheirnteie junge Dame erzählt: „Ich habe gestern ganz unulrsichtliclr eine 100 Guldennote in zwei Stücke gerissen und die ilflß. davon einer mich besuchenden Dame gegeben. Soll das run-h eine Symptnmlrandlung sein?“ Die genauere Erforschung deckt folgende Einzelheiten auf : Die Hundertguldennote: Sie widmet einen Teil ihrer Zeit und ihres Vermögens wohltätigen Werken. Gemeinsam mit einer anderen Dame sorgt sie fiir die Erziehung eines verweisten Kindes. Die 100 Gulden sind der ihr zugesehiukte Beitrag jener Dnme. den nie in ein Convert einschloss und vorläufig auf ihren Schreibtisch nieder-legte.

§ 970

Die Besucherin wer eine angesehene Dame, der ne bei einer anderen \Voliltiitigkeitsnktinn heisteht. Diese Dame wollte eine Reihe von Nrnnen von Personen notieren, im die man sich um Unterstützung wenden könnte. Es fehlte nn Papier-, dir griff meine Patientin nach dem (lem-ort auf ihrem Schreibtisch und riss es. nhne sich an seinen inhalt zu besinnen, in zwei Stücke. von denen sie eines seilrst behielt, um ein Dupliknt der Nanicnslistc zu haben. das andere ihrer Besucherin iilwrgnh. Man bemerke die Hin1nlnsigkeit dieses unzweclnnäseigen Vnrgelteim. Eine Hundertguldmrnote erle,r et bekmintliclr keine Einbnsse nn ihrem Werte, wenn sie zerrissen wird, falls sie sich aus den Rissstiicken vollständig zusammensetzen lässt. Dame die Dflllll‘ das Stück Papier nicht wr‘gn'0rl'en würde, mir durch die Wichtigkeit der darauf stehenden Nmnen verl)iirgt, und ehensnwenig litt es einen Zweifel, dass sie den wertvollen inhalt 7.nriickstellen würde, sobald sie ihn bemerkt..

§ 971

Welclrern unbewuesten Gedanken sollte aber diese an‘nllslnunllung. die sich durch ein Vergessen ermöglichte, Ausdruck gehen? Die besuchende Dame hatte eine grniz bestimmte Beziehung zu unserer Kur. Es war dieselbe, die mich nciut‘neit dem leidenden Mädchen als Arzt empfohlen. und wenn ich nicht irre, hält sich meine Patientin zum Dank fiir diesen Rat verpflichtet. Soll die helhierte Hilndi>rtgnldminnh\ etwa ein Horiomr fiir diese Vermittlung darstellen? Dns bliebe noch recht befremdlicli.

§ 972

Es kommt aber anderes Material hinzu. Einige Tage vorher hatte eine Vermittler-in ganz anderer Art bei einer Verwnndten ll"gni'rngt. nl) dns gniidige F‘riiulein wohl die Beknnntschnlt eines gewissen Helm machen wolle. und nur Morgen. einige Stunden vor dem Besuche der Dame. war der \Verlu-lrrief des Freiers eingetrnilbn. der viel An

§ 973

„.

§ 974

§ 975

68 Symptenb und Zufnlllhludlungnn.

§ 976

Eis zu! Heitel‘heit gegeben ham. Als nun die Dame das Gespräch mit einer Erkundigung nach dem Befinden meiner Patientin eriilliiete. kimnize sie“ wohl gedmht haben: „Den richtigen Arzt hast Du mir zwan— empfihlen, wenn Du mit aber zum n'diiigen Mann (mid dahinter: zu einem Kind) verhelfen könntest, wine ich Dir doch dankbar-er.“ Von diesem vetdlhngi: gehaltenen Gedanken aus flossen ihr die beiden Vermiiflen'nnen in eine zueaunnen, und sie iibeueiehie der Beeucherin das Honorar, da.: ihre Phantasie da- endaeu zu geben bereit war. Völlig medien wird diese lösung, wenn ich hinzufiige, dass ich ihr mi am Abend vu'hef von solchen Zufixlle- oder Symptnmhnndlnngen erüh.li hatte. Sie bediente sid: dann der nächsten Gelegenheit. um etwas Analoges zu pmduzioren.

§ 977

Eine Gruppierung der so überaus häufigen Zufalle- und Symptxnnhandlunan könnte man vornehmen, je nachdem sie gewnhnhniismiieeig. rqelmüig unter gewissen "Umständen, oder vereinaeli: erfolgen. Die ersteren (wie das Spielen mit der Uhrkeite, das Zwiz-beln am Bert etc.). die fast nur Climaktelifik der betreifenden Personen dienen können. eiteiän im die mnnigia.liigm 'l‘ikbewegungen und verdienen wohl im Zunnnmnhange mit letzteren behandelt zu werden. Zur zweiten Gruppe teehna' ieh “due Spielen, wenn man einen Stmk, das Knitzoln, wenn man, einen Bleieififi. in der Hand hält, das Klimpern mit Münzen in der Tusche, des Kneinn von Tu'g und andeieu plastischen Stofi‘eih allerlei Hantiernugen an seiner Geweudung u, dgl. mehr. Unter diesen lpielendeanehifligungeuverbergeu sich wiihrend der psychischen Ho

§ 978

haudlung rephnlieeug Sinn und Bedeutung, denen ein anderen Ansdnlßk Wie?. Gavlöhnlidl weise die beinefl'nnde Person nichts dewin

§ 979

das nie dnghiehen tat, uder dass sie gewisse Modifikationen ml ihrem gewöhnlibhm *T&Jdeiu vorgenammeu hat, und sie übe-sieht und überhii_lt auch die Bühne dieeer Hmdlungen. Sie hört z B. dm Geräusch nicht, den sie beim Klimpem mit Geldafiieken hervorbringt„ und lieniuunt sid] wie ernannt und undiiuhig, wenn man sie darauf auf'nmrksem macht. ‘Ebenao ist. alles, was man, alt uhne es zu merken, mit seinen Kleidern vurnimt, bedeutnngsvoll und der Beachtung des Arnim M Jede Veränderung dee gewohnten Aufzugee, jede kleine Nat-hliimigkeit, wie etwa ein nicht echlieeeender Knopf, jede Spur von Enfldßenng will etwas beugen, m der Eigentümer der Kleidung nicht direkt wenn will, Mist gar nißht zu engen Weise. Die Deutungen dieeer kleinen Zufnlkhnndlungen, sowie die Beweise fiir diese Deutunan geben sich jedesmal mit michender Simerheit aus den Begleitumsiinden ?!Mnd der Sitzung, eue dem eben behandelten Thema

§ 980

§ 981

Syinptum— und Ziifnllshnndlungen.

§ 982

und aus den Ein Allen. die sich einstellen, wenn man die Aufmerksamkeit auf die mischeinende anülligkeit lenkt, Wegen dieses Zusammenlw.nges unterlasse ich es. meine Behauptungen durch Mitteilung von Beispielen mit Analyse zu nnte1stützen; ich erwähne diese Dinge aber, weil ich glaube, dass sie bei normalen Menschen dieselbe Bedeutung haben wie bei meinen Patienten.

§ 983

Ich kann etwa aus meiner psychotherepentischen Erfahrung einen Fall erzählen, in dem die mit einem Klumpen Bmtkrume spielende Hand eine beredhe Aussage eblegte. Mein Patient war ein noch nicht 13j.. seit fast zwei Jahren schwer hystßrisclml‘ Knabe, den ich endlich in psychoanalytische Behandlung nahm. nachdem ein längerer Aufenthalt in einer Wusserheilnnstelt sich erfnlglos erwiesen hatte. Er musste nach meiner V uranssetznng sexuelle Erfslnnngen gemacht haben und seiner Alteisstnle entsprechend von sexuellen Fragen gequält sein; ich hütete mich aber. ihm mit. Aut'klänmgen zur Hilfe zu kommen. weil ich wieder einmal eine Probe auf meine Voraussetzungen anstellen wullte. Ich durfte also neugierig sein, auf welchem Wege sich das Gesuchte bei ihm nndeutcn würde. Da fiel es mir auf, dass er eines Tages irgend etwas zwischen den Fingcm der uechten Hand rollte, damit in die Tasche ihm-, dort weiter spielte, es wieder hervorzog etc Ich dem nicht, was er in der Hand habe; er zeigte es mir aber, indem er plötzlich die Hand ötfiiete. Es war Bmtkrume, die zu einem Klumpen zusammengeknetet wenn In «der nächsten Sitzung brachte er wieder einen solchen Klumpen mit, l'nnnte aber aus ihm, während wir das Gespräch führten, mit unglaublicher Basbhlieit und bei geschlesscnen Augen Figuren, die mein Interesse cn‘egtcn. Es waren unzweifelha.tt Männchen mit Kopf, zwei Armen. zwei Beinen, wie die rohest.en prähistnrischen Idule. und einem Fortsntz zwischen beiden Beinen, den er in eine lange Spitze aiiszog. Kaum dass dieser gefertigt war, knetete er das Männchen wieder zusammen; später liess er es best/eben, zog aber einen chunsulchen Fortsutz un der RückenHiichs und an anderen Stellen aus, um die Bedeutung des emt.en zu verhiillen. Ich wollte ihm zeigen, dass ich ihn veistnnden habe, ihm aber dabei die Anstiucht bcuel.unen, dass er sich bei dieser Menschen formenden Tätigkeit nichts gedacht habe. In dieser Absicht t'rngß ich ihn plötzlich. ob er sich un die Geschichte jenes römischen Königs erinnere. der dem Abgesnndten seines Sohnes eine pnntomimische Ant» wort im Garten gegeben. Der Knabe wollte sich nicht an das erinnern, was er doch vor so viel küncmr Zeit als ich gelernt haben musste. Er fragte, ob das die Geschichte vun dem Sklaven sei, auf dessen glattmsienen Schädel man die Antwoit geschrieben haben Nein, das ge—

§ 984

§ 985

70 Eymptom- und Zufllllmndlungen.

§ 986

hätt in die giechische Geschichte, sagte ich und erzählte: Der König Tuquinius Primus hatte seinen Sohn Sextus vererflesst. sich in eine ‘ feindliche latinische Stadt einzusohleichen. Der Sohn, der sich unter— dm Anhang in dieser Stadt vemchefil hatte, schickte einen Boten an den König mit der Frage, was nun weiter geschehen solle. Der 'Köuig gab keine Antwort.. sondern ging in seinen Garten, liess sich dort die Frage wiederholen und schlug schweigend die grössten untl schönsten Mnhnkiipt’e eh. Dem Boten blieb nichts übrig als dieses dem Sextus zu berichten, der den Vater verstand und es sich angelegcn sein liess, die angesehensten Bürger der Stadt durch Mord zu beseitigen.

§ 987

Während ich redete, hielt der Knabe in seinem Kneien inne, und als ich mich anschiclrte zu erzählen, was der König in seinem Garten tat, sehen bei den Worten »schlug schweigeml«, hatte er mit; einer blitmchnellen Bewegung seinem Männchen den Kopf abgerissen. Er hatte mich else verstanden und gemerkt dass er von mir verstanden werden war. Ich konnte ihn nun direkt befragen, gab ihm die Auskünfle, um die es ihm zu tun Wer, und wir hatten binnen kamen der Neumse ein Ende gemacht.

§ 988

Von den vereinzelten Zußllehnndlungen will ich ein Beispiel initteilen, welches sueh ohne Analysm eine tiet'ere Deutung zuliess, das die Bedingungen tefi‘lich erläutert, unter denen solche Symptnme vollkommen uneufli.llig produziert werden können, und an des sich eine praktisch bedeutsame Bemerkung anknüpfen lässt. Auf einer Sommer

§ 989

. neise traf es sich, dass ich einige Tage an einem gewissen Orte auf die Ankunß meines Reisegefiihrten zu werten hatte. Ich mmflrte unterdes die Bekanntschaft eines jungen Mannes, der sich gleichfalls einsam zu fühlen schien und sich bereitwillig mir anschloss. Da wir in deniselben Hütel wohnten, fügte es sich leicht. dass wir alle Mahlzeiten gemeinsam einnehmen und Spaziergänge miteinander machten. Am Nachmittag des dritten Tages teilte er mir plötzlich mit, dass er heute abends seine mit dem Eilzuge eulnngende Frau erwarte. Mein psychologischss Interesse wurde nun rege, denn es war mir an meinem Gesellschth bereits m Vormin aufgefallen, das er meinen Vorschlag an einer grösseren Partie zurückgewiesen und sul unserem kleinen Spaziergang einen gewissen Weg als zu steil und gefährlich nicht hatte begehen wollen. Auf dem Nachmittngsspaziergnng behauptete er plötzlich, ich miimte doch hungrig sein, ich sollte doch in nicht seinetwegen die Abendmshlmit sulächieben, er werde erst nach der Ankunlt seiner han mit ihr zu Abend essen. Ich verstand den Wink und setzte wish an den Tisch, wiihrend er auf den Bahnhof ging. Am nächsten

§ 990

§ 991

Symptunl- und z„r.||n.„„ai„„„„„. 71

§ 992

Morgen (rufen wir uns in der Vorlmlle den Hütels. Er stellte mir seine Frau vor und fügte hinzu: Sie werden doch mit uns (hrs Früh— stück nehmen? Ich lmth noch eine kleine Besnrgung in der niix.-hsten Strasse vor und versicherte. ich würde bald nnehkemmen. Als ieh dann in den Fiühsti'ickssmil l.mt, sah ich, dnss das Pn.-|r an einem kleinen Fenster-tisch Platz genonnnen hatte, auf dessen einer Seite sie beide Sassen. Auf der Gegenseite befand sich um‘ ein Sessel, aber über dessen Lehne hing der grosse und schwere Bodenmnntel des Mannes herab. den Platz verdeekend. [ch vemtnud sehr wohl den Sinn dieser gewiss nicht :|bsichtlielmn, aber dumm um so ausdrucke\'ollelen lagerung. Es hiess Dich ist hier kein Platz, Du bist jelzt überflüssig. Der Mann bemerkte es nicht, dns—x ich vor dem Tische stehen blieb, ohne mich zu si wohl aber die Dame, die ihren Mann sol'eit unstiess und ilnn z erle: l)n Imst ja dem Herrn den Platz verlegt.

§ 993

Bei diesem wie bei anderen iilmlielien Erlebni$sen habe ich mir gesagt dass die unahsiehtlirh ausgeführten Handlungen unrenneidlich zur Quelle von Missvelstiind -n im menschlichen Verkehr werden müssen. Der Täter, der von einer mit ihnen verknüpften Absicht nichts weiss. |eehnet sich dieselben nicht im und hält sich nicht verantwortlich hir sie. Der andere hingegen erkennt, indem er regelmässig auch solche Handlungen seines Partners zu Scl|liisnen über dessen Absichten und Gesinnungen verwertet. mehr von den psychischen Vorgängen des Fremden, als dieser selbst xuzugeben beieit ist und |||itgei/eilt zu haben glaubt lmüterer aber entriisißt sich, wenn ihm diese aus seinen Syn|pton|lnn|dlungei| gezogenen Sal ‘sse vorg9m.lten werdein erkli'u't sie r grundlos. du ihm rh|5 Bewusstsein für die Ab» sicht beider Ausführung fehlt, und klagt über Missvemtändnis von seiten des anderen. Genau besehen beruht ein solches Missverständnis auf einem Zufein- und Zuviel\enißhen. Je »neniisen I 'Mensehen sind desto eher werden qie uinnmler Anlnss zu Entzweiungen' hieteh, ' seine eigene Person ebonw bestimmt leugnet. lie Poison des underon als gesiche|t nunimmt Und dies ist wohl die Strafe |||. die innem Unuul'liehtigkeit, dass die Menschen unter den Vorwändeu des Velg(‘sßt‘lls, Vergmifens und der Unabsichtlichkeit Regungen den Ausdruck gestatten. die sie besser sich und anderen eingestehen würden. wenn sie sie sehen nicht hehen'schcu können. Man kann in der Tat ganz allgemein behaupten, dass jedermann fortwährend psychische Analyse an seinen Nebenmensehen het|eibt und diese infolgedessen besser kennen lemt als jeder einzelne

§ 994

eii1h „Silit 'Der Weg zur Reinigung der Mahnung Milz asuuröv fm’dizlrdu Studium seiner eigenen scheinbar zufälligen Handman; 'uud'Un'mdmngeu.

§ 995

1x Irrtümer.

§ 996

Die Irrbl1mer dee Gedächtnisees sind vom Vergessen mit Fehl

§ 997

ujmmm nur. dureh den» einen Zug unterschieden, dass der In'hun (den Fehlu'innern) nicht als solcher erkannt wird, sondern Glauben findel. Der Gebrauch des Ausdmekee »Ir1tnlm scheint eher noch an einer nndcen Bedingung zu hängen. Wir sprechen von »Inen« auslaüvnn »fnheh Erinnernci, wo in dem zu reproduzielenden psychischen Material der Charakter der objektiven Belliiet hervorgehoben werden soll,- wo tige etwas nndnee erinnert werden soll als eine Tatsache meines eigenen nsychisdien Lebens, vielmehr etwas, was der Besflitigung oder Widerlegnng durch die Erinnerung anderer zugänglich ist. Den Gegend: rum Gedär.hmirirrm in diesem Sinn bildet die Unwissenheit; . In meinem Buche »Die Tramndeuiamg (1900): habe ich mich einer Reihe von Vu-fäleehnngen an geschichtlicth und überhaupt mwehliehem Melm'al schuldig gemacht, auf die ich nach dem Erdeinen des Bndme mit Verminderung enfinerharn geworden bin. Ic,ll hehe bei „im Pdrfimg dereelhen gefunden, dass sie nicht meiner Ünwunuha; enkprungen sind. sondern sich auf Irrtümer des Gedächtnm mflükuhn, welche sieh durch Analyse aufklären lassen.

§ 998

a) Auf p. 266 heneichn'e ieh nie den Gehnriemt Schiller s die Sind! Merhnrg, deren Neue in der Steiermark wiederkehrt. Der I_nülill % lich in der Analyse eines Traumee während einer Nachb— 1fie, als dem ich durch den vom Kondulrteur ausgerufenen Stationealien Märhurg geweckt wurde. Im Tmuminhnlt wird nach einem Budh von Schiller gefragt. Nun ist Schiller nicht in der Univeräfi1mlndt Marburg, sondern in dem schwäbischen Marbach geboren. Iohbeheupteeueh,dueeich dies immer gewussthabe.

§ 999

b) Auf 11. 135 wird Hannibale Vater Hesdrubal genannt. Dlüfln'tun emr mir hmnders ärgerlich, hat mich aber in der AufMGWIHÜMUnMth InderGeschichte der Berkidgll‘ W Wenige der Beier des Buchse base:- Beecheitl wissen

§ 1000

§ 1001

72

§ 1002

§ 1003

Irrtümer.

§ 1004

§ 1005

sich selbst. Der Weg zur Befolgung der Mahnung yrah Geautor

§ 1006

führt durch das Studium seiner eigenen scheinbar zufälligen Hand

§ 1007

lungen und Unterlassungen.

§ 1008

§ 1009

IX.

§ 1010

Irrtümer.

§ 1011

§ 1012

Die Irrtümer des Gedächtnisses sind vom Vergessen mit Fehl

§ 1013

erinnern nur durch den einen Zug unterschieden, dass der Irrtum

§ 1014

(das Fehlerinnern) nicht als solcher erkannt wird, sondern Glauben

§ 1015

findet. Der Gebrauch des Ausdruckes Irrtume scheint aber noch an

§ 1016

einer anderen Bedingung zu hängen. Wir sprechen von >Irren an

§ 1017

statt von falsch Erinnern, wo in dem zu reproduzierenden psychischen

§ 1018

Material der Charakter der objektiven Realität hervorgehoben werden

§ 1019

soll, wo also etwas anderes erinnert werden soll als eine Tatsache

§ 1020

meines eigenen psychischen Lebens, vielmehr etwas, was der Bestätigung

§ 1021

oder Widerlegung durch die Erinnerung anderer zugänglich ist. Den

§ 1022

Gegensatz zum Gedächtnisirrtum in diesem Sinn bildet die Unwissen

§ 1023

heit.

§ 1024

§ 1025

In meinem Buche Die Traumdeutung (1900) habe ich mich

§ 1026

einer Reihe von Verfälschungen an geschichtlichem und überhaupt

§ 1027

tatsächlichem Material schuldig gemacht, auf die ich nach dem Er

§ 1028

scheinen des Buches mit Verwunderung aufmerksam geworden bin.

§ 1029

Ich habe bei näherer Prüfung derselben gefunden, dass sie nicht meiner

§ 1030

Unwissenheit entsprungen sind, sondern sich auf Irrtümer des Gedächt

§ 1031

nisses zurückleiten, welche sich durch Analyse aufklären lassen.

§ 1032

§ 1033

a) Auf p. 266 bezeichne ich als den Geburtsort Schillers die

§ 1034

Stadt Marburg, deren Name in der Steiermark wiederkehrt. Der

§ 1035

Irrtum findet sich in der Analyse eines Traumes während einer Nacht

§ 1036

reise, aus dem ich durch den vom Kondukteur ausgerufenen Stations

§ 1037

namen Marburg geweckt wurde. Im Trauminhalt wird nach einem

§ 1038

Buch von Schiller gefragt. Nun ist Schiller nicht in der Univer

§ 1039

sitätsstadt Marburg, sondern in dem schwäbischen Marbach geboren.

§ 1040

Ich behaupte auch, dass ich dies immer gewusst habe.

§ 1041

§ 1042

b) Auf p. 135 wird Hannibals Vater Hasdrubal genannt.

§ 1043

Dieser Irrtum war mir besonders ärgerlich, hat mich aber in der Auf

§ 1044

fassung solcher Irrtümer am meisten bestärkt. In der Geschichte der

§ 1045

Barkiden dürften wenige der Leser des Buches besser Bescheid wissen

§ 1046

Irrtümer, 73

§ 1047

als der Verfasser, der diesen Fehler ninderschrieb und ihn bei drei Korrekturen übersah. Der Vater Hannibels hieß Hernilker Barrkas, Hesdtubel war der Name von Hennihrrls Bruder, übrigens auch der seines Sehwe.gers und Vorgängers im Kommando.

§ 1048

e) Auf p. 177 und p. 370 behaupte ich, dass Zeus seinen Vater Kronos entmmrnt und ihn vom Throne stürzt. Diesen Greuel hehe ich aber irrtümlich um eine Generation vorgesclroben; die griechische Mythologie lässt ihn von Krorros an seinem Vater Uranos veriibon.

§ 1049

Wie ist es nun zu erklären. dass mein Gedächtnis in diesen Punkten Ungetrenes lieferte, während es mir sonst.. wie sich Leser des Buches überzeugen können. des entlegenste und ungebriiuchlichste Material zur" Verfügung stellte? Und ferner, dass ich bei drei sorgfältig durchgefiilrrten Korrekturen wie mit Blindheit geschlagen an diesen Irrtümern vorbeiging?

§ 1050

Man hat von Lichtenberg gesagt, wo er einen Witz gemacht habe7 dort liege ein Problem verborgen, Ähnlich kann mil." über die hier angeführten Stellen meines Buches behaupten: wo ein Irrtum vorliegt, (le steckt eine Verdrängung dahinter. Riehtiger gesagt: eine Unnut'» richtigkeit, eine Entstehung, die schliesslich nu! Verdrängtenr fasst. Ich bin bei der Analyse der dort mitgeteilten Träume durch die blosse Natur der Thernetn, auf welche sich die Tmurngedanken beziehen. genöügt gewesen, einerseits die Analyse irgendwo vor ihrer Abrundung abzubreehen, andererseits einer indiskreten Einzellreit dinnlr cine leise Entstehung die Schärfe zu herrehrnen. Ich konnte nicht anders und hatte auch keine andere Wahl, wenn ich iiberhaupt Beispiele und Belege Vorbringen wollte; meine Zwrrngrslage leitete sich mit Notwendigkeit aus der Eigenschafl. der Träume eh. Verdräuglenr. d, h. Bewusstseinsunfähigenr, Ausdruck zu gehen. Es dürfte trotzdem genug übrig geblieben sein, woran empfindlicher'e Seelen Anstoss genommen haben. Die Enßt.ellung oder Verschweigung der mit selbst noch bekannten l‘ortsetzenden Gedanken hat sich nun nicht spurlos durchführen lassen. Was ich unter'dr'iieken wollte. hat sich otinrals wider meinen Willen den Zugang in des von mir Aufgenommene erkämpft nur] ist darin als von mir unbenrerkter Irrtum zum Vorschein gekommen, In allen (hei hervorgelrubenen Beispielen liegt übrigens (lm; nänrliehe Thema zu Grunde; die Irrtümer sind Ahkörnnrhnge ver‘rlriingter Gedanken. die sich mit meinem verstorbenen Vater beschäftigen.

§ 1051

nd. e) Wer den auf p. 266 analysierten Traum durchliest. wird teils unverhüllt er1‘aluen, teils aus Andeutungen rar-raten können, dass ich bei Gedmrken abgebruuhen habe,- die eine unirenntlliche Kritik run

§ 1052

§ 1053

74 ' Irrtümer.

§ 1054

Vater enthdten häfien. In der Mining dieses Zuges ven liedlnhu und Erinnerungen liegt nun eine ärgerliehe Geschichte, in welcher Bücher eine Rolle spielen und ein Geschäftsfrennrl (les Vntem. der den Namen Msrburg ("um denselben Namen, durch dessen An— _ ruf in der gleichnamigen Südbahneßüen ich aus dem Schlaf geweckt wurde Diesen Herrn Marburg wollte ich bei der Analyse mir und den Lesern untersehlsgen; er richte sich dadurch, dass er sich dort wo er nicht hingehint, und den Namen des Gehm'tsei'tes

§ 1055

Suhillers aus Marbach in Marburg veränderte.

§ 1056

ud. b) Der Irrtum Hnsdruhal anstatt Hsmilknr, der Name den Bruders an Stelle des Namens des Vaters. ereignet. sich gemde in einem Zusammenhange, der van den Ha'nnihelphsntasien meiner Gymnasinstenjuhre und von meiner Unmfi'iedenheit mit dem Benelunen des Vaters gegen die »Feiude unseres Volkes« handelt.. Ich hätte fertsflmen und erählen können. wie mein Verhältnis zum Vater durch einen Besuch in England verändert Winde. der mich die Bekanntschaft meines dort: lebenden Hnlhhruders aus früherer Ehe des Vaters machen liess. Mein Bruder hat einen ältesten Selm, der mir gleiehslterig ist; die Phantasien, wie andere & geworden wäre, wenn ich nicht als Sohn du Vaters, sondern des Bruders zur Welt gekommen wäre. landen also kein Hindernis m den Alteruelntionen. Diese untßl'dlüeklen Pinntnsien fs'lsehten nun an der Stelle, wo ich in der Ausbse nl:brneh, den Text meines Buehes, indem sie mich nötigten, den Nmnen tlvs Bruders für den des Vaters zu setzen.

§ 1057

nd. e) Dem Einfluß der Erinnerung an diesen selben Bruder schreibe id! es zu, das ieh die mytholngisehen Greuel der gl'i0flliselien Götterwelt. um eine Generation vorgescheben hehe. Von den Mahnungen des Bruders ist mir huge Zeit eine im Gedänhhiis geblieben: „Vergiss nicht, in Bezug auf Imhensfilhrnng, eines“. hatte er mir gesamt, „dass Du nicht der zweiten, sondern eigentlich der dritten Genmntien mm Vater aus engehörstc' Unser Vater hatte sich in späteren ,Inhqu wieder verheiratet und war um so vieles älter als seine Kinder zweiter Ehe. Ich begehe den besprochenen Irrtum im Buche gernile, wo ich von der Pistät zwischen Eltern und Kindern handle.

§ 1058

Es ist aueh einige Mein vorgekornmen, dass Freunde untl Putientzeu, deren Träume ieh ha'iehtetze, oder auf die ich in den Tl'iullllmißlyseu unspieltze. mich aufmerksam machten, die Umstände tler gullnilllfln erlebten Begehenheit seien von mir ungenau erählt Wohlen. Des when nun iriederum historische Irrtümer. Ich habe die einzelnen Me inch du Biehlignizellung umhgepriit't und mich gleichfalls über

§ 1059

§ 1060

Detarmininmus und Ahergl-uhen. 75

§ 1061

zeugt, dass meine Erinnerung des Saehlichen nur dort ungetmu war, wo ich in der Analyse etwas mit Absicht entsteht oder verhehlt hatte. Auch hier wieder ein unbemerkter Irrtum als Ersatz für eine absichtliche Verschweigung oder Verdrängung.

§ 1062

Von diesen Intiimem, die der Verdrängung entspringen, heben_ sich scharf andere ul), die auf wirklicher Unwissenheit beruhen. So war ee z. B. Unwissenheit, wenn ich auf einem Ausflug in die Wachau den Aufenthalt (les Revolutionäxs Fischhef berührt zu haben glaubte. Die beiden One haben nur den Namen gemein; das Emmermlori' Finchhol's liegt in Kämthen. Ich wusste es aber nicht anders.

§ 1063

Man wird vielleicht nicht geneigt sein, die Klasse von Irrtümern, für die ich hier die Aufklärung gehe, für sehr znhheiuh oder besonders heileutungsvoll zu halten. Ich gebe aber zu bedenken. ob mini nicht Grund hat, die gleichen Gesichtspunkte auch auf die Beurteilung der ungleich wichtigeren Urteilsirrtiiiner der Menschen im Leben und in [lßl' \Viseenechaft auszndehnen. Nur den uueerlesenzßen und ausgeglichensten Geistern scheint es möglich zu sein, das Bild der wahrgenommenen äusseren Reith ' 7 , *? Aliewaliuan. (ja! es sonst beim Dun;h“gfi‘ilfn]i d|e psychische Individualität dcs \Vahrnelnnenrlen erfährt. _

§ 1064

X.

§ 1065

Determinismus. —— Zufalls- und Aberglauben. —— Gesichtspunkte.

§ 1066

Als dan allgemeine Ergebnis der vorstehenden Eiimlerörterungcn kann man folgende Einsicht hinstellen: Gewisee Unzulänglichkeiten unserer psychischen Leistungen — den-Ju gemeinsamer Charakter sogleich näher bestimmt Weiden soll - und gewisse ul)— sichtslos erscheinende Verrichtungen erweisen sich, wenn man das Verfahren der psychoanalytinchen Untersuchung auf ‘sic anwendet, als wohlinotiviel‘t. und durch dem Bewusstsein unbekannte Motive dutcrniiniert.

§ 1067

Um in die Klasse der su zu ei‘kläieiideii Phänomene cingcrcilit zu wcnlcn. muss eine psychische Fehlleistung folgenden Bedingungen genügen: ‘

§ 1068

a) Sie darf nicht über ein gewisses Mass hinausgehen. welches von unserer Schätzung festg%etzt ist und durch den Ausdruck »innerluslb der Breite des Nm‘lllulölm hemiclunet wird.

§ 1069

§ 1070

Determinismus und Aberglauben.

§ 1071

§ 1072

75

§ 1073

§ 1074

zeugt, dass meine Erinnerung des Sachlichen nur dort ungetreu war,

§ 1075

wo ich in der Analyse etwas mit Absicht entstellt oder verhehlt hatte.

§ 1076

Auch hier wieder ein unbemerkter Irrtum als Ersatz für eine

§ 1077

absichtliche Verschweigung oder Verdrängung.

§ 1078

§ 1079

Von diesen Irrtümern, die der Verdrängung entspringen, heben.

§ 1080

sich scharf andere ab, die auf wirklicher Unwissenheit beruhen. So

§ 1081

war es z. B. Unwissenheit, wenn ich auf einem Ausflug in die Wachau

§ 1082

den Aufenthalt des Revolutionärs Fischhof berührt zu haben glaubte.

§ 1083

Die beiden Orte haben nur den Namen gemein; das Emmersdorf

§ 1084

Fischhofs liegt in Kärnthen. Ich wusste es aber nicht anders.

§ 1085

§ 1086

Man wird vielleicht nicht geneigt sein, die Klasse von Irrtümern,

§ 1087

für die ich hier die Aufklärung gebe, für sehr zahlreich oder besonders

§ 1088

bedeutungsvoll zu halten. Ich gebe aber zu bedenken, ob man nicht

§ 1089

Grund hat, die gleichen Gesichtspunkte auch auf die Beurteilung der

§ 1090

ungleich wichtigeren Urteilsirrtümer der Menschen im Leben und

§ 1091

in der Wissenschaft auszudehnen. Nur den auserlesensten und aus

§ 1092

geglichensten Geistern scheint es möglich zu sein, das Bild der wahr

§ 1093

genommenen äusseren Realität vor der Verzerrung zu bewahren, die

§ 1094

es sonst beim Durchgang durch die psychische Individualität des

§ 1095

Wahrnehmenden erfährt.

§ 1096

§ 1097

X.

§ 1098

§ 1099

Zufalls- und Aberglauben.

§ 1100

§ 1101

Gesichtspunkte.

§ 1102

§ 1103

Determinismus.

§ 1104

§ 1105

Als das allgemeine Ergebnis der vorstehenden Einzelerüörterungen

§ 1106

kann man folgende Einsicht hinstellen: Gewisse Unzulänglich

§ 1107

keiten unserer psychischen Leistungen deren gemeinsamer

§ 1108

Charakter sogleich näher bestimmt werden soll und gewisse ab

§ 1109

sichtslos erscheinende Verrichtungen erweisen sich.

§ 1110

wenn man das Verfahren der psychoanalytischen Unter

§ 1111

suchung auf sie anwendet, als wohlmotiviert und durch

§ 1112

dem Bewusstsein unbekannte Motive determiniert.

§ 1113

§ 1114

Um in die Klasse der so zu erklärenden Phänomene eingereiht

§ 1115

zu werden, muss eine psychische Fehlleistung folgenden Bedingungen

§ 1116

gentigen:

§ 1117

Sie darf über ein gewisses Mass hinausgehen, welches

§ 1118

§ 1119

von unserer Schätzung festgesetzt ist und durch den Ausdruck simmer

§ 1120

§ 1121

halb der Breite des Normalen bezeichnet wird.

§ 1122

76

§ 1123

§ 1124

Determinismus und Aberglauben.

§ 1125

§ 1126

b) Sie muss den Charakter der momentanen und zeitweiligen

§ 1127

§ 1128

Störung an sich tragen. Wir müssen die nämliche Leistung vorher

§ 1129

§ 1130

korrekter ausgeführt haben oder uns jederzeit zutrauen, sie korrekter auszuführen. Wenn wir von anderer Seite korrigiert werden, müssen wir die Richtigkeit der Korrektur und die Unrichtigkeit unseres eigenen psychischen Vorganges sofort erkennen. c) Wenn wir die Fehlleistung überhaupt wahrnehmen, dürfen wir von einer Motivierung derselben nichts in uns verspüren, sondern

§ 1131

§ 1132

müssen versucht sein, sie durch Unaufmerksamkeit zu erklären oder

§ 1133

§ 1134

als Zufälligkeit hinzustellen.

§ 1135

§ 1136

Es verbleiben somit in dieser Gruppe die Fälle von Vergessen und die Irrtümer bei besserem Wissen, das Versprechen. Verlesen. Verschreiben. Vergreifen und die sog. Zufallshandlungen. Die gleiche Zusammensetzung mit der Vorsilbe ver deutet für die meisten dieser Phänomene die innere Gleichartigkeit sprachlich an. An die Auf klärung dieser so bestimmten psychischen Vorgänge knüpft aber eine Reihe von Bemerkungen an, die zum Teil ein weitergehendes Interesse erwecken dürfen.

§ 1137

§ 1138

I. Indem wir einen Teil unserer psychischen Leistungen als un aufklärbar durch Zielvorstellungen preisgeben, verkennen wir den Um fang der Determinierung im Seelenleben. Dieselbe reicht hier und noch auf anderen Gebieten weiter, als wir es vermuten. Ich habe im Jahre 1900 in einem Aufsatz des Literarhistorikers R. M. Meyer in der Zeit ausgeführt und an Beispielen erläutert gefunden, dass es unmöglich ist, absichtlich und willkürlich einen Unsinn zu komponieren. Seit längerer Zeit weiss ich, dass man es nicht zustande bringt, sich eine Zahl nach freiem Belieben einfallen zu lassen, ebensowenig wie etwa einen Namen. Untersucht man die scheinbar willkürlich ge bildete, etwa mehrstellige, wie im Scherz oder Übermut ausgesprochene Zahl, so erweist sich deren strenge Determinierung, die man wirklich nicht für möglich gehalten hätte. Ich will nun zunächst ein Beispiel eines willkürlich gewählten Vornamens kurz erörtern und dann ein analoges Beispiel einer gedankenlos hingeworfenen Zahl ausführlicher analysieren.

§ 1139

§ 1140

a) Im Begriffe, die Krankengeschichte einer meiner Patientinnen für die Publikation herzurichten, erwäge ich, welchen Vornamen ich ihr in der Arbeit geben soll. Die Auswahl scheint sehr gross; gewiss schliessen sich einige Namen von vorne herein aus, in erster Linie der echte Name, sodann die Namen meiner eigenen Familienangehörigen, an denen ich Anstoss nehmen würde, etwa noch andere Frauennamen

§ 1141

Determinismus und Aberglauben.

§ 1142

§ 1143

77

§ 1144

§ 1145

von besonders seltsamem Klang; im übrigen aber brauchte ich um

§ 1146

einen solchen Namen nicht verlegen zu sein. Man sollte erwarten und

§ 1147

ich erwarte selbst, dass sich mir eine ganze Schar weiblicher Namen

§ 1148

zur Verfügung stellen wird. Anstatt dessen taucht ein einzelner auf,

§ 1149

kein zweiter neben ihm, der Name Dora. Ich frage nach seiner

§ 1150

Determinierung. Wer heisst denn nur sonst Dora? Ungläubig möchte

§ 1151

ich den nächsten Einfall zurückweisen, der lautet, dass das Kinder

§ 1152

mädchen meiner Schwester so heisst. Aber ich besitze soviel Selbst

§ 1153

zucht oder Übung im Analysieren, dass ich den Einfall festhalte und

§ 1154

weiterspinne. Da fällt mir auch sofort eine kleine Begebenheit des

§ 1155

vorigen Abends ein, welche die gesuchte Determinierung bringt. Ich

§ 1156

sah auf dem Tisch im Speisezimmer meiner Schwester einen Brief

§ 1157

liegen mit der Aufschrift: An Fräulein Rosa W. Erstaunt fragte

§ 1158

ich, wer so heisst, und wurde belehrt, dass die vermeintliche Dora

§ 1159

eigentlich Rosa heisst, und diesen ihren Namen beim Eintritt ins Haus

§ 1160

ablegen musste, weil meine Schwester den Ruf Rosas auch auf ihre

§ 1161

eigene Person beziehen kann. Ich sage bedauernd: Die armen Lente,

§ 1162

nicht einmal ihren Namen können sie beibehalten! Wie ich mich jetzt

§ 1163

besinne, wurde ich dann für einen Moment still und begann an allerlei

§ 1164

ernsthafte Dinge zu denken, die ins Unklare verliefen, die ich mir jetzt

§ 1165

aber leicht bewusst machen könnte. Als ich dann am nächsten Tag

§ 1166

nach einem Namen für eine Person suchte, die ihren eigenen nicht

§ 1167

beibehalten durfte, fiel mir kein anderer als Dora ein. Die Aus

§ 1168

schliesslichkeit beruht hier auf fester inhaltlicher Verknüpfung, denn

§ 1169

in der Geschichte meiner Patientin rührte ein auch für den Verlauf

§ 1170

der Kur entscheidender Einfluss von der im fremden Haus dienenden

§ 1171

Person, von einer Gouvernante, her.

§ 1172

§ 1173

In einem Briefe an meinen Freund in B. kündige ich ihm

§ 1174

an, dass ich jetzt die Korrekturen der Traumdeutung abgeschlossen

§ 1175

habe und nichts mehr an dem Werk ändern will, möge es auch 2467

§ 1176

Fehler enthalten. Ich versuche sofort, mir diese Zahl aufzuklären

§ 1177

und füge die kleine Analyse noch als Nachschrift dem Briefe an. Am

§ 1178

besten zitiere ich jetzt, wie ich damals geschrieben, als ich mich auf

§ 1179

frischer Tat ertappte:

§ 1180

§ 1181

Noch rasch einen Beitrag zur Psychopathologie des Alltagslebens.

§ 1182

Du findest im Brief die Zahl 2467 als übermütige Willkürschätzung

§ 1183

der Fehler, die sich im Traumbuch finden werden. Es soll heissen:

§ 1184

irgend eine grosse Zahl, und da stellt sich diese ein. Nun gibt es

§ 1185

aber nichts Willkürliches, Undeterminiertes im Psychischen. Du wirst

§ 1186

also auch mit Recht erwarten, dass das Unbewusste sich beeilt hat,

§ 1187

78

§ 1188

§ 1189

Determinismus und Aberglauben.

§ 1190

§ 1191

die Zahl zu determinieren, die von dem Bewussten freigelassen wurde.

§ 1192

Nun hatte ich gerade vorher in der Zeitung gelesen, dass ein General

§ 1193

E. M. als Feldzeugmeister in den Ruhestand getreten. Du musst

§ 1194

wissen, der Mann interessiert mich. Während ich als militärärztlicher

§ 1195

Eleve diente, kam er einmal, damals Oberst, in den Krankenstand und

§ 1196

sagte zum Arzt: Sie müssen mich aber in 8 Tagen gesund machen,

§ 1197

denn ich habe etwas zu arbeiten, worauf der Kaiser wartet." Damals

§ 1198

nahm ich mir vor, die Laufbahn des Mannes zu verfolgen, und siche

§ 1199

da, heute (1899) ist er am Ende derselben, Feldzengmeister und schon

§ 1200

im Ruhestande. Ich wollte ausrechnen, in welcher Zeit er diesen

§ 1201

Weg zurückgelegt, und nahm an, dass ich ihn 1882 im Spital ge

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sehen. Das wären also 17 Jahre. Ich erzähle meiner Frau davon

§ 1203

und sie bemerkt: Da müsstest Du also auch schon im Ruhestande

§ 1204

sein?" Und ich protestiere: Davor bewahre mich Gott. Nach diesem

§ 1205

Gespräch setze ich mich an den Tisch, um Dir zu schreiben. Der

§ 1206

frühere Gedankengang setzt sich aber fort und mit gutem Recht. Es

§ 1207

war falsch gerechnet; ich habe einen festen Punkt dafür in meiner

§ 1208

Erinnerung. Meine Grossjährigkeit, meinen 24. Geburtstag also, habe

§ 1209

ich im Militärarrest gefeiert (weil ich mich eigenmächtig absentiert

§ 1210

hatte). Das war also 1880; es sind 19 Jahre her. Da hast Du nun

§ 1211

die Zahl 24 in 2467! Nimm nun meine Alterszahl 43 und gib 24

§ 1212

Jahre hinzu, so bekommst Du die 67! D. h. auf die Frage, ob ich

§ 1213

auch in den Ruhestand treten will, habe ich mir im Wunsch noch 24

§ 1214

Jahre Arbeit zugelegt. Offenbar bin ich gekränkt darüber, dass ich

§ 1215

es in dem Intervall, durch das ich den Oberst M. verfolgt, selbst nicht

§ 1216

weit gebracht habe, und doch wie in einer Art von Triumph darüber.

§ 1217

dass er jetzt schon fertig ist, während ich noch Alles vor mir habe.

§ 1218

Da darf man doch mit Recht sagen, dass nicht einmal die absichtslos

§ 1219

hingeworfene Zahl 2467 ihrer Determinierung aus dem Unbewussten

§ 1220

entbehrt."

§ 1221

§ 1222

Seit diesem ersten Beispiel von Aufklärung einer scheinbar will

§ 1223

kürlich gewählten Zahl habe ich den gleichen Versuch vielmals mit

§ 1224

dem nämlichen Erfolg wiederholt; aber die meisten Fälle sind so sehr

§ 1225

intimen Inhalts, dass sie sich der Mitteilung entziehen. Gerade an

§ 1226

diesen Analysen ist mir zweierlei besonders auffällig: Erstens die

§ 1227

geradezu somnambule Sicherheit, mit der ich auf das mir unbekannte.

§ 1228

Ziel losgehe, mich in einen rechnenden Gedankengang versenke, der

§ 1229

dann plötzlich bei der gesuchten Zahl angelangt ist, und die Rasch

§ 1230

heit, mit der sich die ganze Nacharbeit vollzieht; zweitens aber der Um

§ 1231

stand, dass die Zahlen meinem unbewussten Denken so bereitwillig

§ 1232

Determinismus und Aberglauben.

§ 1233

§ 1234

79

§ 1235

§ 1236

zur Verfügung stehen, während ich ein schlechter Rechner bin und die grössten Schwierigkeiten habe. mir Jahreszahlen, Hausnummern und dergleichen bewusst zu merken. Ich finde übrigens in diesen un bownssten Gedankenoperationen mit Zahlen eine Neigung zum Aber glauben, deren Herkunft mir selbst noch fremd ist. Meist stosse ich auf Spekulationen über die Lebensdauer meiner selbst und der mir teuren Personen, und bestimmend auf die unbewussten Spielereien muss eingewirkt haben, dass mein Freund in B. die Lebenszeiten der Menschen zum Gegenstand seiner auf biologische Einheiten gegründeten Rechnungen genommen hat. Ich bin nun mit einer der Voraussetzungen, von denen er hierbei ausgeht, nicht einverstanden, möchte aus höchst egoistischen Motiven gerne gegen ihn Recht behalten und scheine mun diese Rechnungen auf meine Art nachzuahmen.

§ 1237

§ 1238

II. Diese Einsicht in die Determinierung scheinbar willkürlich gewählter Namen und Zahlen kann vielleicht zur Klärung eines anderen Problems beitragen. Gegen die Annahme eines durchgehenden psy chischen Determinismus berufen sich bekanntlich viele Personen auf ein besonderes Überzeugungsgefühl für die Existenz eines freien Willens. Dieses Überzeugungsgefühl besteht und weicht auch dem Glauben an den Determinismus nicht. Es muss wie alle normalen Gefühle durch irgend etwas berechtigt sein. Es äussert sich aber, soviel ich beobachten kann, nicht bei den grossen und wichtigen Willensentscheidungen; bei diesen Gelegenheiten hat man vielmehr die Empfindung des psychischen Zwanges und beruft sich auf sie (Hier stehe ich, ich kann nicht anders). Hingegen möchte man gerade bei den belanglosen, indifferenten Entschliessungen versichern, dass man ebensowohl anders hätte handeln können, dass man aus freiem, nicht motiviertem Willen gehandelt hat. Nach unseren Analysen braucht man nun das Recht des Überzeugungs gefühles vom freien Willen nicht zu bestreiten. Führt man die Unter scheidung der Motivierung aus dem Bewussten von der Motivierung aus dem Unbewussten ein, so berichtet uns das Überzeugungsgefühl, dass die bewusste Motivierung sich nicht auf alle unsere motorischen Ent scheidungen erstreckt. Minima non curat praetor. Was aber so von der einen Seite frei gelassen wird, das empfängt seine Motivierung von anderer Seite, aus dem Unbewussten, und so ist die Determinierung im Psychischen doch lückenlos durchgeführt.

§ 1239

§ 1240

III. Wenngleich dem bewussten Denken die Kenntnis von der Motivierung der besprochenen Fehlleistungen nach der ganzen Sachlage abgehen muss, so wäre es doch erwünscht, einen psychologischen Be weis für deren Existenz aufzufinden; ja es ist aus Gründen, die sich

§ 1241

80

§ 1242

§ 1243

Determinismus und Aberglauben.

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§ 1245

bei näherer Kenntnis des Unbewussten ergeben, wahrscheinlich, dass

§ 1246

solche Beweise irgendwo auffindbar sind. Es lassen sich wirklich auf

§ 1247

zwei Gebieten Phänomene nachweisen, welche einer unbewussten und

§ 1248

darum verschobenen Kenntnis von dieser Motivierung zu entsprechen

§ 1249

scheinen.

§ 1250

§ 1251

a) Es ist ein auffälliger und allgemein bemerkter Zug im Ver

§ 1252

halten der Paranoiker, dass sie den kleinen, sonst von

§ 1253

uns ver

§ 1254

nachlässigten Details im Benehmen der anderen die grösste Bedeutung

§ 1255

beilegen, dieselben ansdeuten und zur Grundlage weitgehender Schlüsse

§ 1256

machen. Der letzte Paranoiker z. B., den ich gesehen habe, schloss.

§ 1257

auf ein allgemeines Einverständnis in seiner Umgebung, weil die Leute

§ 1258

bei seiner Abreise auf dem Bahnhof eine gewisse Bewegung mit der

§ 1259

einen Hand gemacht hatten. Ein anderer hat die Art notiert, wie

§ 1260

die Leute auf der Strasse gehen, mit den Spazierstöcken fuchteln u. dgl.).

§ 1261

§ 1262

Die Kategorie des Zufälligen, der Motivierung nicht Bedürftigen,

§ 1263

welche der Normale für einen Teil seiner eigenen psychischen Leistungen

§ 1264

und Fehlleistungen gelten lässt, verwirft der Paranoiker also in der An

§ 1265

wendung auf die psychischen Äusserungen der anderen. Alles, was er

§ 1266

an den anderen bemerkt, ist bedeutungsvoll, alles ist deuthar. Wie

§ 1267

kommt er nur dazu? Er projiziert wahrscheinlich in das Seelenleben

§ 1268

der anderen, was im eigenen unbewusst vorhanden ist, hier wie in so

§ 1269

vielen ähnlichen Fällen. In der Paranoia drängt sich eben so vielerlei

§ 1270

zum Bewusstsein durch, was wir bei Normalen und Neurotikern erst

§ 1271

durch die Psychoanalyse als im Unbewussten vorhanden nachweisen.)

§ 1272

Der Paranoiker hat also hierin in gewissem Sinne Recht, er erkennt

§ 1273

etwas, was dem Normalen entgeht, er sieht schärfer als das normale

§ 1274

Denkvermögen, aber die Verschiebung des so erkannten Sachverhaltes

§ 1275

auf andere macht seine Erkenntnis wertlos. Die Rechtfertigung der

§ 1276

einzelnen paranoischen Deutungen wird man dann hoffentlich von mir

§ 1277

nicht erwarten. Das Stück Berechtigung aber, welches wir der Para

§ 1278

noia bei dieser Auffassung der Zufallshandlungen zugestehen, wird uns

§ 1279

das psychologische Verständnis der Überzeugung erleichtern, welche

§ 1280

§ 1281

¹) Von anderen Gesichtspunkten ausgehend, hat man diese Beurteilung

§ 1282

unwesentlicher und zufälliger Ausserungen bei anderen zum Beziehungswahn"

§ 1283

gerechnet.

§ 1284

§ 1285

*) Die durch Analyse bewusst zu machenden Phantasieen der Hysteriker

§ 1286

von sexuellen und grausamen Misshandlungen decken sich z. B. gelegentlich bis

§ 1287

ins Einzelne mit den Klagen verfolgter Paranoiker. Es ist bemerkenswert, aber

§ 1288

nicht unverständlich, wenn der identische Inhalt uns auch als Realität in den

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Veranstaltungen Perverser zur Befriedigung ihrer Gelüste entgegentritt.

§ 1290

Determinismus und Aberglauben.

§ 1291

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sich beim Paranoiker an alle diese Deutungen geknüpft hat. Es

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ist eben etwas Wahres daran; auch unsere nicht als krankhaft

§ 1296

zu bezeichnenden Urteilsirrtümer erwerben das ihnen zugehörige

§ 1297

Überzeugungsgefühl auf keine andere Art. Dies Gefühl ist für ein

§ 1298

gewisses Stück des irrtümlichen Gedankenganges oder für die Quelle,

§ 1299

aus der er stammt, berechtigt und wird dann von uns auf den übrigen

§ 1300

Zusammenhang ausgedehnt.

§ 1301

§ 1302

b) Ein anderer Hinweis auf die unbewusste und verschobene

§ 1303

Kenntnis der Motivierung bei Zufalls- und Fehlleistungen findet

§ 1304

sich in den Phänomenen des Aberglaubens. Ich will meine Meinung

§ 1305

durch die Diskussion des kleinen Erlebnisses klar legen, welches

§ 1306

für mich der Ausgangspunkt dieser Überlegungen war.

§ 1307

§ 1308

Von den Ferien zurückgekehrt, richten sich meine Gedanken

§ 1309

alsbald auf die Kranken, die mich in dem neu beginnenden Arbeits

§ 1310

jahr beschäftigen sollen. Mein erster Weg gilt einer sehr alten

§ 1311

Dame, bei der ich (siehe oben) seit Jahren die nämlichen ärzt

§ 1312

lichen Manipulationen zweimal täglich vornehme. Wegen dieser

§ 1313

Gleichförmigkeit haben sich unbewusste Gedanken sehr häufig auf

§ 1314

dem Wege zu der Kranken und während der Beschäftigung mit

§ 1315

ihr Ausdruck verschafft Sie ist über 90 Jahre alt; es liegt also

§ 1316

nahe, sich bei Beginn eines jeden Jahres zu fragen, wie lange sie

§ 1317

wohl noch zu leben hat. An dem Tage, von dem ich erzähle, habe

§ 1318

ich Eile, nehme also einen Wagen, der mich vor ihr Haus führen

§ 1319

soll. Jeder der Kutscher auf dem Wagenstandplatz vor meinem Hause

§ 1320

kennt die Adresse der alten Frau, denn jeder hat mich schon oft

§ 1321

mals dahin geführt. Heute ereignet es sich nun, dass der Kutscher

§ 1322

nicht vor ihrem Hause, sondern vor dem gleichbezifferten in einer

§ 1323

nahegelegenen und wirklich ähnlich aussehenden Parallelstrasse Halt

§ 1324

macht. Ich merke den Irrtum und werfe ihn dem Kutscher vor,

§ 1325

der sich entschuldigt. Hat das nun etwas zu bedeuten, dass ich

§ 1326

vor ein Haus geführt werde, in dem ich die alte Dame nicht vor

§ 1327

finde? Für mich gewiss nicht, aber wenn ich abergläubisch wäre,

§ 1328

würde ich in dieser Begebenheit ein Vorzeichen erblicken, einen

§ 1329

Fingerzeig des Schicksals, dass dies Jahr das letzte für die alte

§ 1330

Frau sein wird. Recht viele Vorzeichen, welche die Geschichte

§ 1331

aufbewahrt hat, sind in keiner besseren Symbolik begründet gewesen.

§ 1332

Ich erkläre allerdings den Vorfall für eine Zufälligkeit ohne

§ 1333

weiteren Sinn.

§ 1334

§ 1335

Ganz anders läge der Fall, wenn ich den Weg zu Fuss ge

§ 1336

macht und dann in Gedanken, in der Zerstreutheit vor das

§ 1337

Freud, Zur Paychopathologie des Alltagslebens.

§ 1338

6

§ 1339

82

§ 1340

§ 1341

Determinismus und Aberglauben.

§ 1342

§ 1343

Haus der Parallelstrasse anstatt vors richtige gekommen wäre Das

§ 1344

würde ich für keinen Zufall erklären, sondern für eine der Deutung

§ 1345

bedürftige Handlung mit unbewusster Absicht. Diesem Vergehen

§ 1346

müsste ich wahrscheinlich die Deutung geben, dass ich die alte

§ 1347

Dame bald nicht mehr anzutreffen erwarte.

§ 1348

§ 1349

Ich unterscheide mich also von einem Abergläubischen in

§ 1350

folgendem:

§ 1351

Ich glaube nicht, dass ein Ereignis, an dessen Zustande

§ 1352

§ 1353

kommen mein Seelenleben unbeteiligt ist, mir etwas Verborgenes

§ 1354

über die zukünftige Gestaltung der Realität lehren kann; ich glaube

§ 1355

aber, dass eine unbeabsichtigte Ausserung meiner eigenen Seelen

§ 1356

tätigkeit mir allerdings etwas Verborgenes enthüllt, was wiederum

§ 1357

nur meinem Seelenleben angehört; ich glaube zwar an äusseren

§ 1358

(realen) Zufall, aber nicht an innere (psychische) Zufälligkeit. Der

§ 1359

Abergläubische umgekehrt: er weiss nichts von der Motivierung

§ 1360

seiner zufälligen Handlungen und Fehlleistungen, er glaubt, dass es

§ 1361

psychische Zufälligkeiten gibt; dafür ist er geneigt, dem äusseren

§ 1362

Zufall eine Bedeutung zuzuschreiben, die sich im realen Geschehen

§ 1363

äussern wird, im Zufall ein Ausdrucksmittel für etwas draussen ihm

§ 1364

Verborgenes zu sehen. Die Unterschiede zwischen mir und dem

§ 1365

Abergläubischen sind zwei: erstens projiziert er eine Motivierung

§ 1366

nach aussen, die ich innen suche; zweitens deutet er den Zufall

§ 1367

durch ein Geschehen, den ich auf einen Gedanken zurückführe.

§ 1368

Aber das Verborgene bei ihm entspricht dem Unbewussten bei mir,

§ 1369

und der Zwang, den Zufall nicht als Zufall gelten zu lassen, sondern

§ 1370

ihn zu deuten, ist uns beiden gemeinsam.

§ 1371

§ 1372

Ich nehme nun an, dass diese bewusste Unkenntnis und un

§ 1373

bewusste Kenntnis von der Motivierung der psychischen Zufällig

§ 1374

keiten eine der psychischen Wurzeln des Aberglaubens ist. Weil

§ 1375

der Abergläubische von der Motivierung der eigenen zufälligen

§ 1376

Handlungen nichts weiss, und weil die Tatsache dieser Motivierung

§ 1377

nach einem Platz in seiner Anerkennung drängt, ist er genötigt,

§ 1378

sie durch Verschiebung in der Aussenwelt unterzubringen. Besteht

§ 1379

ein solcher Zusammenhang, so wird er kaum auf diesen einzelnen

§ 1380

Fall beschränkt sein. Ich glaube in der Tat, dass ein grosses

§ 1381

Stück der mythologischen Weltauffassung, die weit bis in die

§ 1382

modernsten Religionen hinein reicht, nichts anderes ist als in

§ 1383

die Aussenwelt projizierte Psychologie. Die dunkle Erkenntnis

§ 1384

psychischer Faktoren und Verhältnisse) des Unbewussten spiegelt

§ 1385

§ 1386

) Die natürlich nichts vom Charakter einer Erkenntnis hat.

§ 1387

Determinismus und Aberglauben.

§ 1388

§ 1389

83

§ 1390

§ 1391

sich es ist schwer, es anders zu sagen, die Analogie mit der Para

§ 1392

noia muss hier zur Hilfe genommen werden in der Konstruktion.

§ 1393

einer übersinnlichen Realität, welche von der Wissenschaft in

§ 1394

Psychologie des Unbewussten zurückverwandelt werden soll.

§ 1395

Man könnte sich getrauen, die Mythen vom Paradies und Sünden

§ 1396

fall, von Gott, vom Guten und Bösen, von der Unsterblichkeit und

§ 1397

dgl. in solcher Weise aufzulösen, die Metaphysik in Metapsycho

§ 1398

logie umzusetzen. Die Kluft zwischen der Verschiebung des Para

§ 1399

noikers und der des Abergläubischen ist minder gross, als sie auf

§ 1400

den ersten Blick erscheint. Als die Menschen zu denken begannen,

§ 1401

waren sie bekanntlich genötigt, die Aussenwelt anthropomorphisch

§ 1402

in eine Vielheit von Persönlichkeiten nach ihrem Gleichnis auf

§ 1403

zulösen; die Zufälligkeiten, die sie abergläubisch deuteten, waren

§ 1404

also Handlungen, Ausserungen von Personen, und sie haben sich dem

§ 1405

nach genau so benommen wie die Paranoiker, welche aus den un

§ 1406

scheinbaren Anzeichen, die ihnen die Anderen geben, Schlüsse ziehen,

§ 1407

und wie die Gesunden alle, welche mit Recht die zufälligen und

§ 1408

unbeabsichtigten Handlungen ihrer Nebenmenschen zur Grundlage

§ 1409

der Schätzung ihres Charakters machen. Der Aberglaube erscheint

§ 1410

nur so sehr deplaziert in unserer modernen, naturwissenschaftlichen.

§ 1411

aber noch keineswegs abgerundeten Weltanschauung; in der Welt

§ 1412

anschauung vorwissenschaftlicher Zeiten und Völker war er be

§ 1413

rechtigt und konsequent.

§ 1414

§ 1415

Der Römer, der eine wichtige Unternehmung aufgab, wenn

§ 1416

ihm ein widriger Vogelflug begegnete, war also relativ im Recht:

§ 1417

er handelte konsequent nach seinen Voraussetzungen.

§ 1418

Wenn er

§ 1419

aber von der Unternehmung abstand, weil er an der Schwelle seiner

§ 1420

Tür gestolpert war (Un Romain retournerait), so war er uns Un

§ 1421

gläubigen auch absolut überlegen, ein besserer Seelenkundiger, als

§ 1422

wir uns zu sein bemühen. Denn dies Stolpern konnte ihm die Existenz

§ 1423

eines Zweifels, einer Gegenströmung in seinem Innern beweisen,

§ 1424

deren Kraft sich im Momente der Ausführung von der Kraft seiner

§ 1425

Intention abziehen konnte. Des vollen Erfolges ist man nämlich nur

§ 1426

dann sicher, wenn alle Seelenkräfte einig dem gewünschten Ziel

§ 1427

entgegenstreben. Wie antwortet Schillers Tell, der so lange ge

§ 1428

zaudert, den Apfel vom Haupt seines Knaben zu schiessen, auf die

§ 1429

Frage des Vogts, wozu er den zweiten Pfeil eingesteckt?

§ 1430

§ 1431

,,Mit diesem zweiten Pfeil durchbohrt' ich Euch,

§ 1432

§ 1433

Wenn ich mein liebes Kind getroffen hätte,

§ 1434

Und Euer wahrlich hätt' ich nicht gefehlt."

§ 1435

§ 1436

6%

§ 1437

84

§ 1438

§ 1439

Determinismus und Aberglauben.

§ 1440

§ 1441

IV. Als ich unlängst Gelegenheit hatte, einem philosophisch ge

§ 1442

bildeten Kollegen einige Beispiele von Namenvergessen mit Analyse

§ 1443

vorzutragen, beeilte er sich zu erwidern: Das ist sehr schön, aber

§ 1444

bei mir geht das Namenvergessen anders zu.

§ 1445

So leicht darf man

§ 1446

es sich offenbar nicht machen; ich glaube nicht, dass mein Kollege.

§ 1447

je vorher an eine Analyse bei Namenvergessen gedacht hatte; er konnte

§ 1448

auch nicht sagen, wie es bei ihm anders zugehe. Aber seine Be

§ 1449

merkung trifft doch ein Problem, welches viele in den Vordergrund

§ 1450

zu stellen geneigt sein werden. Trifft die hier gegebene Auflösung

§ 1451

der Fehl- und Zufallshandlungen allgemein zu oder nur vereinzelt,

§ 1452

und wenn letzteres, welches sind die Bedingungen, unter denen sie zur

§ 1453

Erklärung der auch anderswie ermöglichten Phänomene herangezogen

§ 1454

werden darf? Bei der Beantwortung dieser Frage lassen mich

§ 1455

meine Erfahrungen im Stiche. Ich kann nur davon abmahnen,

§ 1456

den aufgezeigten Zusammenhang für selten zu halten, denn so oft

§ 1457

ich bei mir selbst und bei meinen Patienten die Probe angestellt,

§ 1458

hat er sich wie in den mitgeteilten Beispielen sicher nachweisen

§ 1459

lassen oder haben sich wenigstens gute Gründe, ihn zu vermuten,

§ 1460

ergeben. Es ist nicht zu verwundern, wenn es nicht alle Male ge

§ 1461

lingt, den verborgenen Sinn der Symptomhandlung zu finden, da

§ 1462

die Grösse der inneren Widerstände, die sich der Lösung wider

§ 1463

setzen, als entscheidender Faktor in Betracht kommt. Man ist auch

§ 1464

nicht imstande, bei sich selbst oder bei den Patienten jeden einzelnen

§ 1465

Traum zu deuten; es genügt, um die Allgemeingiltigkeit der Theorie

§ 1466

zu bestätigen, wenn man nur ein Stück weit in den verdeckten

§ 1467

Zusammenhang einzudringen vermag. Der Traum, der sich beim

§ 1468

Versuche, ihn am Tage nachher zu lösen, refraktär zeigt, lässt sich

§ 1469

oft eine Woche oder einen Monat später sein Geheimnis entreissen,

§ 1470

wenn eine unterdes erfolgte reale Veränderung die mit einander

§ 1471

streitenden psychischen Wertigkeiten herabgesetzt hat. Das nämliche

§ 1472

gilt für die Lösung der Fehl- und Symptomhandlungen; das Bei

§ 1473

spiel von Verlesen ,,Im Fass durch Europa" auf Seite 32 hat mir

§ 1474

die Gelegenheit gegeben zu zeigen, wie ein anfänglich unlösbares

§ 1475

Symptom der Analyse zugänglich wird, wenn das reale Interesse.

§ 1476

an den verdrängten Gedanken nachgelassen hat. So lange die

§ 1477

Möglichkeit bestand, dass mein Bruder den beneideten Titel vor.

§ 1478

mir erhielte, widerstand das genannte Verlesen allen wiederholten

§ 1479

Bemühungen der Analyse; nachdem es sich herausgestellt hatte,

§ 1480

dass diese Bevorzugung unwahrscheinlich sei, klärte sich mir plötz

§ 1481

lich der Weg, der zur Auflösung desselben führte. Es wäre also

§ 1482

Determinismus und Aberglauben,

§ 1483

§ 1484

85

§ 1485

§ 1486

unrichtig, von all den Fällen, welche der Analyse widerstehen, zu

§ 1487

behaupten, sie seien durch einen anderen als den hier aufgedeckten

§ 1488

psychischen Mechanismus entstanden; es brauchte für diese An

§ 1489

nahme noch andere als negative Beweise. Auch die bei Gesunden

§ 1490

wahrscheinlich allgemein vorhandene Bereitwilligkeit, an eine andere

§ 1491

Erklärung der Fehl- und Symptomhandlungen zu glauben, ist jeder

§ 1492

Beweiskraft bar; sie ist, wie selbstverständlich, eine Äusserung der

§ 1493

selben seelischen Kräfte, die das Geheimnis hergestellt haben, und

§ 1494

die sich darum auch für dessen Bewahrung einsetzen, gegen dessen

§ 1495

Aufhellung aber sträuben.

§ 1496

§ 1497

Auf der anderen Seite dürfen wir nicht übersehen, dass die

§ 1498

verdrängten Gedanken und Regungen sich den Ausdruck in Symptom

§ 1499

und Fehlhandlungen ja nicht selbständig schaffen. Die technische

§ 1500

Möglichkeit für solches Ausgleiten der Innervationen muss unab

§ 1501

hängig von ihnen gegeben sein; diese wird dann von der Absicht

§ 1502

des Verdrängten, zur bewussten Geltung zu kommen, gerne ausge

§ 1503

nützt. Welche Struktur- und Funktionsrelationen es sind, die sich

§ 1504

solcher Absicht zur Verfügung stellen, das haben für den Fall der

§ 1505

sprachlichen Fehlleistung (vgl. Seite 17) eingehende Untersuchungen

§ 1506

der Philosophen und Philologen festzustellen sich bemüht. Unter

§ 1507

scheiden wir so an den Bedingungen der Fehl- und Symptomhand

§ 1508

lung das unbewusste Motiv von den ihm entgegenkommenden

§ 1509

physiologischen und psychophysischen Relationen, so bleibt die Frage

§ 1510

offen, ob es innerhalb der Breite der Gesundheit noch andere

§ 1511

Momente gibt, welche, wie das unbewusste Motiv und an Stelle

§ 1512

desselben, auf dem Wege dieser Relationen die Fehl- und Symptom

§ 1513

handlungen zu erzeugen vermögen. Es liegt nicht auf meinem

§ 1514

Wege, diese Frage zu beantworten.

§ 1515

§ 1516

V. Seit den Erörterungen über das Versprechen haben wir

§ 1517

uns begnügt, zu beweisen, dass die Fehlleistungen eine verborgene

§ 1518

Motivierung haben, und uns mit dem Hilfsmittel der Psychoanalyse

§ 1519

den Weg zur Kenntnis dieser Motivierung gebahnt. Die allgemeine

§ 1520

Natur und die Besonderheiten der in den Fehlleistungen zum Ausdruck

§ 1521

gebrachten psychischen Faktoren haben wir bisher fast ohne Be

§ 1522

rücksichtigung gelassen, jedenfalls noch nicht versucht, dieselben

§ 1523

näher zu bestimmen und auf ihre Gesetzmässigkeit zu prüfen. Wir

§ 1524

werden auch jetzt keine gründliche Erledigung des Gegenstandes.

§ 1525

versuchen, denn die ersten Schritte werden uns bald belehrt haben,

§ 1526

dass man in dies Gebiet besser von anderer Seite einzudringen

§ 1527

86

§ 1528

§ 1529

Determinismus und Aberglauben.

§ 1530

§ 1531

vermag. Man kann sich hier mehrere Fragen vorlegen, die ich

§ 1532

wenigstens anführen und in ihrem Umfang umschreiben will.

§ 1533

1. Welches Inhalts und welcher Herkunft sind die Gedanken

§ 1534

und Regungen, die sich durch die Fehl- und Zufallshandlungen an

§ 1535

deuten? 2. Welches sind die Bedingungen dafür, dass ein Ge

§ 1536

danke oder eine Regung genötigt und in den Stand gesetzt werde,

§ 1537

sich dieser Vorfälle als Ausdrucksmittel zu bedienen? 3. Lassen

§ 1538

sich konstante und eindeutige Beziehungen zwischen der Art der

§ 1539

Fehlhandlung und den Qualitäten des durch sie zum Ausdruck Ge

§ 1540

brachten nachweisen?

§ 1541

§ 1542

Ich beginne damit, einiges Material zur Beantwortung der

§ 1543

letzten Frage zusammenzutragen.

§ 1544

Bei der Erörterung der Beispiele

§ 1545

von Versprechen haben wir es für nötig gefunden, über den Inhalt

§ 1546

der intendierten Rede hinauszugehen, und haben die Ursache der

§ 1547

Redestörung ausserhalb der Intention suchen müssen. Dieselbe lag

§ 1548

dann in einer Reihe von Fällen nahe und war dem Bewusstsein

§ 1549

des Sprechenden bekannt. In den scheinbar einfachsten und durch

§ 1550

sichtigsten Beispielen war es eine gleichberechtigt klingende andere

§ 1551

Fassung desselben Gedankens, die dessen Ausdruck störte, ohne

§ 1552

dass man hätte angeben können, warum die eine unterlegen,

§ 1553

die andere durchgedrungen war (Kontaminationen

§ 1554

Me

§ 1555

ringer und Mayer). In einer zweiten Gruppe von Fällen.

§ 1556

war das Unterliegen der einen Fassung motiviert durch eine Rück

§ 1557

sicht, die sich aber nicht stark genug zur völligen Zurückhaltung

§ 1558

erwies (szum Vorschwein gekommens). Auch die zurückgehaltene

§ 1559

Fassung war klar bewusst. Von der dritten Gruppe erst kann man

§ 1560

ohne Einschränkung behaupten, dass hier der störende Gedanke

§ 1561

von dem intendierten verschieden war, und kann hier eine, wie es

§ 1562

scheint, wesentliche Unterscheidung aufstellen. Der störende Ge

§ 1563

danke ist entweder mit dem gestörten durch Gedankenassoziation

§ 1564

verbunden (Störung durch inneren Widerspruch), oder er ist ihmi

§ 1565

wesensfremd, und durch eine befremdende äusserliche Assoziation

§ 1566

ist gerade das gestörte Wort mit dem störenden Gedanken, der oft

§ 1567

unbewusst ist, verknüpft. In den Beispielen, die ich aus meinen.

§ 1568

Psychoanalysen bei Patienten gebracht habe, steht die ganze Rede.

§ 1569

unter dem Einfluss gleichzeitig aktiv gewordener, aber völlig unbe

§ 1570

wusster Gedanken, die sich entweder durch die Störung selbst ver

§ 1571

raten (Klapperschlange Kleopatra) oder einen indirekten

§ 1572

Einfluss äussern, indem sie ermöglichen, dass die einzelnen Teile der

§ 1573

bewusst intendierten Rede einander stören (Ase natmen:

§ 1574

WO

§ 1575

Determinismus und Aberglauben.

§ 1576

§ 1577

87

§ 1578

§ 1579

Hasenauerstrasse, Reminiszenzen an eine Französin dahinter stehen).

§ 1580

Die zurückgehaltenen oder unbewussten Gedanken, von denen die

§ 1581

Sprechstörung ausgeht, sind von der mannigfaltigsten Herkunft.

§ 1582

Eine Allgemeinheit enthüllt uns diese Überschau also nach keiner

§ 1583

Richtung.

§ 1584

§ 1585

Die vergleichende Prüfung der Beispiele von Verlesen und

§ 1586

Verschreiben führt zu den nämlichen Ergebnissen. Einzelne Fälle

§ 1587

scheinen wie beim Versprechen einer weiter nicht motivierten Ver

§ 1588

dichtungsarbeit ihr Entstehen zu danken (z. B.: der Apfe). Man

§ 1589

möchte aber gern erfahren, ob nicht doch besondere Bedingungen

§ 1590

erfüllt sein müssen, damit eine solche Verdichtung, die in der

§ 1591

Traumarbeit regelrecht, in unserem wachen Denken fehlerhaft ist,

§ 1592

Platz greife, und bekommt hierüber aus den Beispielen selbst keinen

§ 1593

Aufschluss, Ich würde es aber ablehnen, hieraus den Schluss zu

§ 1594

ziehen, es gebe keine solchen Bedingungen als etwa den Nachlass

§ 1595

der bewussten Aufmerksamkeit, da ich von anderswoher weiss, dass.

§ 1596

sich gerade automatische Verrichtungen durch Korrektheit und Ver

§ 1597

lässlichkeit auszeichnen. Ich möchte eher betouen, dass hier, wie

§ 1598

so häufig in der Biologie, die normalen oder dem Normalen ange

§ 1599

näherten Verhältnisse ungünstigere Objekte der Forschung sind als die

§ 1600

pathologischen. Was bei der Erklärung dieser leichtesten Störungen.

§ 1601

dunkel bleibt, wird nach meiner Erwartung durch die Aufklärung

§ 1602

schwererer Störungen Licht empfangen.

§ 1603

§ 1604

Auch beim Verlesen und Verschreiben fehlt es nicht an Bei

§ 1605

spielen, welche eine entferntere und kompliziertere Motivierung er

§ 1606

keunen lassen. Im Fass durch Europae ist eine Lesestörung, die

§ 1607

sich durch den Einfluss eines entlegenen, wesensfremden Gedankens

§ 1608

aufklärt, welcher einer verdrängten Regung von Eifersucht und

§ 1609

Ehrgeiz entspringt, und den Wechsel des Wortes Beförderunge

§ 1610

zur Verknüpfung mit dem gleichgiltigen und harmlosen Thema, das

§ 1611

gelesen wurde, benützt. Im Falle Burckhard ist der Name selbst.

§ 1612

ein solcher Wechsele.

§ 1613

§ 1614

Es ist unverkennbar, dass die Störungen der Sprechfunktionen

§ 1615

leichter zustande kommen und weniger Anforderungen an die störenden

§ 1616

Kräfte stellen als die anderer psychischer Leistungen.

§ 1617

§ 1618

Auf anderem Bodeu steht man bei der Prüfung des Vergessens

§ 1619

im eigent

§ 1620

d. h. des Vergessens von vergangenen Er

§ 1621

lebnissen (das Vergessen von Eigennamen und Fremdworten, wie

§ 1622

in den Abschnitten I und II könnte man als Entfallen, das von

§ 1623

88.

§ 1624

§ 1625

Determinismus und Aberglauben.

§ 1626

§ 1627

Vorsätzen als Unterlassen von diesem Vergessen sensu strictiori

§ 1628

absondern). Die Grundbedingungen des normalen Vorgangs beim

§ 1629

Vergessen sind unbekannt. Man wird auch daran gemahnt, dass

§ 1630

nicht alles vergessen ist, was man dafür hält. Unsere Erklärung

§ 1631

hat es hier nur mit jenen Fällen zu tun, in denen das Vergessen

§ 1632

bei uns ein Befremden erweckt, insofern es die Regel verletzt,

§ 1633

dass Unwichtiges vergessen, Wichtiges aber vom Gedächtnis bewahrt

§ 1634

wird. Die Analyse der Beispiele von Vergessen, die uns nach

§ 1635

einer besonderen Aufklärung zu verlangen scheinen, ergibt als Motiv

§ 1636

des Vergessens jedesmal eine Unlust, etwas zu erinnern, was peinliche

§ 1637

Empfindungen erwecken kann. Wir gelangen zur Vermutung, dass"

§ 1638

dieses Motiv im psychischen Leben sich ganz allgemein zu äussern

§ 1639

strebt, aber durch andere gegenwirkende Kräfte verhindert wird,

§ 1640

sich irgendwie regelmässig durchzusetzen. Umfang und Bedeutung

§ 1641

dieser Erinnerungsunlust gegen peinliche Eindrücke scheinen der

§ 1642

sorgfältigsten psychologischen Prüfung wert zu sein; auch die Frage,

§ 1643

welche besonderen Bedingungen das allgemein angestrebte Vergessen

§ 1644

in einzelnen Fällen ermöglichen, ist aus diesem weiteren Zusammen

§ 1645

hange nicht zu lösen.

§ 1646

§ 1647

Beim Vergessen von Vorsätzen tritt ein anderes Moment in

§ 1648

den Vordergrund; der beim Verdrängen des peinlich zu Erinnernden

§ 1649

nur vermutete Konflikt wird hier greifbar, und man erkennt bei

§ 1650

der Analyse der Beispiele regelmässig einen Gegenwillen, der sich

§ 1651

dem Vorsatze widersetzt, ohne ihn aufzuheben. Wie bei früher be

§ 1652

sprochenen Fehlleistungen erkennt man auch hier zwei Typen des

§ 1653

psychischen Vorgangs; der Gegenwille kehrt sich entweder direkt

§ 1654

gegen den Vorsatz (bei Absichten von einigem Belang), oder er ist

§ 1655

dem Vorsatz selbst wesensfremd und stellt seine Verbindung mit

§ 1656

ihm durch eine äusserliche Assoziation her (bei fast indifferenten

§ 1657

Vorsitzen).

§ 1658

§ 1659

Derselbe Konflikt beherrscht die Phänomene des Vergreifens.

§ 1660

§ 1661

Der Impuls, der sich in der Störung der Handlung äussert, ist

§ 1662

§ 1663

häufig ein Gegenimpuls, doch noch öfter ein überhaupt fremder.

§ 1664

der nur die Gelegenheit benützt, sich bei der Ausführung der

§ 1665

Handlung durch eine Störung derselben zum Ausdruck zu bringen.

§ 1666

Die Fälle, in denen die Störung durch einen inneren Widerspruch

§ 1667

erfolgt, sind die bedeutsameren und betreffen auch die wichtigeren.

§ 1668

Verrichtungen.

§ 1669

§ 1670

Der innere Konflikt tritt dann bei den Zufalls- oder Symptom

§ 1671

handlungen immer mehr zurück. Diese vom Bewusstsein gering

§ 1672

Determinismus und Aberglauben.

§ 1673

§ 1674

89

§ 1675

§ 1676

geschätzten oder ganz übersehenen motorischen Aeusserungen dienen

§ 1677

so mannigfachen unbewussten oder zurückgehaltenen Regungen

§ 1678

zum Ausdruck; sie stellen meist Phantasien oder Wünsche symbolisch

§ 1679

dar.

§ 1680

§ 1681

Zur ersten Frage, welcher Herkunft die Gedanken und Re

§ 1682

gungen seien, die sich in den Fehlleistungen zum Ausdruck

§ 1683

bringen, lässt sich sagen, dass in einer Reihe von Fällen die

§ 1684

Herkunft der störenden Gedanken von unterdrückten Regungen

§ 1685

des Seelenlebens leicht nachzuweisen ist. Egoistische, eifersüchtige,

§ 1686

feindselige Gefühle und Impulse, auf denen der Druck der moralischen

§ 1687

Erziehung lastet, bedienen sich bei Gesunden nicht selten des

§ 1688

Weges der Fehlleistungen, um ihre unleugbar vorhandene, aber von

§ 1689

höheren seelischen Instanzen nicht anerkannte Macht irgendwie zu

§ 1690

äussern. Das Gewährenlassen dieser Fehl- und Zufallshandlungen

§ 1691

entspricht zum guten Teil einer bequemen Duldung des Unmoralischen.

§ 1692

Unter diesen unterdrückten Regungen spielen die mannigfachen sexu

§ 1693

ellen Strömungen keine geringfügige Rolle. Es ist ein Zufall des

§ 1694

Materials, wenn gerade sie so selten unter den durch die Analyse

§ 1695

aufgedeckten Gedanken in meinen Beispielen erscheinen. Da ich

§ 1696

vorwiegend Beispiele aus meinem eigenen Seelenleben der Analyse

§ 1697

unterzogen habe, so war die Auswahl von vornherein parteiisch und

§ 1698

auf den Ausschluss des Sexuellen gerichtet. Andere Male scheinen es

§ 1699

höchst harmlose Einwendungen und Rücksichten zu sein, aus denen

§ 1700

die störenden Gedanken entspringen..

§ 1701

§ 1702

Wir stehen nun vor der Beantwortung der zweiten Frage,

§ 1703

welche psychologischen Bedingungen dafür gelten, dass ein Gedanke

§ 1704

seinen Ausdruck nicht in voller Form, sondern in gleichsam para

§ 1705

sitärer als Modifikation und Störung eines anderen suchen müsse.

§ 1706

Es liegt nach den auffälligsten Beispielen von Fehlhandlung nahe,

§ 1707

diese Bedingung in einer Beziehung zur Bewusstseinsfähigkeit zu

§ 1708

suchen, in dem mehr oder minder entschieden ausgeprägten Cha

§ 1709

rakter des Verdrängten. Aber die Verfolgung durch die Reihe

§ 1710

der Beispiele löst diesen Charakter in immer mehr verschwommene

§ 1711

Andeutungen auf. Die Neigung, über etwas als zeitraubend hin

§ 1712

wegzukommen, die Erwägung, dass der betreffende Gedanke

§ 1713

nicht eigentlich zur intendierten Sache gehört, scheinen als

§ 1714

Motive für die Zurückdrängung eines Gedankens, der dann auf

§ 1715

den Ausdruck durch Störung eines anderen angewiesen ist, dieselbe

§ 1716

Rolle zu spielen wie die moralische Verurteilung einer unbotmissi

§ 1717

gen Gefühlsregung oder die Abkunft von völlig unbewussten Ge

§ 1718

90

§ 1719

§ 1720

Determinismus und Aberglauben.

§ 1721

§ 1722

dankenzügen. Eine Einsicht in die allgemeine Natur der Bedingt

§ 1723

heit von Fehl- und Zufallsleistungen lässt sich auf diese Weise

§ 1724

nicht gewinnen. Einer einzigen bedeutsamen Tatsache wird man

§ 1725

bei diesen Untersuchungen habhaft; je harmloser die Motivierung

§ 1726

der Fehlleistung ist, je weniger anstössig und darum weniger be

§ 1727

wusstseinsunfähig der Gedanke ist, der sich in ihr zum Ausdruck

§ 1728

bringt, desto leichter wird auch die Auflösung des Phänomens, wenn

§ 1729

man ihm seine Aufmerksamkeit zugewendet hat: die leichtesten

§ 1730

Fälle des Versprechens werden sofort bemerkt und spontan korrigiert.

§ 1731

Wo es sich um Motivierung durch wirklich verdrängte Regungen

§ 1732

handelt, da bedarf es zur Lösung einer sorgfältigen Analyse,

§ 1733

die selbst zeitweise auf Schwierigkeiten stossen oder misslingen.

§ 1734

kann.

§ 1735

§ 1736

Es ist also wohl berechtigt, das Ergebnis dieser letzten Unter

§ 1737

suchung als einen Hinweis darauf zu nehmen, dass die befriedigende

§ 1738

Aufklärung für die psychologischen Bedingungen der Fehl- und

§ 1739

Zufallshandlungen auf einem anderen Wege und von andere. Seite

§ 1740

her zu gewinnen ist. Der nachsichtige Leser möge daher in diesen

§ 1741

Auseinandersetzungen den Nachweis der Bruchflächen sehen, an

§ 1742

denen dieses Thema ziemlich künstlich aus einem grösseren Zu

§ 1743

sammenhange herausgelöst wurde.

§ 1744

§ 1745

VI. Einige Worte sollen zum mindesten die Richtung nach

§ 1746

diesem weiteren Zusammenhange andeuten. Der Mechanismus der

§ 1747

Fehl- und Zufallshandlungen, wie wir ihn durch die Anwendung

§ 1748

der Analyse kennen gelernt haben, zeigt in den wesentlichsten

§ 1749

Punkten eine Übereinstimmung mit dem Mechanismus der Traum

§ 1750

bildung, den ich in dem Abschnitt Traumarbeite meines Buches

§ 1751

über die Traumdeutung auseinandergesetzt habe. Die Verdichtungen

§ 1752

und Kompromissbildungen (Kontaminationen) findet man hier wie

§ 1753

dort; die Situation ist die nämliche, dass unbewusste Gedanken sich

§ 1754

auf ungewöhnlichen Wegen, über äusserliche Assoziationen, als Modi

§ 1755

fikation von anderen Gedanken zum Ausdruck bringen. Die Un

§ 1756

gereimtheiten, Absurditäten und Irrtümer des Trauminhaltes, denen

§ 1757

zufolge der Traum kaum als Produkt psychischer Leistung anerkannt

§ 1758

wird, entstehen auf dieselbe Weise, freilich mit freierer Benützung

§ 1759

der vorhandenen Mittel, wie die gemeinen Fehler unseres Alltags

§ 1760

lebens; hier wie dort löst sich der Anschein inkorrekter

§ 1761

Funktion durch die eigentümliche Interferenz zweier oder

§ 1762

mehrerer korrekter Leistungen. Aus diesem Zusammentreffen

§ 1763

§ 1764

deuting fus

§ 1765

Determinismus und Aberglauben.

§ 1766

§ 1767

ist ein wichtiger Schluss zu ziehen: Die eigentümliche Arbeitsweise,

§ 1768

deren auffälligste Leistung wir im Trauminhalt erkennen, darf nicht

§ 1769

auf den Schlafzustand des Seelenlebens zurückgeführt werden, wenn

§ 1770

wir in den Fehlhandlungen so reichliche Zeugnisse für ihre Wirksamkeit

§ 1771

während des wachen Lebens besitzen. Derselbe Zusammenhang

§ 1772

verbietet uns auch, tiefgreifenden Zerfall der Seelentätigkeit, krank

§ 1773

hafte Zustände der Funktion als die Bedingung dieser uns abnorm

§ 1774

und fremdartig erscheinenden psychischen Vorgänge anzuschen¹).

§ 1775

§ 1776

Die richtige Beurteilung der sonderbaren psychischen Arbeit,

§ 1777

welche die Fehlhandlungen wie die Traumbilder entstehen lässt,

§ 1778

wird uns erst ermöglicht, wenn wir erfahren haben, dass die psycho

§ 1779

neurotischen Symptome, speziell die psychischen Bildungen der

§ 1780

Hysterie und der Zwangsneurose, in ihrem Mechanismus alle wesent

§ 1781

lichen Züge dieser Arbeitsweise wiederholen. An dieser Stelle schlösse

§ 1782

sich also die Fortsetzung unserer Untersuchungen an. Für uns hat

§ 1783

es aber noch ein besonderes Interesse, die Fehl-, Zufalls- und

§ 1784

Symptomhandlungen in dem Lichte dieser letzten Analogie zu be

§ 1785

trachten. Wenn wir sie den Leistungen der Psychoneurosen, den

§ 1786

neurotischen Symptomen, gleichstellen, gewinnen zwei oft wieder

§ 1787

kehrende Behauptungen, dass die Grenze zwischen nervöser Norm

§ 1788

und Abnormität eine fliessende, und dass wir alle ein wenig nervös

§ 1789

seien, Sinn und Unterlage. Man kann sich vor aller ärztlicher Er

§ 1790

fahrung verschiedene Typen von solcher bloss angedeuteten Nervosität

§ 1791

- von formes frustes der Neurosen- konstruieren: Fälle, in denen

§ 1792

nur wenige Symptome, oder diese selten oder nicht heftig auftreten,

§ 1793

die Abschwächung also in die Zahl, in die Intensität, in die zeit

§ 1794

liche Ausbreitung der krankhaften Erscheinungen verlegen; vielleicht

§ 1795

würde man aber gerade den Typus nicht erraten, welcher als der

§ 1796

häufigste den Übergang zwischen Gesundheit und Krankheit zu ver

§ 1797

mitteln scheint. Der uns vorliegende Typus, dessen Krankheits

§ 1798

äusserungen die Fehl- und Symptomhandlungen sind, zeichnet sich

§ 1799

nämlich dadurch aus, dass die Symptome in die mindest wichtigen

§ 1800

psychischen Leistungen verlegt sind, während alles, was höheren

§ 1801

psychischen Wert beanspruchen kann, frei von Störung vor sich

§ 1802

geht. Die gegenteilige Unterbringung der Symptome, ihr Hervor

§ 1803

treten an den wichtigsten individuellen und sozialen Leistungen, so dass

§ 1804

sie Nahrungsaufnahme und Sexualverkehr, Berufsarbeit und Ge

§ 1805

§ 1806

¹) Vgl. hierzu Tranmdeutung" p. 362.

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91

§ 1809

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Determinismus und Aberglauben.

§ 1812

§ 1813

selligkeit zu stören vermögen, kommt den schweren Fällen von Neu

§ 1814

rose zu und charakterisiert diese besser als etwa die Mannigfaltigkeit

§ 1815

oder die Lebhaftigkeit der Krankheitsäusserungen.

§ 1816

§ 1817

Der gemeinsame Charakter aber der leichtesten wie der schwersten

§ 1818

Fälle, an dem auch die Fehl- und Zufallshandlungen Anteil haben,

§ 1819

liegt in der Rückführbarkeit der Phänomene auf unvoll

§ 1820

kommen unterdrücktes psychisches Material, das vom Be

§ 1821

wusstsein abgedrängt, doch nicht jeder Fähigkeit, sich zu

§ 1822

äussern, heraubt worden ist.